Gottes Segen gibt es auch im Autoscooter

Saarlouis · Der erste Gottesdienst in einem Kirmes-Fahrgeschäft begeistert Besucher auf dem Saarlouiser Ostermarkt. Fortsetzungen sind geplant.

 Die Premiere des Autoscooter-Gottesdienstes lockte viele Besucher an. Auch Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und das Musiker-Duo Herry Schmitt und Gabriele Gerstner kamen zum Gottesdienst mit Pfarrer Johannes Bräuchle (mit lilafarbenem Talar, rechtes Foto). Fotos: Rolf Ruppenthal

Die Premiere des Autoscooter-Gottesdienstes lockte viele Besucher an. Auch Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und das Musiker-Duo Herry Schmitt und Gabriele Gerstner kamen zum Gottesdienst mit Pfarrer Johannes Bräuchle (mit lilafarbenem Talar, rechtes Foto). Fotos: Rolf Ruppenthal

Noch sind die Stände und Fahrgeschäfte auf dem Saarlouiser Ostermarkt geschlossen am Sonntag um kurz vor zehn. Nur auf dem Autoscooter der Familie Roos herrscht Betrieb - und ein ungewohntes Bild: Wo normalerweise zu Kirmesmusik bunte Autos im Kreis fahren, sind Stühle und Bänke aufgereiht. Menschen sitzen dort oder stehen, plaudern, trinken Sekt. Um zehn Uhr schließlich nimmt Herry Schmitt am Keyboard Platz und Gabriele Gerstner singt "Oh Happy Day". Damit beginnt das, wofür alle gekommen sind: der erste Autoscooter-Gottesdienst des Saarlandes.

Dieser wird geleitet vom evangelischen Zirkus- und Schaustellerpfarrer Johannes Bräuchle. Über seine schwarze Kleidung trägt er eine Stola, auf der neben Kreuzen auch Symbole wie ein Riesenrad und ein Zirkuszelt abgebildet sind. Als er an den aus einem dekorierten Bierzelttisch improvisierten Altar tritt, sind noch einige Reihen leer. Doch während er den ökumenischen Gottesdienst eröffnet und anfängt, über seine Rolle als Schaustellerpfarrer zu sprechen, füllen sich die Plätze zusehends.

"Wir leben vom Applaus und wir brauchen den Applaus", betont er. Stillsein mögen die Schausteller nicht so sehr - und so ist das, was folgt, alles andere als ein stiller Gottesdienst. Das Leitwort: "Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen." Und genau das sei die Aufgabe der Schausteller: "Wir wollen den Menschen dienen, wir wollen Freude bringen."

Die Freude steht allen Gottesdienstbesuchern ins Gesicht geschrieben. Immer wieder gibt es zustimmendes Nicken, beifällige Einwürfe und - natürlich - Applaus. Bräuchle zitiert aus der Bibel, spricht Gebete, kommentiert das Gesagte und lädt zum Mitmachen ein. Die Besucher finden zwischen den Liedtexten ein weißes Blatt mit einem schwarzen Punkt in der Mitte. Er bittet die Menschen, sich Gedanken darüber zu machen, was sie auf dem Papier sehen. Die Botschaft: Nicht auf den schwarzen Punkt, also auf die negativen Dinge, solle man sich konzentrieren, sondern auf das weiße Papier, das für das Leben steht. "Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit mehr auf das weiße Papier und die Möglichkeiten", bittet er die Anwesenden.

Unter diesen befinden sich Schausteller, Bürger aus Saarlouis und Umgebung - und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). "Es hat mich gefreut, dass so viele Leute da waren", sagt sie, und dass immer wieder Leute stehen geblieben seien. Das Beispiel mit dem schwarzen Punkt will sie mit in die anstehenden Koalitionsverhandlungen nehmen - und sich dort mehr auf die Gemeinsamkeiten konzentrieren als auf das, was nicht klappt. "Alles war klasse", bewertet sie den Gottesdienst, und Marion Jost (CDU), Saarlouiser Bürgermeisterin, wirft ein: "Wenn Kirche immer so wäre!"

Diese positive Meinung teilen viele der Besucher. "Es war hervorragend", sagt Herbert Hesidenz aus Schwalbach, der zusammen mit seiner Frau Brigitte den Gottesdienst besucht hat. "So etwas habe ich noch nie erlebt", ergänzt sie und hofft auf eine Wiederholung. "Alle waren so fröhlich", schwärmt Manuela Becker aus Saarlouis, "ich habe mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt." Ein Gottesdienst in der Kirche sei immer deutlich strenger.

Dabei findet das Konzept des Autoscooter-Gottesdienstes auch den Zuspruch der Kirchen. Der evangelische Pfarrer Jörg Beckers war schon im Vorfeld sicher, "dass die Menschen das sehr positiv wahrnehmen". Deshalb hat er die Veranstaltung gerne unterstützt. "Unser Glaube lässt sich an vielen Orten leben und feiern", sagt auch der katholische Pfarrer Frank Kleinjohann, "wenn also Menschen einen Gottesdienst an einem außergewöhnlichen Ort wie einem Autoscooter feiern, ist das ein schönes Zeichen von Kirche in unserer Welt".

Und wenn es nach Manuela Roos, Autoscooter-Besitzerin und Organisatorin, geht, soll es nicht der letzte Gottesdienst dieser Art gewesen sein. Sie habe vor, weitere Gemeinden anzusprechen - und ebenso sei eine Wiederholung in Saarlouis geplant. Die Reaktion der Besucher spricht dafür, dass dies gern angenommen werden wird: Denn der Applaus, mit dem der Gottesdienst nach rund 45 Minuten und dem Abschlusslied "We Are The World" endet, übertönt kurz sogar die Glocken der benachbarten Kirche.

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