Diagnose war nahezu ein Todesurteil

Birkenfeld/Kreis Saarlouis · 20. Januar – das ist der Geburtstag der Stefan-Morsch-Stiftung in Birkenfeld. 30 Jahre ist sie jetzt geworden. Offiziell gefeiert wird das mit einer Gala am 17. September und mit einer öffentlichen Veranstaltung im Juni.

 Stefan Morsch war der erste Europäer, der die Knochenmarkspende eines Fremden erhielt. Foto: Herbert Piel

Stefan Morsch war der erste Europäer, der die Knochenmarkspende eines Fremden erhielt. Foto: Herbert Piel

Foto: Herbert Piel

Stefan Morsch aus Birkenfeld war der erste Europäer, dem das Knochenmark eines fremden Spenders übertragen wurde. Die Nachricht von der gelungenen Transplantation des leukämiekranken 16-Jährigen ging damals durch die Weltpresse. Denn bis dahin galt die Übertragung von Stammzellen eines fremden Spenders noch als chancenlose Therapie. Zwar gelang die Operation, Stefan Morsch starb aber im gleichen Jahr an einer Lungenentzündung.

Mithilfe der damals gesammelten Spendengelder wurde am 20. Januar 1986 die Stefan-Morsch-Stiftung gegründet, die erste deutsche Stammzellspenderdatei. In den 30 Jahren seit Bestehen der Datei hat sich vieles gewandelt: Die Stammzellentnahme ist heute ein Routineverfahren, die Transplantation eine etablierte Methode, um weltweit Menschen mit Leukämie- und Tumorerkrankungen eine Chance zu geben. Die älteste deutsche Stammzellspenderdatei will diesen internationalen Erfolg der Stammzelltransplantation am Word Marrow Donor Day (WMDD) am Samstag, 17. September, feiern.

Unter dem Leitmotiv "Hoffen - Helfen - Heilen" bietet die Stiftung seit 1986 Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel ist es, mehr Menschen für die Stammzellenspender-Kartei zu gewinnen. Daher sind täglich mehrere Teams in ganz Deutschland unterwegs, um bei Typisierungsaktionen über das Thema zu informieren. Darüber hinaus ging es den Gründern der Organisation, Hiltrud und Emil Morsch, den Eltern von Stefan, stets darum, schnelle und unkomplizierte Hilfe für Patienten und ihre Angehörigen zu leisten.

Einzige Hoffnung: OP in USA

Wenn Ende der 1970er-Jahre Kinder an Leukämie erkrankten, dann war das, statistisch gesehen, für mehr als die Hälfte das Todesurteil. Damals gab es noch keine Spenderdateien. Es gab keine Krankenkasse, die die Kosten der Transplantation übernehmen wollte, weil sie nicht als etablierte Heilmethode galt. Es gab keine digitale Vernetzung und keine wohnortnahen Transplantationszentren . Es gab für viele Eltern leukämiekranker Kinder nur den ärztlichen Rat: "Nehmen Sie Ihr Kind mit nach Hause. Es wird sterben." Das hatten Hiltrud und Emil Morsch nicht hinnehmen wollen. Damals wurde nur Knochenmark transplantiert, wenn es innerhalb der Familie des Patienten einen passenden Stammzellspender gab.

Doch für Stefan gab es keinen Familienspender - wie in zwei Dritteln aller Fälle. Im Juli 1983 entdeckte Emil Morsch in einer Zeitschrift zufällig einen Artikel, der über die neue Möglichkeit einer Fremdspende berichtete - damals war das nur in den USA möglich. So kam es, dass Stefan 1984 als erster Europäer in Seattle von Edward Donnall Thomas transplantiert wurde. Dieser bekam 1990 den Medizinnobelpreis verliehen und hielt auch später noch Kontakt mit Stefans Eltern .

