Klinik Berus „Das Spielfeld ist begrenzt“

Josef Schwickerath geht nach 30 Jahren als Leitender Psychologe der Klinik Berus in den Ruhestand. Heute verabschiedet er sich.

 Klinik Berus

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Foto: Thomas Seeber

Herr Dr. Schwickerath, Sie sind leitender Psychologe der Klinik Berus. Nach 30 Jahren Arbeit in dieser Klinik gehen Sie nun in den Ruhestand. Wie stellt sich die Klinik heute dar?

Schwickerath Wir sind eine psychosomatische Fachklinik, die sich mit einigen Besonderheiten einen Namen gemacht hat. Das sind Therapie bei Mobbing, bei posttraumatischen Belastungsstörungen, Tinnitus und pathologischem Glücksspiel. Dazu kommt, dass wir auch französische Patienten behandeln, also in zwei Sprachen. Sie machen rund 18 Prozent unserer Patienten aus. Dafür haben wir Therapeuten, die zweisprachig sind, auch französische Muttersprachler und einige, die sich als Deutschsprachige auch auf Französisch sehr gut verständigen können. Das sind Alleinstellungsmerkmale, die wir über die Jahre entwickelt haben. Und wir haben eine Ausbildungsmöglichkeit für Ärzte und für Psychologen.

Mit welchen Erkrankungen kommen Menschen nach Berus?

Schwickerath Die meisten kommen mit depressiven Erkrankungen hierher. Viele auch aus dem Bereich der Angststörungen. Zudem behandeln wir Tinnitus, pathologische Glücksspieler, auch Patienten mit Burnout, Essstörungen und Traumafolgestörungen.

Welchen Anteil hatten Sie an der Profilierung der Klinik in diesen 30 Jahren?

Schwickerath Ich habe die verhaltenstherapeutische Ausrichtung der Klinik maßgeblich mit entwickelt. Und ich habe sicher, zusammen mit dem gesamten Team, Entscheidendes mitbewirkt im Bereich Arbeitsplatzkonflikte und Mobbing, auch bei der Therapie von Glücksspielern. Das betrifft die Praxis, aber auch die wissenschaftliche Begleitung, wir haben unter anderem die Wirksamkeit von Therapien wissenschaftlich nachgewiesen.

Wie nachhaltig sind diese Therapien?

Schwickerath Wir haben vor allem bei Patienten mit Mobbingerfahrung und Patienten aus dem Bereich pathologisches Glücksspiel mehrere Studien gemacht. Man kann sagen, dass in diesen Bereichen fast drei Viertel unserer Patienten nach einem Jahr noch nachhaltig von der Therapie profitiert haben. Ich habe gerade eine Studie abgeschlossen mit Betroffenen von Mobbing. Da zeigt sich wieder, dass bestimmte Effekte für die Nachhaltigkeit wichtig sind. Das ist vor allem die Klärung der eigenen Perspektive: Was ist dem Patienten aufbauend auf seiner persönlichen Biographie in Zukunft denn wirklich wichtig?

Wie haben Sie beruflich angefangen, wie fiel die Entscheidung, Psychologe zu werden?

Schwickerath Das war in den 70ern noch schwierig, ein unbeackertes Feld. Mich hat damals einfach der Mensch interessiert. Nach Studium und Ausbildung war ich in einer Lebensberatungsstelle, war Landesvorsitzender der saarländischen Beratungsstellen. 1986 wechselte ich dann hierher, von einer ganz sicheren Stelle in die freie Wirtschaft. Keine ganz leichte Entscheidung.

Ein großer Bogen von diesen Anfängen bis heute. Hätten Sie sich das träumen lassen?

Schwickerath Nein, sicher nicht – wenn ich jetzt sehe, wie sich alles darstellt und welche Anerkennung auch von außen die Klinik findet.

Was war für Sie persönlich der wichtigste Schlüssel zum Erfolg?

