Die Hand nicht mehr loslassen

Saarlouis · Seit einem Jahr betreut das Projekt „Startbahn 25“ in Saarlouis junge Arbeitslose. Über 300 Jugendliche ohne Job, aber mit zum Teil großen Problemen wurden seitdem vermittelt. Eine Erfolgsgeschichte, die nun vorerst fortgesetzt wird.

 Ministerin Anke Rehlinger und Landrat Patrik Lauer (2. v. r.) besuchten die Metallwerkstatt im Projekt „Startbahn 25“, in der Sven Schweizer (M.) und Matthias Schäfer (r.) arbeiten. Foto: Landkreis/S. Hans

Ministerin Anke Rehlinger und Landrat Patrik Lauer (2. v. r.) besuchten die Metallwerkstatt im Projekt „Startbahn 25“, in der Sven Schweizer (M.) und Matthias Schäfer (r.) arbeiten. Foto: Landkreis/S. Hans

Foto: Landkreis/S. Hans

Sie hängen rum. Haben keinen Job. Und keine Aussicht darauf. Oft noch nicht einmal einen festen Tagesablauf. Sie haben ihre Ausbildung abgebrochen oder schon die Schule, auf Jobcenter und Maßnahmen haben sie keinen Bock mehr. Bringt ja sowieso nichts außer Absagen.

388 junge Arbeitslose aus dem Kreis Saarlouis hat das Arbeitsmarktprojekt "Startbahn 25" seit September 2013 betreut. Viele von ihnen sind in der Schule oder im Berufsleben schon gescheitert, haben schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Nicht wenige sind zunächst nicht in der Lage, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen, haben persönliche oder psychische Probleme. Und dennoch: Über 300 von ihnen hat das Projekt schon vermittelt - ein großer Erfolg.

Die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger hat gestern "Startbahn 25" in Saarlouis besucht. Die Einrichtung in der Karl-Ludwig-Balzer-Allee 15 (früher Pavillonstraße) wird gemeinsam vom Jobcenter des Landkreises, dem Diakonischen Werk an der Saar (DWSAAR) und der Katholischen Erwachsenenbildung Dillingen (KEB) getragen. Arbeitslose unter 25 Jahren werden ganzheitlich betreut mit dem Ziel, sie in eine Ausbildung oder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Weil die Jugendarbeitslosigkeit im Kreis immer weiter stieg, entschloss man sich zu einem ganz neuen Ansatz, erläuterte Landrat Patrik Lauer : "Wir nehmen die jungen Menschen an der Hand - und lassen sie nicht mehr los." Die Jugendlichen bekommen jede erdenkliche Hilfe, ob im sozialen, schulischen oder persönlichen Bereich. Mit dieser intensiven Betreuung ist das Projekt bisher im Saarland einzigartig.

Deutlich weniger Arbeitslose

Und der Erfolg gibt den Kooperationspartnern Recht: "Mit der Einrichtung von Startbahn 25 ist es uns gelungen, die Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen unter 25 Jahren von 4,8 Prozent auf 1,7 Prozent zu senken", berichtete der Landrat stolz. Die Zahl der jungen Arbeitslosen im Landkreis ist in nur einem Jahr drastisch gesunken und liegt nun deutlich unter dem Landesschnitt.

Die "Startbahn 25" soll nun um ein Jahr verlängert werden. Rund zwei Millionen Euro kostet das. "Aber wir sind überzeugt, dass wir ganz früh ansetzen müssen, um Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern", betonte Lauer. Finanziert wird die Einrichtung vom Jobcenter und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. "Wir müssen dann nach dem Jahr sehen, wie es weitergeht", meinte die Ministerin. "Wenn ein Modellprojekt so erfolgreich ist, sollten wir zusehen, dass wir es auch in die Fläche bringen."

Einen Tagesablauf schaffen

Das Startbahn-Konzept erklärten die Projektleiter Stefan Ziegler und Astrid Klein-Nalbach: Insgesamt stehen 180 Plätze zur Verfügung. Die eine Hälfte für Beratungskunden: "Bei diesen ist schon klar, wo es hingehen soll", erklärte Ziegler. Sie erhalten intensive Beratung und Hilfe bei der Bewerbung oder bei persönlichen Problemen. Die andere, schwierige Hälfte sind die Präsenzkunden: Bei diesen muss zunächst eine Tagesstruktur geschaffen werden, etwa in einem berufsvorbereitenden Training. Dazu gibt es Werkstätten in den Bereichen Holz, Metall, Farbe und Hauswirtschaft sowie Förderkurse, in denen schulische Lücken geschlossen werden.

Am Anfang steht immer eine Analyse: Wo liegen die Stärken, Schwächen und Interessen der jungen Menschen? Dann erarbeitet ein persönlicher Coach mit dem Jugendlichen einen Plan. Soziales Lerne spielt eine große Rolle, es gibt Sportgruppen, Austauschgruppen für Alleinerziehende und jeden Tag eine gesunde Mahlzeit. "Ein großer Teil der Jugendlichen hat psychische Beeinträchtigungen", erklärte Klein-Nalbach. "Wir haben auch viele Jugendliche, die einfach nicht mehr kommen, trotz Ermahnungen und sogar Sanktionen wie Leistungskürzungen." Für diese gibt es den aufsuchenden Dienst: Sozialpädagogen besuchen die Jugendlichen immer wieder zu Hause und motivieren sie, noch einmal einen Anlauf zu nehmen. Mit sehr gutem Erfolg: 90 Prozent der Jugendlichen kommen wieder, erzählte Klein-Nalbach. Sogar einen Fahrdienst gibt es. "Wir versuchen, hier alles unter einem Dach zu halten und möglichst flexibel zu gestalten", fasste sie zusammen.

Der Erfolg von "Startbahn 25" ist überwältigend. Und er beweist: Intensive Betreuung ist das Erfolgsrezept. Es kann gelingen, Jugendliche davon zu überzeugen, dass sie eine Chance haben, dass Arbeit auch eine Lebensaufgabe ist. Denen, die gescheitert sind, Selbstvertrauen zu geben. Und Betriebe davon zu überzeugen, auch Menschen mit Problemen lernen zu lassen.

Ein Jahr wurde die Startbahn noch verlängert. Aber was ist dann? Ein Blick zum benachbarten Sozialkaufhaus zeigt: Auch Erfolg ist kein Hindernis, ein Projekt sterben zu lassen. Frustrierend.

Zum Thema:

Auf einen BlickDie Bürgerarbeit im Saarlouiser Sozialkaufhaus steht vor dem Aus. Wie Landrat Lauer und Ministerin Anke Rehlinger gestern auf Anfrage des Saarlouiser OB Roland Henz bestätigten, gibt es keine konkreten Pläne, die Bürgerarbeit weiterzuführen. "Das Bundesarbeitsministerium ist nicht bereit, dafür Geld auszugeben", bedauerte Lauer. Es gebe wenig Hoffnung auf eine kurzfristige Lösung für die Jobs, die zum 31. Dezember auslaufen. Ministerin Rehlinger bestätigte: "Es gibt zwar einen Grundkonsens, aber es ist wenig Flexibilität zu sehen." Auch ihr Vorschlag, das Saarland als Modellregion für Bürgerarbeit weiterzuführen, werde in Berlin "sehr zäh" diskutiert. nic

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