Im Wechselbad der Gefühle
Saarlouis · Zur Erinnerung an den 75. Jahrestag der ersten Evakuierung und 70. Jahrestag der Rückkehr nach dem Krieg in die zerstörte Heimat fand ein Friedenskonzert in der Kirche Heilige Dreifaltigkeit Fraulautern statt. Im Mittelpunkt stand Karl Jenkins' Oratorium „The Armed Man – A Mass for Peace“. Sandra Becker dirigierte fünf Chöre und das Orchester im voll besetzten Gotteshaus. Solisten waren Hannah Meyer, Mezzo, und Sascha Wagner, Tenor. Vorangestellt wurde der Messe ein Orgelwerk von César Franck und das „Adagio for Strings“ von Samuel Barber. Die Orgel spielte Julius Gorges.
"Ich kenne kaum ein Werk, das auf so eindringliche Weise die Ängste und Schrecken eines Krieges in Musik fasst", sagt Sandra Becker. Gemeint ist das Oratorium "The Armed Man" des zeitgenössischen Walisers Karl Jenkins, das mit einem Aufgebot von fünf Chören, hervorragend aufspielenden Mitgliedern des Orchesters der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern und zwei Solisten aufwartet. Ein Kraftakt der jungen Dirigentin, die die Kirchenchöre Heilige Dreifaltigkeit und St. Josef Fraulautern sowie Maria Himmelfahrt Roden zusammenführt - verstärkt durch den jungen Projektchor St. Johannes Steinrausch und den Frauenchor "Chorios" Fraulautern.
Wie sich die Textvorlage dieser Friedensmesse, die sich auf das französische Lied "L'homme armé" (Der Mann in Rüstung) aus dem 15. Jahrhundert bezieht, auf verschiedene Religionen und Weltanschauungen beruft, so bedient sich Jenkins unterschiedlicher Stile, von der mittelalterlichen Gregorianik über die Vokalpolyphonie der Renaissance bis zur Clustertechnik - häufig unterlegt mit mehr oder weniger martialischem Marsch-Rhythmus. Ungewöhnlich ist, dass sich weltliche Texte eindrucksvoll mit den religiösen verknüpfen. Dabei nimmt der Komponist unverhohlen Anleihen bei Benjamin Britten, aber auch bei Janácek, Ravel und Orff sowie Fauré, dessen fein-französisches Sanctus-Flirren beim Benedictus Pate stand. Während die drei Kirchenchöre weitgehend die lateinischen Texte übernehmen, singen die jungen Choristinnen in französischer und englischer Sprache.
Zu Beginn ertönt verhaltenes Getrampel, Marschmusik, die die Schlagwerker Christian Meissner, Peter Hoffmann und Björn Jakobs wie einen Teppich auslegen. Die Trommeln werden zum Krieg geschlagen, Soldaten mit der Waffe im Anschlag, auf eine Videowand projiziert, "marschieren" in die Messe mit ausschweifendem Kyrie, mit Sanctus, Agnus Dei und Benedictus. Auch andere großformatige Schwarz-Weiß-Bilder schärfen die Sicht auf das kriegerische Geschehen. Jenkins schrieb die Messe zur Zeit des Kosovokriegs. 2000 wurde sie in London uraufgeführt.
Dank der exzellenten Einstudierung dieses anspruchsvollen Werks gelingt es, insbesondere den geschliffenen Stimmen des Projektchors und von "Chorios", der am meisten gefordert ist, oft allein und unisono, aber auch dreistimmig singt, das Nebeneinander von alten und neuen Musikstilen kontrastreich zu gestalten. Rasche Tempi-, Lautstärken- und Harmoniewechsel werden sauber beherrscht, inklusive Stimmengewirr (Cluster) und atonaler Klangsequenzen. Kleine Intonationsschwächen können dabei übersehen werden.
Das bekannte Agnus Dei lebt vom Legato, und auch das Benedictus rührt an mit Frieden stiftender Melodie. Sehr beeindruckend ist der warme Mezzosopran von Hannah Meyer. Eine gelungene Veranstaltung, die mit reichlich Applaus bedankt wird.