Fühlen wollen, nicht lesen müssen

Saarlouis · Goldgepunzter Halbledereinband, der Rücken anschmiegsam weich, Oktavformat, kleiner als ein Vokabelheft. Drinnen frisch die Seiten, Erzählungen von Voltaire , gedruckt 1827, zwei Kupferstiche . Sowas hat die 15-Jährige noch nie gesehen, geschweige denn besessen. Kannst du mir doch nicht einfach so schenken! Doch. Das wäre mir mehr wert gewesen, aber das alte Büchlein hat halt nur zehn Euro gekostet. Beim Antiquar. Nie, sagen die Fachleute, war es so billig, sich eine gute Bibliothek zu kaufen wie heute. Buch für Buch suchen, alte Bücher, schöne Bücher, schön für den Geist, für die Augen, für die Hand.

Billig, sagen die Fachleute, weil die Schicht der Bildungsbürger verschwindet und es deswegen zu viele Bücher gibt, besonders alte. Aber dann: Gedränge auf Bücherflohmärkten. Bibliotheken wie in Saarlouis und Dillingen ziehen nicht weniger Menschen an als früher. Kinder der Lese- und Schreibwerkstatt in Nalbach, die mit Begeisterung Interviews führen, um herauszufinden, warum Leser Bücher mögen. Es sind noch viele, die sich die Sinne offen halten für Bücher. Und belohnt werden. Denn ein Buch ist mehr als der Text darin. Ein Buch soll man nicht lesen müssen - sondern fühlen wollen. Besonders gern im nebligen November.

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