Kein Schlips-Schutz an der Saar

Saarlouis. Echte Humoristen und ganz Humorlose könnten in ungewohnter Eintracht heute Morgen aufstehen, sich erinnern, dass Weiberfastnacht ist, und über das Schicksal ihres Schlipses nachdenken. Es wird ihnen gleich sein, dass mit dem Schlips ein Männlichkeitssymbol rituell gekürzt wird

 Am Fetten Donnerstag liegen die Frauen mit den Scheren wieder auf der Lauer. Foto: Honk

Am Fetten Donnerstag liegen die Frauen mit den Scheren wieder auf der Lauer. Foto: Honk

Saarlouis. Echte Humoristen und ganz Humorlose könnten in ungewohnter Eintracht heute Morgen aufstehen, sich erinnern, dass Weiberfastnacht ist, und über das Schicksal ihres Schlipses nachdenken. Es wird ihnen gleich sein, dass mit dem Schlips ein Männlichkeitssymbol rituell gekürzt wird. Ihnen wäre auch die Frage egal, die der Saarlouiser Amtsrichter Olaf Papesch so ohne Weiteres aus dem Handgelenk nicht beantworten kann: Ob also nicht Opfer von Diskriminierung sei, wer abends mit einem unversehrten Schlips nach Hause zurückkehre?

Aber da ist der Schlips als solcher. Schützt ihn unser Rechtssystem auch an Tagen wie diesen? Ist Schlipsabschneiden Sachbeschädigung nach Paragraph 303 Strafgesetzbuch? Kann man auf Schadensersatz klagen?

Die Rechtsauffassung des Richters Papesch schimmert schon im ersten Satz durch: "Der Fette Donnerstag ist juristisch kein Tag wie jeder andere." Jedenfalls nicht für den Schlips.

Grundlage für die juristische Beurteilung ist das Hier und Jetzt: Im Rheinland ist Karneval die fünfte Jahreszeit, und juristisch gehört das Saarland während der Fastnachtszeit gewissermaßen zum Rheinland. Bloß weil's nicht weit genug weg ist.

Am Rhein gehört das Schlips-Kappen dazu. Das mit geöffneter Schere auf den Mann treffende Damenkränzchen handelt demnach, so Papesch, "sozial adäquat". Also grundsätzlich nicht irgendwie strafbar.

Anders ausgedrückt: Die Frauen wissen, dass der Mann weiß, dass die Frauen wissen, es ist Weiberfastnacht. Und wenn der Mann es doch nicht weiß oder nicht mitmachen will? Dann reicht für Papesch, dass die Frauen glauben, sie wüssten, dass der Mann . . . und so weiter.

Das alles würde aber nicht zum Beispiel auf Rügen gelten. Und auch schon weniger weit weg, in Essen, sieht es ein Amtsrichter anders. Papesch zitiert: "Das Abschneiden eines Schlipses an Weiberfastnacht führt nur bei Einwilligung des Krawatteneigentümers nicht zur Schadensersatzpflicht" (Az: 20 C 691/87).

Das ist auch für Papesch die Frage: Kann die Einwilligung vorausgesetzt werden? Gilt schon als Einwilligung, dass man bloß gerade da ist? Im Prinzip ja, denn der Mann weiß ja, dass . . .

Wehrt sich der Mann nicht, dann kann das aber auch als Weigerung verstanden werden, am Ritual teilzunehmen. Soweit, möchte man Papesch interpretieren, müssen die Scherenträgerinnen aber nicht denken. Wehrt er sich hingegen ein bisschen, muss dies als Zeichen der Einwilligung verstanden werden. Denn es gehört (wie beim Rathaussturm) zum Ritual genau wie das Bützchen, das Küsschen, zum Ausgleich.

Mancher aber wehrt sich wirklich und will seinen Schlips unversehrt behalten. Wie das festzustellen sei, und ob das dann zu Schadensersatz führen könne, das liegt im Ermessen des Richters. Papesch, ein Freund der Fastnacht, neigt dazu, ihn eher abzulehnen. "Der Rolli wäre da die bessere Lösung."

 Am Fetten Donnerstag liegen die Frauen mit den Scheren wieder auf der Lauer. Foto: Honk

Am Fetten Donnerstag liegen die Frauen mit den Scheren wieder auf der Lauer. Foto: Honk

Das alles gilt in der Öffentlichkeit ebenso wie in geschlossenen Räumen, etwa Büros. Wenn's der Chef nicht vorher ausdrücklich verbietet. Und es ist auch ganz egal, ob der Träger des Langbinders, wie das Teil juristisch heißt, die Schnitterinnen kennt oder nicht. Foto: Heike Theobald

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