Ungewöhnliches Projekt „Das war Speed-Dating Erste Hilfe“

saarbrücken/Saarlouis · Erstmals im Saarland haben sich alle Schüler einer ganzen Schule gleichzeitig in Erster Hilfe ausbilden lassen.

 Vorsichtig: Daniel Kin legt Udo Ulrich einen Verband an.

Vorsichtig: Daniel Kin legt Udo Ulrich einen Verband an.

Foto: Thomas Seeber

Lauter grüne Punkte auf einem Plakat signalisieren: Die gut 300 Jungen und Mädchen der Martin-Luther-King-Gemeinschaftsschule (MLK) in Saarlouis-Fraulautern trauen sich jetzt zu, anderen bei kleinen Verletzungen zu helfen und sogar einen Verband anzulegen. Vor zwei Stunden hätte das für die meisten von ihnen wohl anders ausgesehen. Dazwischen liegt das Projekt „Helfen statt glotzen“. Die ganze Schule hatte vier Stationen mit praktischer Anleitung zu Erster Hilfe durchlaufen. Eine Doppelstunde lang für jede Klasse. Am Ende standen sicher nicht knapp 300 perfekte Ersthelfer. Aber fast 300 Jungen und Mädchen, denen etwas von der Angst genommen war, spontan zu helfen. Weil sie jetzt wissen, dass sie das auch können, irgendwas jedenfalls tun können.

Wie Leon Piezuch, der gerade eine Herzmassage zum Reanimieren eines Verletzten probiert hat. Zu AC/DC, ziemlich laut, weil die Rockgruppe, sagt Anleiter Stefan Schneider, genau den richtigen Takt vorgebe. „War schon was Neues“, sagt Leon: „Ungewohnt.“ Ob er sich das im Notfall zutraue? „Weiß ich gar nicht. Helfen muss man ja. Ich wüsste auf jeden Fall die Telefonnummer für den Rettungsdienst.“ Schon das ist ein Lernerfolg dieses Projektes, sagen die Projektleiterinnen Andrea Head und Sabrina Spieß. „Erstaunlich, wie viele Kinder die Notrufnummern nicht kennen.“

„Helfen statt glotzen“ war erst ein Projekt und hat jetzt Aussichten auf ein Pilotprojekt. Denn MLK-Schulleiter Udo Ulrich möchte diesen Durchlauf alle zwei Jahre wiederholen. „Dann hätten jeder Schüler und jede Schülerin diesen Kurs drei Mal gemacht, das wäre nachhaltig.“ Und Roswitha Fuhr, Leiterin des Zentrums für Gesundheitsfachberufe im Cts-Schulzentrum St. Hildegard in Saarbrücken sagt: „Ich denke, das könnten wir hinkriegen.“

Auf den Weg gebracht haben das Projekt die 15 Krankenpfleger aus fünf Kliniken, die im Cts-Zentrum eine Fachweiterbildung Anästhesie und Intensivpflege absolvieren. Ein Projekt auf die Beine zu stellen, gehörte dazu. Wie bestellt ging da bei Cts-Lehrkraft Stefan Schneider eine Anfrage des Schulsozialarbeiters der MLK, Nikhil Schmidt, ein. Man suche neue Impulse für die 17 jungen Schulsanitäter des MLK. Da passte beides zusammen: einer ganzen Schule in einem Streich Grundlagen in Erster Hilfe vermitteln und die Schulsanitäter darin einbeziehen. Die 15 Krankenpfleger diskutierten und realisierten ein Konzept, Sponsoren steuerten T-Shirts und Material bei.

„Jeder Schüler machte mit“, sagt Sandra Spieß, „das ist wichtig, denn dann ist es normal. Niemand musste sich genieren“. Was gar nicht so selbstverständlich sei, wie die zweite stellvertretende Schulleiterin Cornelia Nauhauser unterstreicht. Anderen nahe zu kommen – nicht unbedingt selbstverständlich. Nauhauser: „Aber das ging gut. Es gab auch keine kulturellen Probleme“, wie sie aus der Herkunft der Kinder hätten resultieren können.

Für die Schulsanitäter war das doppelt gut. Sie zeigten, was sie können, und die Mitschüler erfuhren, was sie tun. „Wir haben den anderen gezeigt, wie man einen Verband anlegt oder wie man eine Wunde reinigt“, sagt Schulsanitäter Daniel Kin. Bringt das was? „Es kann helfen, ja.“ Würde er sich einem seiner Mitschüler anvertrauen, der gerade gelernt hat, eine kleine Wunde zu säubern? „Ja.“

Bloß eine Doppelstunde fiel in jeder Klasse aus. Trotzdem durchlief die ganze Schule den Schnellkurs, denn außer den 15 Krankenpflegern in Weiterbildung und den 17 MLK-Schulsanitätern war auch eine Klasse der Cts-Krankenpflegeschule mit zwölf Leuten im Einsatz. Und, beobachtete Sabrina Spieß, „in jeder Klasse waren auch die Lehrer dabei. Das ist nicht selbstverständlich“. Offenbar gefiel das Projekt auch den Pädagogen. MLK-Schulleiter Udo Ulrich erklärte mit Blick auf die vier Ausbildungsstationen zu je 20 Minuten: „Das war Speed-Dating Erste Hilfe.“

 Nur Mut: David Fries zeigt Leon Piezuch, wie ein Patient mit einer Herzmassage reanimiert wird.

Nur Mut: David Fries zeigt Leon Piezuch, wie ein Patient mit einer Herzmassage reanimiert wird.

Foto: Thomas Seeber

Und auch die Erwachsenen, die dabei zuhörten, konnten gleich etwas mit nach Hause nehmen: „Was macht man bei Nasenbluten?“, fragte eine Krankenpflegerin die Jugendlichen. „Nein, nicht den Kopf zurücklegen, das hat man früher so gemacht. Man beugt sich vor. Und wenn es nach 20 Minuten nicht vorbei ist, den Arzt holen“, war die richtige Antwort.

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