Künftig kommen Kinder in die Kirche

Saarlouis · Eigentlich eine Albtraum-Aufgabe für Architekten, weil mit vertretbaren Mitteln kaum lösbar: Aus der denkmalgeschützten Betonkirche aus den 60er Jahren am Saarlouiser Bahnhof etwas sinnvolles Neues zu machen. Das Ensemble wird eine große Kita, und es dürfte einzigartig zumindest im Saarland und im Bistum Trier werden.

 Vom Altar blieb nur dieser Sockel. Frühestens ab Herbst 2016 werden hier Kinder spielen.

Vom Altar blieb nur dieser Sockel. Frühestens ab Herbst 2016 werden hier Kinder spielen.

Bischof Stephan Ackermann hat die große Betonkirche am Saarlouiser Bahnhof, Christkönig, längst per Dekret entwidmet, profaniert. Seit 2008 ist sie wegen Schäden am Dach geschlossen. 1966 bis 1968 wurde sie errichtet, große Teile der Kosten deckten damals Spenden.

Drinnen sieht man den entkleideten Altarsockel. In einer Nische hängen, nun ganz unmotiviert, kleine Marmortafeln. "Maria hat geholfen", "Danke Josef". Die Heiligenfiguren, vor denen Gläubige diese Tafeln zum Dank für Glaubenserfahrungen anbringen ließen, sind weg. Sie werden wohl einst wieder in der Nähe stehen, wie andere Figuren aus der Kirche. "Die Figuren bleiben im Kindergarten", sagt Pfarrer Hans-Kurt Trapp. Andere Gegenstände wurden auf St. Johannes Steinrausch und Maria Himmelfahrt Roden verteilt.

Die Kirche wird nun zur Kindertagesstätte umgebaut. Bauträgerin ist die Pfarrei, Betriebsträgerin die Kita gGmbh Saarland. Im Nebengebäude war bisher schon die Kita Christkönig zu Hause. Sie und die andere katholische Kita in Roden, Arche Noah, werden fusionieren und gemeinsam in den Kirchenraum einziehen. Wie die neue Kita heißen wird, ist noch nicht entschieden.

133 Kita-Plätze

Es wird eine der größten kirchlichen Kitas im Saarland, sagt Simone Speicher, Gesamtleiterin für sechs katholische Kitas in Saarlouis , 133 Plätze, 100 in vier Gruppen und 33 in drei Krippengruppen.

Die 50 Kinder aus der Kita Christkönig sind zurzeit im Karl-Thiel-Haus mitten in Roden ausgelagert. Was "bereichernd" für das kirchliche Gebäude mitten in Roden sei, unterstreicht Pfarrer Trapp. "Das war viel einfacher, als man sich das vorher so vorgestellt hat."

Vor allem aber liegt die Arche Noah mit ihren 64 Kindern gleich um die Ecke. Da konnten sich die Kinder und die Erzieherinnen schon mal kennenlernen. Zum Ende der Sommerferien kehren die Christkönig-Kinder zurück in ihre alte Kita. Sie können und sollen dann beobachten, wie ihre neue Kita gebaut wird. Natürlich wird sie mehr interessieren, wie so ein Holzbau entsteht, als der architektonische Mut, derart mit einem denkmalgeschützten früheren Kirchenbau umzugehen.

3,25 Millionen Euro zahlen Land, Stadt, Kreis und Bistum für zwei große Maßnahmen: In den Innenraum der Kirche wird eine Art großes Holzgestell eingebaut, wie die beiden Geschäftsführer des Architekturbüros Flosundnk, Mario Krämer und Jens Stahnke, erklären. Ganz einfach könnte man sagen: ein riesiges Hochbett.

Unten werden auf der einen Seite drei Krippengruppen samt Nebenräumen untergebracht. Um Licht reinzubringen, öffnen die Architekten die Westwand unter der Orgel. Die bleibt laut Trapp erstmal, wo sie ist. Ein Bewegungsraum findet auch Platz. Ein nach oben offener Umgang entlang der Kirchenwände zeigt einen weiteren Grundgedanken der Architekten: Sie verstehen das Kirchengebäude als Außenraum, den Holzbau als den eigentlichen Innenraum.

Große Spielfläche entsteht

Die obere Ebene des Holzgestells, einer Art Box, wird zu einer großen Spielfläche in einem gemischten Drinnen/Draußen: Dieser Spielraum ist so hoch wie die beiden Reihen der für den Bau charakteristischen Lamellenfenster. In der oberen Reihe bleiben Fenster unverglast, erzeugen also eine Art Außenraum.

Zweite Maßnahme: Derzeit wird das zweigeschossige Nebengebäude abgerissen, das eigentlich zwingend zum Ensemble dazu gehört, wie es der Architekt Prof. Günter Kleinjohann entworfen hatte. Es wird behutsam ersetzt durch einen hölzernen Flachbau, in dem die vier Regelgruppen und einige Funktionsräume der Kita unterkommen werden. Das alte Pfarrhaus nebenan und der Glockenturm bleiben. Frühestens zum Herbst 2016 soll die Kita bezugsfertig sein.

Mit dieser Transformation sei Kleinjohann, Jahrgang 1926, sehr einverstanden gewesen, berichten die Architekten. Manche Lösung gehe sogar auf seinen Vorschlag zurück. Das Bistum habe durchaus mit der Lösung ringen müssen, dann aber doch zugestimmt, ergänzt Trapp.

Und so kommt es, dass der Architekt Jens Stahnke feststellt: "Wir hatten beim Umbau dieser Kirche mehr Freiheiten, als wir sie bei einem Neubau gehabt hätten."

Meinung:

Gut für eine Meditation

 Pfarrer Hans-Kurt Trapp, die Architekten Jens Stahnke und Mario Krämer und Kita-Gesamtleiterin Simone Speicher (von links) besprechen den Umbau der Kirche zur Kita. Fotos: Hartmann Jenal

Pfarrer Hans-Kurt Trapp, die Architekten Jens Stahnke und Mario Krämer und Kita-Gesamtleiterin Simone Speicher (von links) besprechen den Umbau der Kirche zur Kita. Fotos: Hartmann Jenal

Von SZ-RedakteurJohannes Werres

Kaum hat das Publikum gelernt, die architektonischen Reize auch von Betonkirchen anzuerkennen, werden welche abgerissen. Oder umgebaut, wie jetzt in Roden. Es schmerzt durchaus, das harmonische Ensemble gestutzt zu sehen. Und mit ihm Kirchenkonzepte und Hoffnungen der Aufbruchszeit Mitte der 60er Jahre, die vom Konzil, der großen Kirchenversammlung, angestoßen worden waren. In Roden wurde das zum doppelten Glücksfall: Hier fand sich eine glänzende Idee, was mit dem Gebäude geschehen soll. Und der Architekt, der Christkönig vor Jahren baute, konnte sich mit einbringen. Das wird was, jedenfalls architektonisch. Wir hatten, sagten die beiden Architekten, beim Umbau der Kirche mehr Freiheiten, als wir sie bei einem Neubau hätten. Ein Satz, nebenbei, den im übertragenen Sinne die Reformer der katholischen Kirche in Rom heute mal meditieren sollten.

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