Kirche bricht mit Kirchturmdenken

Saarlouis · Katholisch gesehen soll der ganze Landkreis Saarlouis ab 2020 aus nur noch drei Pfarreien bestehen: Äußerer Ausdruck einer tiefgreifenden Reform.

Die katholische Pfarrei Saarlouis wird künftig die zweitgrößte Pfarrei im Bistum Trier sein: Gut 76 000 Katholikinnen und Katholiken werden ihr angehören. Pfarrei ist dabei nicht mehr so zu verstehen wie in den vergangenen Jahrhunderten, sie ist nicht mehr die engste Heimat eines Menschen, ein kleiner Bezirk mit Pfarrer, Pfarrhaus, Schule, Kindergarten und dem überall ähnlichen Set kirchlicher Gruppen. Die neuen Gliederungen nennt das Bistum "Pfarreien der Zukunft". Pfarreien heißen die Territorien, obwohl sie oft größer sind als ganze Dekanate heute. Aber, so erklärt die Theologische Referentin im Trierer Synodenbüro, Edith Ries-Knoppik, kirchenrechtlich müsse jedes Bistum aus Pfarreien mit einem Pfarrer bestehen. Wie groß und die Details, das sagt das Kirchenrecht nicht. Im Landkreis Saarlouis wird es drei solcher Pfarreien geben: Saarlouis, Dillingen und Lebach.

Derzeit gliedert sich der Landkreis in drei Dekanate. Seit einigen Jahren setzen die sich aus Pfarreiengemeinschaften zusammen. Im Dekanat Saarlouis sind das vier (plus die Großpfarrei Schwalbach Heilig Kreuz) mit 18 Pfarreien. Im Dekanat Dillingen sind es vier Pfarreiengemeinschaften mit 19 Pfarreien. Im Dekanat Wadgassen sind fünf Pfarreiengemeinschaften mit neun Pfarreien; die übrigens aus zuvor 24 kleinen Pfarreien gebildet wurden. Allein diese Zahlen zeigen den Umbruch an. Noch deutlicher dieser Vergleich: Künftig wird das ganze Bistum aus wahrscheinlich 35 Pfarreien bestehen - vor wenigen Jahrzehnten waren es noch fast 1000.

Im Jahr 2020 will Bischof Stefan Ackermann die große Reform in Kraft setzen.

Bis dahin ist noch vieles offen, selbst der genaue Zuschnitt künftiger Pfarreien. Ebenso die Frage, wie die Pfarreien heißen werden. Pfarrei Dillingen? Oder Pfarrei Dillingen, Heilig Sakrament? Oder ganz anders? Wie heißen die Sitze der Pfarreien? Derzeit sagen sie einfach "Pfarrort". Wo wird welche kirchliche Berufsgruppe wie eingesetzt? In welchen Kirchen wird es weiter Messen geben? Denn, so viel steht fest, wie Johannes Eiswirth sagt, "natürlich gibt es Sonntagsmessen nicht nur am Hauptort, sondern auch in anderen Kirchen". Eiswirth gehört der so genannten Teilprozessgruppe (TPG) Raumgliederung an. Sie gestaltet und bündelt den Prozess von Entwürfen und Diskussionen zwischen der Bistumssynode und 2020. Die Synode hat auf Initiative von Ackermann seit 2013 über die Zukunft des kirchlichen Lebens im Bistum diskutiert. Da gab es auch ein Papier zu den Pfarreien. Die TPG Raumgliederung konkretisierte es, sie bezieht mit ein, was Katholiken dazu sagen.

Bis Herbst können sie sich in einer "Resonanzphase" melden: per Mail, per Telefon. Ries-Knoppik: "Wir wollen lieber jetzt Kommentare hören also danach, wenn es zu spät ist." Ausgehend von der Synode sollen möglichst viele an diesem Prozess beteiligt werden.

Im Herbst sollen so genannte Erkundungsteams mit je drei Leuten die Gegebenheiten vor Ort aufnehmen. "Das soll schon Hinweise darauf geben, wie man in einer einzelnen neuen Pfarrei starten kann", sagt Ries-Knoppik.

Judith Rupp, Bischöfliche Pressestelle, sagt: "Trier ist ein mutiges Bistum. Alle, auch der Bischof, setzen sich jetzt einem Prozess aus und müssen aushalten nicht zu wissen, wie das ausgeht."

Hinter so viel Radikalität steht eine radikale Einsicht: "Das hier ist keine Strukturreform. Sondern wir wollen inhaltlich etwas anders machen. Die Zeichen der Zeit lesen. Denn in der Form der Volkskirche geht es nicht mehr, das wissen eigentlich alle", formuliert Ries-Knoppik. Volkskirche, an der die große Mehrheit der Bevölkerung teilhat, spielte sich vornehmlich an einem Ort ab: in der Pfarrei. Ohne pastorale Schnörkelei und unmissverständlich zog der Trierer Generalvikar Ulrich von Plettenberg Ende März daraus den Schluss: "Was nicht mehr passt und nur mit unverhältnismäßigen Aufwand am Leben zu erhalten ist, darf und muss zu Ende gehen." Und: "Zur Pfarrei der Zukunft gehört es, auch Abschied zu nehmen."

Der neue Zuschnitt der Pfarreien indes ist nur der sichtbare Ausdruck einer Reform, die das Selbstverständnis der Katholiken und ihre Art, den Glauben zu leben, sehr stark verändern soll. Vorüber die Zeit des lokalpatriotischen Kirchturmdenkens. Die Zeit der "Schäfchen" und der "Pfarrkinder" wäre dann endgültig vorbei.

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