Der Anwalt des Zeugen will Geld sehen

Saarlouis · Überraschung im millionenschweren Untreueprozess gegen einen Ex-Anwalt: Der belgische Advokat eines Zeugen hat gegen Zahlung von 17 500 Euro angeboten, dass sein Mandant bei seiner bisherigen, unkonkreten Aussage bleibt.

Ex-Anwalt S. (65) sitzt neben seinem Verteidiger Guido Britz auf der Anklagebank vor der ersten großen Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken. Der Jurist aus Saarlouis ist wegen millionenschwerer Untreue angeklagt. Als Testamentsvollstrecker einer vermögenden Frau aus Dillingen soll er, der zwischenzeitlich seine Anwaltszulassung zurückgegeben und Privatinsolvenz angemeldet hat, grundlos einem Belgier 1,4 Millionen Euro überwiesen haben. In dem handschriftlichen Testament hat die Frau war verfügt, dass das Geld in ein Hospiz "Geregg" sowie in Kindernothilfe und Krebsforschung investiert werden sollte.

Wer aber ist dieser "Geregg", dem der Ex-Anwalt die 1,4 Millionen Euro auf ein Konto bei einer Schweizer Bank überwiesen hat? Im Freundes- und Familienkreis der Frau, deren Sohn bereits 2009 Strafanzeige erstattet hat, kannte ihn niemand.

Gestern stellte sich "Geregg" dem Landgericht vor. Ein 77 Jahre alter Ex-Bauunternehmer aus Belgien, der vergessen haben will, dass die vermögende Frau, die er vor 15 oder 20 Jahren am Strand von St. Tropez kennen lernte, ihn mit diesem Namen angesprochen hatte. "Geregg" scheint ohnehin viel und schnell zu vergessen. So wollte er sich nicht mehr an Oberstaatsanwalt Christoph Rebmann erinnern, der ihn erst vor einigen Wochen intensiv vernommen hat. In seiner mehr als zweistündigen Vernehmung durch das Gericht hinterließ "Geregg", der von seinem belgischen Advokaten begleitet wurde, nicht unbedingt einen glaubwürdigen Eindruck. Er wollte beispielsweise den Namen des Angeklagten S. vergessen haben - bis das Gericht ihm auf die Sprünge half. Der Ex-Anwalt schrieb sich derweil auf der Anklagebank fast die Finger wund, protokollierte offensichtlich akribisch, was der vergessliche Zeuge "Geregg", dem er kaum ins Gesicht schaute, zum Besten gab. So etwa, dass er aufgefordert wurde, ein Konto bei einer Schweizer Bank zu eröffnen, was er brav getan habe. Angeblich wusste er aber nicht, worum es genau ging. Als die 1,4 Millionen Euro transferiert wurden, sei ihm der Ärger mit dem deutschen Finanzamt zu viel geworden, er habe die Erbschaftssteuer überwiesen und das Geld wieder zurückgegeben. Aber nicht an den Ex-Anwalt, vielmehr habe er eine Million Euro bar in einem Koffer an einen zwischenzeitlich verstorbenen Rumänen aus Saarlouis ausgehändigt: "Ich wollte damit nichts mehr zu tun haben." Caritative oder soziale Zwecke habe er sowieso nicht verfolgt. Der Rumäne spielte zumindest gestern in der Schilderung des Zeugen die Schlüsselrolle.

Den Ex-Anwalt erwähnte der Zeuge selten. Beim Staatsanwalt nannte er dessen Namen offenbar wiederholt. Das hat vielleicht einen Grund, denn seit gestern ermittelt die Staatsanwaltschaft nach einer Anzeige der Verteidigung wegen versuchter Erpressung . "Gereggs" Advokat hat in einer Mail an Verteidiger Britz geschrieben, sein Mandant könnte "die schlimmsten Auswirkungen" für den Angeklagten vermeiden, in dem er bei der öffentlichen Verhandlung seine bisherige Version aufrechterhalte. Voraussetzung dafür sei, dass aufgelaufene Kosten von etwa 17 500 Euro übernommen werden. Wenige Zeilen zuvor heißt es in dem Schreiben: "Beide wissen wir, dass Ihr Mandant alles organisiert hat, den Geldtransfer durchgeführt hat." Demnach sollen der Ex-Anwalt und der Rumäne bei der Schweizer Bank eine Million Euro bar entgegen genommen haben. Wörtlich: "So sieht die Wahrheit aus und wir sind im Besitz einer Tonaufnahme (Videoaufzeichnung), die diese Tatsache bestätigt." Britz hat jetzt Strafanzeige erstattet. "Geregg" meinte, diese "vertrauliche Nachricht" von der er nichts wisse, gehöre nicht in die Hände der Richter. Und der belgische Advokat war nicht zur Aussage bereit.

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