„Entscheidung ist überfällig“

Saarlouis · Wie gehen die Städte des Partnernetzes von Saarlouis mit der Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum um? Darum drehen sich die Partnerschaftsgespräche am Montag und am Dienstag in Saarlouis. Vertreten sind Saint-Nazaire, Eisenhüttenstadt und Avilés in Spanien. Für Saarlouis sieht der Geschäftsführer der Gemeinnützigen Bau und Siedlungsgesellschaft (GBS), Knut Kempeni, Bedarf an Sozialwohnungen. Er fordert im Gespräch mit SZ-Redakteur Johannes Werres ein staatliches Zuschussprogramm.

 Knut Kempeni, Chef der städtischen GBS.

Knut Kempeni, Chef der städtischen GBS.

Foto: ThomaS SEEBER

Herr Kempeni, was genau sozialer Wohnungsbau ist, wissen viele nicht mehr. Können sie ihn definieren?

Kempeni: Es handelt sich um Wohnraum mit einfacher Ausstattung, den der Staat, hier das Land, mit zinsvergünstigten Darlehen oder Zuschüssen fördert. Mit der Förderung sind eine Miethöhe und Belegungsbindung verbunden. Zum Beispiel darf in einer Dreizimmerwohnung keine Einzelperson wohnen. Die Miete bei Sozialwohnungen liegt deutlich unter der marktüblichen Miete, diese können sich auch finanzschwächere Menschen leisten. Die staatlichen Zuwendungen an den Betroffenen fallen dann geringer aus. Die Bindungsfrist endet - je nach Förderungsart - nach 15 bis 30 Jahren.

Die GBS hat etwa 1000 Wohnungen. Wie viele davon unterliegen der Bindung des sozialen Wohnungsbaus?

Kempeni: Zwölf. Und die Bindung dieser Sozialwohnungen läuft nächstes Jahr ab.

Das heißt, die GBS hat vor 15 bis 20 Jahren die letzten Sozialwohnungen gebaut?

Kempeni: Richtig. Die GBS hat sich allerdings dazu verpflichtet, keine Renditeoptimierung zu betreiben, sondern weiterhin bezahlbaren Wohnraum vorzuhalten. Unsere Wohnungen beginnen derzeit bei einer Grundmiete von 3,70 Euro , der Durchschnitt ist 5,30 Euro . In dem Schnittpreis sind auch alle energetisch modernisierten Wohnungen eingerechnet. In den letzten 15 Jahren haben wir knapp 18 Millionen Euro in diese Modernisierung investiert.

Warum wurden keine Sozialwohnungen mehr gebaut?

Kempeni: Wir hatten, auch unter Berücksichtigung der aufgezeigten demografischen Entwicklung, knapp ausreichend Wohnraum. Zum einen. Zum anderen wurde das Zuschussförderungsprogramm zur Schaffung von Sozialwohnungen eingestellt. Die jetzigen Förderbedingungen lassen eine wirtschaftliche Umsetzung nicht zu. Vor allem, wegen der in den letzten Jahren vorgenommenen umfangreichen energetischen Modernisierungen. Aktuell modernisieren wir die Wohnanlage im Husarenweg mit einem Aufwand von 2,5 Millionen Euro . Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Möglichkeiten wäre hier eine Mietanpassung von rund sechs Euro pro Quadratmeter möglich. Um eine weiterhin bezahlbare Miete zu gewähren, erhöhen wir die Miete allerdings nur um rund 1,15 Euro . Die neue Miete liegt dann bei einem neuwertigen Wohngebäude um die 6,40 Euro pro Quadratmeter. Diese Modernisierungen müssen wir kompensieren, somit bleiben keine liquiden Mittel übrig, um in den sozialen Wohnungsbau zu investieren.

Wie sind die Förderbedingungen jetzt?

Kempeni: Wenn wir von 2500 Euro pro Quadratmeter Herstellungskosten für einen nachhaltig erstellten Neubau ausgehen, brauchen wir einen Zuschuss von etwa 600 Euro , wenn wir eine vorgegebene Miete von 4,60 Euro verlangen dürfen: gegenüber neun Euro , mit denen dies andernfalls wirtschaftlich dargestellt werden müsste. Zurzeit gibt es aber keine Zuschüsse. Die Landesregierung gewährt nur Darlehen bis zu 30 Prozent der Baukosten, maximal 500 Euro pro Quadratmeter. Die Konditionen sind mit 1,9 Prozent auf 30 Jahre aber schlechter als derzeit auf dem Kapitalmarkt. Das Programm müsste dringend auf eine Zuschussförderung umgestellt werden.

Ist denn Geld da?

Kempeni:Der Bund gibt in diesem Jahr den Bundesländern insgesamt eine Milliarde Euro und im nächsten Jahr 1,5 Milliarden Euro zur Förderung öffentlich geförderten Wohnungsbaus. In diesem Jahr müsste demnach das Saarland 6,5 Millionen Euro erhalten und im nächsten entsprechend mehr. Anträge zum Bau von Sozialwohnungen werden wir erst stellen, wenn die Förderbedingungen angepasst werden. Allerdings sehe ich im Moment keine Signale, dass das Finanzministerium das Fördersystem umstellt. Das bedeutet, dass dieses Geld vermutlich nicht abgerufen wird. Abgesehen von der Finanzierung belastet uns bei Sozialwohnungen auch der höhere Verwaltungs-, Betreuungs- und Instandhaltungsaufwand, dafür sind wir aber auch da.

Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in Saarlouis ergab sich auch aus der Zahl der Flüchtlinge. Gab es Konkurrenz mit anderen Interessenten?

Kempeni: In der Spitzenzeit zwischen September 2015 und Januar 2016 haben Flüchtlinge die Warteliste stark beeinflusst. Wenn Flüchtlinge von der Stadt nicht anderweitig untergebracht werden konnten, haben wir Wohnungen aus unserem Bestand zur Verfügung gestellt. Damit verlängerte sich automatisch die Wartezeit für die bei uns vorgemerkten Wohnungssuchenden. Problematisch war das bei denjenigen, denen unmittelbar eine Obdachlosigkeit drohte, hier mussten Notlösungen für einen Zeitraum von ein bis zwei Monaten gefunden werden.

Gibt es bei der GBS heute eine Warteliste?

Kempeni: Wir haben derzeit um die 430 Mietinteressenten vorgemerkt, 430 Haushalte mit unterschiedlich vielen Personen, die bezahlbaren Wohnraum suchen. Neubauten kosten zwischen acht und zehn Euro Grundmiete pro Quadratmeter. Das ist für Haushalte mit wenig Einkommen zu viel. Wir brauchen, auch für die zum Abriss vorgesehenen Wohnungen in der Oberbruchstraße und Goethestraße, dringend 30 bis 40 neue Sozialwohnungen. Vorgeplant haben wir schon, wir müssten jetzt eigentlich mit dem Bau beginnen. Hinzu kommt der tendenziell wachsende Bedarf durch die größere Zahl älterer Menschen mit kleinen Renten, aber auch für Berufseinsteiger und junge Familien. Die Schaffung von geeignetem Wohnraum braucht Vorlaufzeit, deshalb sind Entscheidungen zur Förderung, gerade unter dem Gesichtspunkt der vom Bund bereitgestellten Gelder, überfällig.

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