Kirchenmusik Mehr als ein musikalischer Kraftakt

Saarlouis · Aufführung der h-Moll-Messe von Bach in der evangelischen Kirche Saarlouis Als Johann Sebastian Bach, der Erzprotestant, seine einzige katholische Messe komponierte, wollte er seinem Gott zeigen: Mehr kann ich nicht!

Vor diesem Werk hat jeder Chorsänger Respekt. Doch dank Joachim Fontaine ist die evangelische Kantorei Saarlouis, einem der Doyens historischer Aufführungspraxis, ein Chor mit viel Erfahrung, vokaler Strahlkraft und sängerischer Intelligenz. Und da der Maestro jeden Satz der h-Moll-Messe für „ein Juwel in sich selbst“ hält, ist ihm vor allem der Blickkontakt zwischen Chor und Orchester mit dem Dirigenten wichtig. Nur so eröffne sich die Gunst des Moments, flexibel zu reagieren – „mitzufliegen“. Tatsächlich gelingt es ihm mit seinem Chor, der den Löwenanteil an diesem Werk hat, 18 unterschiedliche Welten aufzutun – mal schnell, mal überraschend geruhsam. Steigerungen sind gewollt, um das Stimmgewebe zu verdichten und auf das Finale hinzuarbeiten: den sich vom Forte ins fragende Mezzoforte beugenden Schlussakkord im „Dona nobis pacem“. Fontaine zeigt – auch mit Ganzkörpereinsatz – welche Transparenz entstehen kann, wenn der Chor konsequent instrumental singt und artikuliert. Ganz im Sinne des Komponisten behandelt er die Singstimmen, die es mühelos an Virtuosität, Artikulation und Phrasierung mit den Streichern aufnehmen, als Instrumente. Unprätentiös kommen die Themeneinsätze. Nur wenige Male dominieren einzelne Tenöre und Soprane. Das 30-köpfige Orchester „Una volta“ ist ihnen mit seinen historischen Instrumenten ein zuverlässiger Partner. Seine filigrane Artikulation zeigt die gleiche klare, schlanke Handschrift. Mit ihrer einfühlsamen Begleitung sorgen sie für die Ausgewogenheit der Klangruppen. Virtuos gelingen die Solopassagen der beiden Oboen d‘amore und Traversflöten. Eindruck macht, wie sauber das Corno da caccia, das Naturhorn, und historische Trompeten ohne Ventile intonieren können. Kleine Patzer müssen dem nicht ganz lupenreinen Klangbild der mittelalterlichen Instrumente geschuldet werden, da Obertöne nicht zu modifizieren sind. Insbesondere für den Hornisten Benoît Gausse, der für die Bass-Arie „Quoniam tu solus sanctus“ eingesetzt wird, ein wahrer Höllenritt.

Die jungen Solisten singen ohne Opernmanierismen. Im harmonischen Miteinander gestalten Cécile Lohmuller, Sopranistin aus Straßburg, und die in Belgien gebürtige Mezzosopranistin Coline Dutilleul im „Christe eleison“ ein lyrisches erstes Duett. Der 22-jährige britische Tenor Aaron Godfrey-Mayes und sein Landsmann, Bassbariton James Geidt, setzen mit ihren kräftigen Solostimmen im Gloria und im Credo durch unangestrengte Koloratur auf das Primat der Klangrede. Zu einem Höhepunkt wird Lohmullers „Laudamus te“ im Gloria, in dem das Lob Gottes in der Virtuosität der konzertierenden Violine (Mechthild Blaume) und des expressiven Soprans Ausdruck findet. Auch hier begegnen sich Instrument und Stimme auf Augenhöhe. Nicht wirklich tragfähig sind alle Stimmen in tiefen Lagen. Versiert in der technischen Ausführung fehlt es ihnen dazu noch an der persönlichen Ansprache.

Nach anhaltendem Schlussapplaus erklingt noch einmal das Gloria, das mit festlichem Streicherklang in D-Dur und zupackenden Trompetensignalen beginnt. Zurückhaltend nehmen die Soprane die Huldigung Gottes auf, kanonisch gefolgt von den Bässen. Doch die sich daraus entwickelnde Fuge steigert sich zum Fortejubel, der in ganzer Besetzung mit dem „Cum Sancto Spiritu“ endet.

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