International sorgte Stefans Transplantation 1984 für großes Aufsehen in den Medien. Die Finanzierung war nur möglich geworden, weil viele Menschen die Eltern mit großen und kleinen Geldspenden unterstützt hatten. Nach Stefans Tod wollten Hiltrud und Emil Morsch alles daransetzen, um Leukämiepatienten und ihren Angehörigen das zu ersparen, was sie zwei Jahre lang durchlebt hatten. Und sie wollten die Idee umsetzen, die Stefan wenige Monate vor seinem Tod hatte: Der 16-Jährige wollte ein Computerprogramm schreiben als Basis für eine Stammzellspenderdatei, die es weltweit noch nicht gab. Eine tödlich verlaufende Lungenentzündung in der Nachsorge verhinderte, dass er dieses Projekt selbst umsetzen konnte. Seine Idee war aber der zündende Funke zu einem heute weltweit funktionierenden Netzwerk, das allein in Deutschland jährlich mehr als 6000 Leukämiekranken die Chance gibt, durch eine Stammzelltransplantation den Blutkrebs zu besiegen.

Eigenes Labor 1997 gegründet

Einen wesentlichen Baustein zu diesem Netzwerk haben Stefans Eltern am 27. Januar 1986 gelegt: Sie gründeten Deutschlands erste Stammzellspenderdatei. Angefangen hat alles im Wohnzimmer der Morschs in Birkenfeld mit der Beratung von Leukämiepatienten . Dann kam die Stammzellspenderdatei, in der seit Bestehen mehr als eine halbe Million Menschen registriert sind. Heute werden jährlich mehr als 600 Spender vermittelt - jeder von ihnen gibt einem Leukämiepatienten die Chance auf Leben.

Im Mai 1992 wurde das zentrale Knochenmarkspender-Register für die Bundesrepublik Deutschland (ZKRD) gegründet. Der nächste Schritt für Hiltrud und Emil Morsch war 1997 ein stiftungseigenes HLA-Labor in Birkenfeld, um die Blutproben kostengünstig und effizient auf ihre Gewebemerkmale untersuchen zu können. 40 000 Typisierungsaufträge werden hier jährlich bearbeitet.

Es folgte eine Knochenmark-Transplantationseinheit am Idar-Obersteiner Klinikum, weil es an verfügbaren Betten für Leukämiepatienten mangelte. Es gab zu lange Wartelisten für die Stammzelltransplantation. In Berlin (1999) und Flensburg (2011) werden heute Transplantationszentren unter dem Namen Stefan-Morsch-Station geführt, sie wurden im Aufbau von der Stiftung finanziell unterstützt. 2003 entstand das Internationale Spendersuchzentrum der Stiftung - geleitet von Stefans Schwester Susanne Morsch.

Ende November 2014 starb Hiltrud Morsch. Die Kollegen der Stiftung nannten sie Chefin - respektvoll, weil jeder wusste, dass sie ein wichtiger Stützpfeiler war, der tief ins Fundament des Hauses reichte. Sie war eine Netzwerkerin, die sich Schritt für Schritt vorgearbeitet hat - gründlich und ausdauernd. Dafür hat sie 2001 den Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz bekommen. Carlheinz Müller vom Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland in Ulm erinnert sich dankbar "vor allem an die Unterstützung durch die Stiftung in den 1980er-Jahren bei den schwierigen Bemühungen um die Schaffung eines zentralen Spenderregisters für Deutschland." Insbesondere hebt er die Rolle von Hiltrud Morsch hervor: "Sie leistete wesentliche Beiträge in der Arbeitsgruppe für die dutschen Standards für die nicht verwandte Blutstammzellspende und in den Arbeitsgruppen der World Marrow Donor Association."

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Auf einen BlickKnapp eine halbe Million potenzielle Spender hat die Stefan-Morsch-Stiftung im Laufe der Jahrzehnt typisiert. Von den derzeit etwa 400 000 registrierten möglichen Spendern sind 42 000 Saarländer - ein proportional hoher Anteil, ist aus der Stiftung zu hören. Fast 6000 Personen, die in der Datei registriert sind, haben bisher Stammzellen gespendet, 390 kommen aus dem Saarland. him

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