Depot statt Deponie

Saarlouis · Das könnte später einmal als öffentlicher Startschuss für die Einrichtung eines Zentrums für Künstlernachlässe der Großregion in Saarlouis identifiziert werden: eine Vortrags-Veranstaltung an der Hochschule für Bildende Künste (HBK) am Dienstagabend in Saarbrücken.

Niemand sagte an diesem Abend an der Hochschule der Bildenden Künste (HBK) Saar in Saarbrücken: So wird es kommen. Doch Kulturminister UIrich Commerçon unterstrich in einem Grußwort zum Vortragsabend über Künstlernachlässe, er sei "zuversichtlich, dass es uns gelingen wird", die Aufgabe, "derer wir uns angenommen haben", auch zu lösen. Also die Einrichtung eines Zentrums, eines Archivs, für Künstlernachlässe aus der Region.

Das kann eigentlich nur in Saarlouis sein. Denn dort steckt die Expertise, beim Institut für aktuelle Kunst (das zur HBK gehört); und ein paar Meter hinter dem Institut ("Laboratorium") wartet eine frühere Industriehalle, die ein Bauunternehmer herrichten und vermieten würde. Bleibt vor allem die Frage: Wer bezahlt, vor allem das Personal?

Der Saarlouiser Oberbürgermeister Roland Henz interpretierte Commerçon sogleich so, dass der Minister "signalisiert hat, dass er sich auf die Eröffnung dieses Archivs freut, und das kann nur in Saarlouis sein."

Henz verfolgt das Ziel schon seit 2008, er hat gelernt, notfalls forsch zu sein. Er ist in Sachen Nachlassarchiv sicher forscher als der Kulturminister. Der, zum Beispiel, bremste Erwartungen, das Institut für aktuelle Kunst könne bald unter das Dach der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz schlüpfen, wie das unter anderem Henz gefordert hat. Würde das Institut zur Stiftung gehören, wäre die Finanzierung, anders als jetzt, auf Dauer gesichert.

Commerçon sagte, ganz sicher sollten HBK, Institut und ein künftiges Künstlerarchiv "die Kooperation" mit der Stiftung suchen, "aber strukturelle Veränderungen, das wird erst zu beraten sein". Henz: Der Minister habe ihm gesagt, das wolle überlegt sein, "und das ist kein Nein". Kein Nein ist aber auch noch kein Ja.
"Kulturelles Gedächtnis"

Ein Nachlassarchiv für Künstler wäre keine versteckte Nische. "Es betrifft alle Künstlerinnen und Künstler des Saarlandes. Es wäre ein Beitrag zum kulturellen Gedächtnis des Saarlandes", erklärte HBK-Rektorin, Prof. Gabriele Langendorf. Es gehe, so sagte Henz, um den Umgang der Gesellschaft mit ihren Künstlern. "Die Werke sollen nach dem Ableben eines Künstlers nicht in die Mülltonne." Mit den Worten von Dr. Hans Schmidt, Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe in Bonn: "Depot statt Deponie". Freilich auch da "kein Begräbnis zweiter Klasse", sondern aktive Teilnahme am "Kulturkreislauf": Streng ausgewählte Künstler, Beschränkung auf einen "repräsentativen Kernbestand". Beratung von Künstlern und Erben, Archivierung, Verwaltung, ein Schaulager, eine Artothek, die Bilder ausleiht.

Die Fülle von Aufgaben sei eine der Herausforderungen, fand auch Commerçon. Eine Arbeitsgruppe seines Ministeriums habe "glaube ich, kein völlig ausgereiftes, durchdachtes Konzept, aber viele wichtige und gute Überlegungen" nicht zuletzt zur Finanzierung vorgelegt. Die Andockung an das Saarlouiser Institut sei der "wohl sinnvollste Weg".

Henz, an Commerçon gewandt: "Das kriegen wir auf die Reihe. Lassen Sie uns diese fünf Meter gehen."

Meinung:
Ohne Betulichkeit

Von SZ-RedakteurJohannes Werres

Ein Archiv für Künstlernachlässe, das klingt gut - und betulich. Große Schubladen, große Schränke für Werke verstorbener saarländischer Künstler, staubdicht verpackt und gut verwaltet. Aber so ist es nicht gemeint. Jede Betulichkeit erledigt sich, wenn darüber diskutiert wird, welchen Künstlers Nachlass dort Eingang finden soll, und was genau aus diesem Nachlass. Die Beurteilung originärer künstlerischer Leistung ist heute noch schwerer als ohnehin. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich seit einigen Jahrzehnten mehr Menschen künstlerisch betätigen als davor, sie produzieren mehr, auch weil Material wie Leinwände heute (relativ) billiger ist als früher.

Der Erfolg eines ernst zu nehmenden Nachlassarchivs hängt zuerst von der strengen, nachvollziehbaren Auswahl ab. Vom konsequenten "Das nicht". Niemand im Saarland kann das besser als die Fachleute des Instituts für aktuelle Kunst in Saarlouis.

Das sieht offenbar auch Minister Commerçon so. Seine Linie gibt dem Projekt den Boden: Er bekannte sich öffentlich zur Dringlichkeit des Projektes, aber er nahm den Mund nirgends zu voll mit unhaltbaren Versprechungen.

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