„Glauben wir an den Heiligen Geist?“

Saarlouis · Auch im Kreis Saarlouis: Der Abschied des Bistums Trier von der Volkskirche verlangt viel von den Katholiken.

Ab 2020, so sieht es der von der Trierer Bistumssynode angestoßene Reformprozess vor, soll der Kreis Saarlouis kirchlich aus nur drei "Pfarreien der Zukunft" bestehen. Saarlouis, Dillingen und Lebach werden die Pfarrsitze werden. Wenn es bei den Vorschlägen der so genannten "Teilprozessgruppe Raumgliederung" bleibt, gehen diese Pfarreien an zwei Stellen kräftig über die Kreisgrenzen hinaus.

Zur künftigen Pfarrei Lebach (49 000 Katholiken, 201 Quadratkilometer) gehört dann, östlich von Lebach, das halbe Dekanat Illingen im Kreis Neunkirchen. Und zur künftigen Pfarrei Dillingen (50 500 Katholiken, 200 Quadratkilometer) wird der Raum Beckingen und Haustadt bis Reimsbach und Oppen (Kreis Merzig-Wadern) gehören. Die künftige Pfarrei Saarlouis (76 700 Katholiken, 201 Quadratkilometer) liegt ganz im Kreis Saarlouis.

Für viele Katholiken ist der Name der Heimatpfarrei Identität. Diese Heimat werden sie verlieren. Dafür sind die Pfarreien einfach zu groß, räumt man auch in Trier ein. Das gehört zu den Schmerzen, von denen der Trierer Generalvikar Ulrich von Plettenberg spricht. Es geht aber nicht bloß um Identität mit dem eigenen Ort. Die Christen sollen sich überhaupt davon lösen, das Kirchengebäude, das Pfarrhaus als "den Ort schlechthin zu verstehen, an dem sich Christen treffen". Kirchliche Heimat werde weniger durch örtliche Grenzen definiert, durch Strukturen oder die Nähe zum Pfarrer, sondern durch gemeinsames Handeln in Gruppen und durch das vielfältige Ganze einer Pfarrei, sagen Johannes Eiswirth, Mitglied in der Teilprozessgruppe zur Raumgliederung des Bistums, und Edith Ries-Knoppik, Referentin im Synodenbüro.

Gemeint ist: Ein Christ sieht in seiner Umgebung, was zu tun ist. Er will es tun und sucht sich andere, die sich gemeinsam ans Werk machen. Das soll in Zukunft deutlich als Kirche erlebt werden. Die Seelsorger werden solche Initiativen begleiten. Eiswirth: "Wir werden weniger von Pfarrei sprechen, die im Prinzip eine Verwaltungseinheit ist. Wir sprechen mehr von Gemeinde." Und die sei, zitiert der Theologe die Bibel, "wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind". Eiswirth verweist auf das Motto der Synode des Bistums Trier: "Heraus gerufen" durch die Taufe. Die Bistumsleitung muss darauf vertrauen, dass viele einzelne Christen sich "heraus gerufen" fühlen und eigenverantwortlich handeln.

Dazu ist ein Blick zurück reizvoll: Vor zehn Jahren, 2007, setzte der damalige Trierer Bischof Reinhard Marx den "Strukturplan 2020" in Kraft. Damals wurden aus bistumsweit noch 389 Pfarreien die heutigen 173. Es war eine reine Strukturreform. Die eine Pfarrei kam zur anderen, die andere nahm die eine auf. "Das", sagt Eiswirth, "ist jetzt nicht so." Missmut über solche Vorgänge solle vermieden werden, indem alles aus einem Guss neu geschaffen wird. Bischof Ackermann wird 2020 alle Pfarreien mit ihrer oft über 1000-jährigen Geschichte auflösen und die Pfarreien komplett neu schaffen. Mit der Reform 2007 wurde zwar ein seelsorglicher Anspruch verbunden, aber es ging letztlich doch um Strukturen und Gottesdienstorganisation.

Auch das ist jetzt, 2017, tatsächlich anders.

Noch weiter zurück. Vor 30 Jahren, 1987, veröffentlichte der damalige Bischof Hermann-Josef Spital die Schrift "Basisgemeinschaften. Lebendige Zellen kirchlicher Erneuerung". Christen müssten, erläuterte er später, "als Freunde Gottes" zu leben versuchen und dabei ihre Gemeinschaft so bilden, dass sie einander helfen. Das erfordere auch, dass die Christen in ihren Gemeinden kleine Zellen in der Art von Basisgemeinschaften bilden, wie man sie vor allem aus Lateinamerika kannte. Wenn dazu "fruchtbare Formen" gefunden würden, und dazu gehört für Spital immer das Teilen der Bibel, dann eröffne sich für die Kirche eine Zukunftschance.

Spital machte sich damit nicht nur Freunde. Zu ungewohnt für viele Katholiken, dass sie einfach so eigenständig handeln sollten

Doch die Synode des Bistums hat in diese Spur gefunden. Insofern ist es folgerichtig, dass das Bistum Trier in seiner Veränderung besonders weit geht.

Die Synode nannte dies "Perspektivwechsel". Jetzt soll die Kirche nicht von oben nach unten denken, sondern von den Möglichkeiten, den Gaben und den Bedürfnissen jedes einzelnen Christen her. Sie sollen aus gemeinsamen Interessen zueinander finden und sich "zum Wohle vieler anderer einbringen", schreibt von Plettenberg. Auf Eigeninitiative werde gebaut, "auf menschliche Nähe ausgerichtete Basisgemeinschaften" seien im Blick. "Der Kontakt untereinander verstärkt sich, je weniger ich zum Pastor schaue. Dann kann ich mich verselbstständigen", davon ist Eiswirth überzeugt.

Solche Gruppen aus dem Alltag sollen sich netzwerkartig in den Großpfarreien bilden. Ries-Knoppik: "Es wird Christen geben, die Traditionen aus der Volkskirche, die sie selbst noch erlebt haben, weitertragen. Das ist wichtig. Es wird andere geben, die Sehnsucht nach Spiritualität haben, dies aber in anderen Formen leben wollen."

Wie das konkret aussieht, weiß niemand. Klar ist: Jede Pfarrei wird von einem hauptamtlichen Dreierteam geleitet. Wie es sich zusammensetzt, wird noch diskutiert. Aber nur noch 35 Priester und nicht wie jetzt 173 werden Pfarrer sein, also auch Verwaltungsaufgaben haben. Das werde das Berufsbild von Priestern verändern. Für alle kirchlichen Berufe bedeute die Reform Änderungen des Profils, sagen Ries-Knoppik und Eiswirth.

Die Kirche, sagen die beiden Theologen, werde ihr Gesicht verändern. Wer sich "heraus gerufen" wisse und eigenverantwortlich einbringe, handle, was mit einem alten Begriff "missionarisch" genannt werde. Und missionarisches Handeln sei "gemeinschaftsbildend".

Das Bistum steht vor einem großen Wandel. Eiswirth greift erneut in die eiserne Ration des Glaubens: "Glauben wir an den Heiligen Geist, dass er uns führt - oder nicht? Wir müssen uns leiten lassen, auch mit schmerzlichen Entwicklungserfahrungen, im Vertrauen, dass das gelingt." Und für alle Fälle gebe es ja pro neuer Pfarrei einen gemeinsamen Pfarrbrief. Da könne man auf jeden Fall immer sehen, was gerade wo ist.

Wer mitreden will: www.resonanz-bistum-trier.de

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