Die Gemeinden brauchen weiter Wohnraum

Kreis Saarlouis · Für die steigende Zahl der Flüchtlinge im Kreis Saarlouis müssen die Gemeindeverwaltungen Wohnungen finden. Schwierig, doch aktuell gilt in den meisten Orten: Noch ist genug Platz und die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung hält an.

 In der Landesaufnahmestelle Lebach müssen schon Flüchtlinge in Zelten leben. Allmählich werden sie auf die Kommunen verteilt. Foto: BUB

In der Landesaufnahmestelle Lebach müssen schon Flüchtlinge in Zelten leben. Allmählich werden sie auf die Kommunen verteilt. Foto: BUB

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1283 Flüchtlinge sind den Städten und Gemeinden im Kreis Saarlouis zurzeit zugewiesen (Stand: 5. August). Diese Zahl ändert sich ständig, und wie sie sich weiter entwickelt, weiß niemand genau - denn es herrscht eine hohe Fluktuation. Regelmäßig kommen weitere Personen, andere verlassen die Gemeinden bereits nach kurzer Zeit wieder. Doch aktuell sind sich die Verwaltungen einig: Die Lage ist - vor allem personell - herausfordernd, aber im Griff.

"Ich bin erstaunt darüber, wie groß die Bereitschaft im Ort ist, Flüchtlingen Wohnungen zur Verfügung zu stellen", sagt Hartwin Faust , Bürgermeister der Gemeinde Ensdorf; dort sind aktuell 45 Menschen untergebracht, alle in Privatwohnungen. Und Faust ist "guter Hoffnung", dass sich dies in Zukunft nicht ändere.

Über tatkräftige Hilfe aus der Bevölkerung freut sich auch die Gemeinde Saarwellingen. Bürgermeister Michael Philippi zeigt sich optimistisch: Nach den Prognosen stehe bis Jahresende genügend Wohnraum zur Verfügung. Über 100 Menschen seien schon in angemieteten Wohnungen untergebracht.

Überwiegend privater Wohnraum bietet Menschen auch in Schmelz Zuflucht. "Es ist immer eng, aber wir hoffen, dass es reichen wird", meint Hannah Braun von der Gemeinde. Die Situation sei noch "händelbar".

"Hart an der Grenze" ist man dagegen in Saarlouis , sagt Dominik Lohr von der Stadtverwaltung. Puffer gebe es keine, aber "wir sind in ständigen Besprechungen", meint er, und "die Leute zeigen Interesse, zu vermieten".

Auch in Dillingen zeigt sich Bereitschaft, privaten Wohnraum zu vermieten. Die Stadtverwaltung helfe bei Vertragsformalitäten und Kontakten, sagt Sprecherin Heike Theobald. Aktuell leben 84 Menschen in der Stadt, freien städtischen Wohnraum gebe es noch. "Eine Prognose, die über den Zeitraum von einer Woche hinausgeht, lässt sich schwer stellen", meint Theobald.

Genauso sieht es Christiane Schneider von der Gemeinde Rehlingen-Siersburg. "Wir können nur für den laufenden Monat sprechen", sagt sie - doch momentan sei die Situation mit 95 anwesenden Flüchtlingen unproblematisch. Man könne noch auf Gebäude zurückgreifen.

"Aktuell haben wir das gut im Griff", meint Birgit Laschet von der Gemeinde Bous. "Aber wir brauchen für die Zukunft Wohnraum, wir sind bemüht und sprechen die Leute direkt an". Ausweichen auf Turnhallen ist für sie die allerletzte Lösung - und noch kein Thema: "Wir gehen davon aus, dass wir das vermeiden können."

Von dieser Möglichkeit hält auch Petra Zok von der Gemeinde Nalbach nicht viel: "Die Leute können sich da nicht richtig integrieren." In Nalbach werde es langsam eng, sagt sie: Aktuell verteilen sich 60 Flüchtlinge auf ein paar gemeindeeigene Häuser sowie angemietete und private Wohnungen .

Sicherheit für Vermieter

Private Wohnungen , teilweise ganze Häuser, stehen in Überherrn zur Verfügung. "Entspannt ist was anderes", beschreibt Erwin Caspar die Situation, freut sich aber über die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. "Ende 1993 haben wir mit einer Familie angefangen", erinnert er sich, "da wurde uns ein dreiviertel Jahr lang keine Wohnung angeboten". Aktuell laufe es aber sehr gut, obwohl der Wohnungsmarkt angespannt sei. "Die Gemeinde bietet Mietsicherheit", betont er den Vorteil für die Vermieter.

Nicht unbedingt die Anzahl der Flüchtlinge , sondern die Geschwindigkeit des Zustroms sieht Holger Tabellion von der Gemeinde Wadgassen als Problem. Es sei zeitaufwändig, Anzeigen zu schalten, Wohnungen zu renovieren und einzurichten. "Es ist schon ziemlich eng", meint er, bleibt aber optimistisch: "Bisher haben wir es geschafft."

Mit 79 Personen, die sich aktuell in Schwalbach aufhalten, sei es dort ebenfalls knapp, teilt Bürgermeister Hans-Joachim Neumeyer mit. Aber der Gemeinde wurden erhebliche Zuschussmittel zugesagt. Es würden zwei gemeindeeigene Gebäude hergerichtet - die ersten Bewohner können dort aber erst voraussichtlich Ende Oktober einziehen.

Ebenso wird in Wallerfangen gerade Platz geschaffen: Das Jugenddorf Blauloch soll bald Platz für zirka 40 Menschen bieten, sagt Gernot Britzen von der Gemeinde. Die Menschen, die schon da sind, wohnen in angemieteten Wohnungen und "ein großer Schwung" im ehemaligen Hotel Maus. "Dort ist auch die Sprachschule."

Als einzige Kommune im Kreis Saarlouis bekommt Lebach aufgrund der Landesaufnahmestelle keine zusätzlichen Flüchtlinge zugeteilt. 22 gebe es trotzdem, sagt der kommissarische Hauptamtsleiter Roman Werth, aber "das sind Flüchtlinge , die schon Familien haben". Dennoch stellt der Zustrom die Stadt vor gewisse Herausforderungen: Denn in der Landesaufnahmestelle, die Platz für 1300 Menschen bietet, leben zurzeit 1645.

Meinung:

Wie stark sind wir wirklich?

Von SZ-RedakteurJohannes Werres

Der Blick auf die Flüchtlinge bei uns ist auch ein Blick in den Spiegel unserer deutschen Gesellschaft: Wollen wir zu schwach sein zur Integration von Menschen, die sich bei uns in Sicherheit bringen? Die wohlhabende Gesellschaft zu satt, um auch mal Mühe und Aufwand für andere Menschen in Kauf zu nehmen? Zu sehr mit sich beschäftigt, um auch mal eine belastende Veränderung als Teil des Lebens anzunehmen? Und da ist der Staat, der sich nahe der Ohnmacht zeigt und so das lebensnotwendige Vertrauen in ihn untergräbt.

Wer ist nun der Gradmesser unserer Gesellschaft: Die vielen Engagierten, die in allen unseren Kommunen das Menschenmögliche tun? Oder die vielen, die ihre eigene, unsere, Gesellschaft aufgegeben haben, und aus deren Ohnmachtsgefühl laute oder stille Menschenverachtung wird?

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