Gesicht zeigen seit zehn Jahren

Herr Mathes, zehn Jahre 1000 Augen. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum?Mathes: Ich freue mich, dass ich so viele Menschen gewinnen konnte, die mich begleiten - auch dauerhaft. Es ist mir wichtig, etwas zu bewegen: Aufklärung über HIV/Aids, mein Leben als schwuler Mann und Dinge, die aktuell auf mich einströmen wie Gewalt und Rechtsradikalismus

Herr Mathes, zehn Jahre 1000 Augen. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum?

Mathes: Ich freue mich, dass ich so viele Menschen gewinnen konnte, die mich begleiten - auch dauerhaft. Es ist mir wichtig, etwas zu bewegen: Aufklärung über HIV/Aids, mein Leben als schwuler Mann und Dinge, die aktuell auf mich einströmen wie Gewalt und Rechtsradikalismus. Durch meine Arbeit fühle ich mich nicht ausgeliefert und ich hoffe, auch anderen Mut zu machen. "Für Menschlichkeit und Lebensmut" ist zum Untertitel meiner Aktion geworden. Ohne meine Arbeit könnte ich auch mit meiner Situation schlechter umgehen.

Ist es mit der Kunst leichter?

Mathes: Es ist mit und ohne die Kunst schwer. Mit ihr deshalb, weil ich fast schon dazu genötigt werde, mich mit Dingen auseinanderzusetzen. Anders würde ich vielleicht einfach wegschauen. Das gehört in den Bereich "Gesicht zeigen".

Gesicht zeigen ist ein wiederkehrendes Motiv Ihrer Arbeit. Was hat es damit auf sich und wie hängt es mit den 1000 Augen zusammen?

Mathes: Während meines Studiums habe ich auf Einladung eines Geistlichen Fragen über Homosexualität beantwortet. Es war mir ein Bedürfnis, so wahrgenommen zu werden, wie ich bin und mich nicht mehr zu verstecken, wie in der Pubertät. So entwickelte sich das starke Motiv meiner Kunst - Gesicht zu zeigen. Durch die 1000 Augen gebe ich auch anderen die Möglichkeit, Gesicht für eine Sache zu zeigen. Mit der Aktion stelle ich etwas bereit, dass auch sie sich den Dingen nicht ausgeliefert fühlen.

Wie hat die Aktion 1000 Augen angefangen?

Mathes: Das war in einem einsamen Moment im Atelier. Als der Irakkrieg 2003 ausbrach, wollte ich ein Signal dagegen setzen. Da sind mir die 1000 Augen eingefallen. Die Zahl 1000 hat eine Magie, mit ihr lässt sich etwas über die Zeit hinweg transportieren. Die erste Aktion war eine Friedensaktion mit der Bundeswehr. Dafür habe ich viel Kritik bekommen. Aber solche Schranken möchte ich mir nicht auferlegen, deshalb arbeite ich in ganz verschiedenen Bereichen: Fußball, Demenz oder im Kanuclub. Die 1000 Augen sind ein Signal für Vielfalt und gegen Ausgrenzung.

Wie kam die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr zustande?

Mathes: 2003 habe ich ein Porträt von Brian Matthew Kennedy gemalt, dem Soldat, der als erster im Irakkrieg gefallen ist. Die Abzeichen habe ich weggelassen, weil es nicht um eine spezifische Geschichte ging, sondern um alle Soldaten, die im Krieg umgekommen sind oder umkommen werden. Parallel dazu bemalte ich einen Bundeswehrfallschirm mit Augen. Dadurch bin ich mit Militärpfarrer Christian König in Kontakt gekommen und habe einen Militärgottesdienst für Soldaten mitgestaltet.

Welche Rolle spielt die Kunst in ihrem Austausch mit den Soldaten?

Mathes: Kunst schafft ein Refugium, über das ich mit Menschen in Kontakt treten kann. Mit Zurückgebliebenen und Soldaten, die in den Krieg ziehen, mache ich Gruppenarbeiten und in jeder Gruppe stehe ich eine Weile zur Verfügung. Dabei kommen wir ins Gespräch, auch über schwierige Themen und das spiegelt sich in den Bildern wider. Ein Soldat hat gemalt, wie er mit dem Zug wegfährt und seine Verlobte zurückbleibt - mit all der Dramatik, die in der Situation steckt.

Ihre Bilder haben es in viele Länder der Welt geschafft. Wo sind die Augen überall zu sehen?

Mathes: Meine Bilder sind oder waren in den USA, Panama, Afghanistan, China, Japan, Frankreich, Türkei und Griechenland. In Ägypten habe ich ein ganzes Appartement mit meinen Augen bemalt. Dieses Jahr werde ich in Brasilien ein riesiges Auge auf eine Hausfassade in den Favelas malen, das von dort auf Rio de Janeiro herunterschaut.

Welche Projekte haben Sie als nächstes geplant?

Mathes: Aktuell bereite ich ein Buch vor, in dem alles zusammengefasst wird, was ich im Saarland gemacht habe. Das Buch ist ein Gemeinschaftsprojekt mit der Agentur Helle Bastion und wird auf 1000 Stück limitiert. Im März gibt es eine große Ausstellung in den Räumen von Inexio, in Zusammenarbeit mit Soroptimist International, wo ein wichtiger Überblick über meine Kunst zu sehen sein wird. Außerdem arbeite ich an der Aktion 1000 Augen - 1000 Tafeln, bei der Menschen Tafeln mit Augen bemalen. Ich selbst bemale die Rückseite der gesamten Tafeln. Diese werden dann hochgehalten und gleichzeitig gewendet - zuerst sieht man die kleinen Augen, dann das große auf der Rückseite. Sobald 300 Tafeln zusammen sind, werde ich die erste Aktion gestalten und ein Zeichen für den Frieden aus dem Saarland senden.

Einen Querschnitt seiner Kunstaktion präsentiert Mike Mathes ab Sonntag, 10. März, in der Firma Inexio, Am Saaraltarm 1 (ehemalige Landeszentralbank), in Saarlouis. Eröffnet wird die Ausstellung am Sonntag, 11 Uhr, mit einer Vernissage. Zu sehen bis 30. Mai.

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