Erfahrungsbericht Ein klares Nein kann viel bewirken

Saarlouis · Polizeibeamter und Kampfsportler aus Überherrn bietet Selbstverteidigungskurse für Frauen und Mädchen.

 Die Colaflasche als Waffe – richtig eingesetzt überrascht sie den Täter. Das zeigen Michael Paul, Trainingspartnerin Sophie und Kathrin Herbst.

Die Colaflasche als Waffe – richtig eingesetzt überrascht sie den Täter. Das zeigen Michael Paul, Trainingspartnerin Sophie und Kathrin Herbst.

Foto: Merkel Carolin/Carolin Merkel

Michael Paul kommt aus Überherrn und ist Polizeibeamter. Seine Freizeit gehört seit vielen Jahren dem Kampfsport, neben den eigenen Leistungsnachweisen sorgt er auch mit seinen Trainerlizenzen für den Nachwuchs im Ju-Jutsu. Zudem hat er die Trainer B-Lizenz im Bereich der Gewaltprävention. Carolin Merkel sprach am Rande der Matte mit ihm über mögliche Gefahren, das richtige Verhalten und die Vorteile des Besuchs eines Selbstverteidigungskurses für Mädchen und Frauen.

Herr Paul, welche Erfahrungen haben Sie aus beruflicher Sicht gemacht? Ist das Gewaltpotential gegenüber Mädchen und Frauen angestiegen?

Paul: Zuerst einmal müssen wir feststellen, dass sich das Aggressionspotential insgesamt stark verändert hat. Doch einfach Ängste zu schüren, wäre der falsche Ansatz. Am Ende würden sich dann vielleicht viele gar nicht mehr trauen, wegzugehen. Doch das würde die Lebensweise viel zu sehr einschränken. Noch immer passieren die meisten Gewalttaten gegenüber Mädchen und Frauen im direkten Umfeld, die Täter kommen aus Familien- und Freundeskreis. Der Fremde, der aus dem Dunkeln ohne Vorwarnung angreift, ist auch heute eher selten. Dennoch, eine gewisse Aufmerksamkeit ist wichtig. Wenn man dazu noch weiß, wie man sich im Notfall verhält, ist es umso besser.

Was raten Sie, wenn Mädchen/Frauen in eine solche bedrohliche Situation kommen?

Paul: Wenn es irgendwie möglich ist, sollte man die Flucht zuerst in Erwägung ziehen. Besser ein gesunder Feigling als ein toter Held. Die Module, die wir in unseren Kursen anbieten, zeigen in fünf Schritten auf, was man im Fall der Fälle tun kann. Viel Zeit investieren wir in den Kursen damit, die Teilnehmerinnen stark und selbstbewusst zu machen. Eine deutliche Körpersprache und ein klares Nein können hier schon viel bewirken. Sollte es dann doch zu einem Übergriff kommen, dann setzen die dort erlernten Automatismen, wie der Tritt gegen das Schienbein oder die schallende Ohrfeige ein. Diese körperliche Gegenwehr, die viele sich erst einmal nicht zutrauen, wird in den Kursen immer wieder trainiert. Dabei ist es uns wichtig, dass sich jeder ausprobieren darf, Techniken, die man nicht anwendet, bringen nichts. Auch ein lautes Schreien kann die Menschen in der Umgebung aufmerksam machen. Als Polizist rate ich aus Erfahrung dazu, nicht um Hilfe zu rufen. Da haben viele Menschen Angst, genau hinzuschauen und vielleicht später als Zeuge befragt zu werden. Besser ist es etwa „Feuer“ zu rufen, da schauen die Leute aus Sorge, aber auch aus Neugier viel eher aus dem Fenster.

Für wen eignet sich ein solcher Kurs, wie Sie ihn zusammen mit Kathrin Herbst in Saarlouis anbieten?

Paul: Die Kurse eignen sich für Mädchen ab 14 Jahren, nach oben gibt es keine Grenzen. Wir halten die Gruppen immer klein, so dass wir auch individuell Zeit für die Teilnehmerinnen haben und alle genügend üben können. Da wir auch konkret auf sexuelle Übergriffe eingehen, sollten die Mädchen nicht jünger sein. Hier gibt es aber spezielle Kurse für Kinder. Ich würde jedem Mädchen und auch jeder Frau raten, einen solchen Kurs zu besuchen. Das ist schon deshalb wichtig, weil sie sich dann mit der Situation aktiv auseinandersetzen. Jeder Mensch wird durch einen Angriff in Hochstress versetzt. Nur, was man automatisiert hat, kann man dann auch abrufen.

 Kathrin Herbst erklärt mit Michael Paul den sicheren Abstand einer „Armlänge“ zum Angreifer.

Kathrin Herbst erklärt mit Michael Paul den sicheren Abstand einer „Armlänge“ zum Angreifer.

Foto: Merkel Carolin/Carolin Merkel

Was ist Ihre wichtigste Botschaft an Eltern, die sich Sorgen machen?

Paul: Wie bereits erwähnt, die Häufigkeit eines Angriffs durch einen Fremden muss man realistisch sehen. Man sollte die Kinder frühzeitig aufklären, sie stark machen, Mädchen und Jungen gleichermaßen. Auf den Heimweg sollten sich die Jugendlichen wenn möglich nicht allein machen. Eine ständige Erreichbarkeit mit dem Handy von den Eltern ist in dieser Zeit zu empfehlen. Sie können im Notfall eventuell auch durch ein gemeinsam vereinbartes Codewort informiert werden. Bei der Wahl des Heimwegs immer den sicheren, beleuchteten Weg statt der Abkürzung ohne Straßenbeleuchtung und Wohnbebauung wählen. Und natürlich freuen wir uns, wenn Mütter mit ihren Töchtern den Kurs gemeinsam besuchen, profitieren werden mit Sicherheit beide davon.

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