„Erleben, wie sich das anfühlt“

Saarlouis · Auf welche Barrieren stößt man als Rollstuhl- oder Rollatorfahrer? Auch unsere Mitarbeiterin Lara Kühn hat den Selbstversuch gewagt, und ist am Samstag in der Saarlouiser Innenstadt schnell an ihre Grenzen gestoßen.

 Eine ausklappbare Rampe soll Rollstuhlfahrer Rolf Emmerichs den Bus-Einstieg erleichtern. Foto: lakü

Eine ausklappbare Rampe soll Rollstuhlfahrer Rolf Emmerichs den Bus-Einstieg erleichtern. Foto: lakü

Foto: lakü

Auf dem Kleinen Markt in Saarlouis parken vor einem Linienbus der Kreisverkehrsbetriebe Saarlouis (KVS) rund zehn Rollstühle und Rollatoren. Daneben befindet sich eine hölzerne Rampe, weiß-orangefarbene Hütchen weisen durch einen Slalom-Parcours. Die Plakate an den umliegenden Infoständen verraten: Heute findet hier der erste Saarlouiser Rollstuhl- und Rollatorfahrertag statt. Ins Leben gerufen von der Seniorenmoderatorin der Kreisstadt, Birgit Cramaro, setzt die Veranstaltung unter dem Motto "Barrierefrei unterwegs" auf Dialog und Selbsterfahrung.

"Jeder ist eingeladen, einmal für kurze Zeit zum Rollstuhlfahrer zu werden und zu erleben, wie sich das eigentlich anfühlt", erzählt mir Uwe Wagner vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) und lädt mich auch kurzerhand zu einer Testfahrt ein. Als Gefährt bekomme ich einen sogenannten "Aktivrollstuhl" zugewiesen. "Das generelle Modell für junge Leute wie Sie", erklärt Christian Both vom Dillinger Sanitätshaus Stein&Bayer. Der soll wendiger und vor allem schneller und leichter sein. Ich allerdings fühle mich wie bei meiner ersten Fahrstunde und denke nur: "Bis zu dem Bus da schaffst du es nie."

Quer durchs Getümmel mache ich mich auf in Richtung Haltestelle. Auf dem Weg dorthin spüre ich deutlich, wie mich Passanten neugierig anstarren, und frage mich, ob das die gelungene Inklusion sein soll, von der immer alle reden. Endlich am Bus angekommen schaffe ich es nicht ohne fremde Hilfe über die ausklappbare Rampe in den Innenraum, die Kraft in den Armen reicht einfach nicht aus. "Ich sage Rollstuhlfahrern immer, sie sollen andere Fahrgäste direkt ansprechen und um Hilfe bitten", berichtet mir Werner Müller von der KVS.

Später treffe ich Dunja Fuhrmann am Stand der BSK. Beim Thema Barrierefreiheit sieht sie nicht die Betroffenen, sondern viel mehr Busfahrer und Verkehrsbetriebe in der Pflicht. 17 Jahre sitzt sie jetzt im Rollstuhl. Damals übertrug ein Zeckenbiss Borreliose-Bakterien und seitdem ist die 35-Jährige von der Hüfte an abwärts gelähmt. Gepasst hat das so gar nicht in das Leben der damaligen Gymnasiastin: in ein Elternhaus mit zu vielen Stufen, in Bars und Discos ohne Behinderten-WC und auch nicht in so manche Freundschaft.

Heute kommt die Behindertenbeauftragte des Regionalverbandes Saarbrücken prima im Alltag zurecht, fährt Auto, treibt Sport und führt eine Beziehung. Von der Gesellschaft wünscht sie sich weniger Berührungsängste gegenüber Behinderten. Ein barrierefreies Umfeld, erzählt sie, sei nicht nur wichtig für Gehbehinderte. "Das gilt auch für blinde und gehörlose Menschen."

Winfried Kiefer vom VdK-Kreisverband weist anhand von Fotos auf Barrieren in der Stadt Saarlouis hin. Zum Beispiel hätte fast keine der öffentlichen Treppen weiße Markierungen für Sehbehinderte . "Es gibt also noch jede Menge zu tun", betont er.

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