Schwickerath Ein wichtiger Schlüssel war sicher, dass ich immer durchgehalten habe, wenn es mal kritisch wurde. Es gab zum Beispiel die Reha-Krise 1997, als ein Drittel der Kliniken in Deutschland zugemacht hatte. Das zu überstehen und zu denken: Das kriegen wir schon irgendwie hin – halte ich für sehr wichtig. Für einen wichtigen Aspekt halte ich auch, dass ich früh erkannt habe, dass Mobbing-Probleme ein wichtiges Thema sind. Dass Menschen darunter gelitten haben, es aber in der Fachwelt keine Therapie-Konzepte dazu gab. Das gleiche galt für das Thema krankhaftes Glücksspielen. Ich habe frühzeitig gesehen: Da muss und da kann man auch was machen. Und ich habe nach dem Grundsatz ‚Tu Gutes und rede darüber’ auch immer in Büchern, Artikeln, in den Medien dargelegt, was da geschah. Damit auch bekannt wird, was wir machen.

Wie kommt man auf ein Thema wie krankhaftes Glücksspiel?

Schwickerath Wie beim Thema Mobbing – die Patienten kamen als Einzelfälle, und es gab weder eine Idee noch eine Art von Konzept, wie man damit umgehen soll. Wir haben in einer Arbeitsgruppe zunächst zusammengestellt, was da möglich ist. So hat sich das nach und nach entwickelt – immer gestützt durch Daten von Patienten, das ist mir sehr wichtig.

Hat sich unsere Gesellschaft in den vergangenen 30 Jahren verändert?

Schwickerath Ja. Das Arbeitsklima hat sich verändert, es hat sich im Schnitt verschlechtert. Früher gab es noch Schonarbeitsplätze in den Firmen, die gibt es fast nicht mehr. Die Hektik, die Beschleunigung, nicht zuletzt durch die neuen Medien, und eine hohe Leistungsverdichtung – das ist das Zentrale.

Kann der Einzelne gegensteuern?

Schwickerath Ja – das ist ja unser therapeutisches Ziel. Wenn ein Patient zu uns kommt, können wir ja weder seinen Arbeitgeber noch die Bedingungen wesentlich ändern. Wir können den Patienten nur stärken, damit er damit besser umgehen kann. Aus der Distanz betrachten, einordnen, Bewältigungsstrategien lernen und einüben. Das alles wird auf die eigene, biografiegestützte Perspektive bezogen. Den Blick nach vorne richten, der realistisch ist.

Haben Sie in Ihrer Arbeit als Therapeut auch für sich selbst, für Ihr eigenes Leben etwas gelernt?

Schwickerath Ja. Aus meiner Sicht wichtig ist, dass ich mich um die Säulen des Lebens, Arbeit, Freizeit und Familie, wirklich kümmere – und nicht nur alles auf die Karte Arbeit setze. Gelernt habe ich auch, mich so ernst zu nehmen wie ich die Patienten ernst nehme. Dazu gehört das Bewusstsein, dass alles seine Zeit hat, das Spielfeld ist begrenzt. Es fängt alles an, und es hört alles auf, das muss man wissen.

Wie sieht es derzeit mit der Bereitschaft der Kostenträger aus, eine Reha in Berus zu genehmigen?

 Klinik Berus Leiter Dr. Josef Schwickerath

Klinik Berus Leiter Dr. Josef Schwickerath

Foto: Thomas Seeber

Schwickerath Das ist eigentlich kein Problem. Es gibt aber ein anderes: Die Verweildauer ist deutlich eingeschränkt. Früher war jemand auch mal drei, vier Monate hier. Da hat man mehr Möglichkeiten gehabt. Heute sind das fünf, sechs Wochen. Wir haben mehrere Studien gemacht, was die Genehmigung einer Reha der Gesellschaft bringt. Da zeigte sich, belegbar, dass auf jeden Euro, den eine Versicherung in die Reha investiert, langfristig zirka drei Euro Nutzen herauskommen. Das ist kein Verlustgeschäft – langfristig gesehen. Die langfristige Perspektive ist das, was therapeutisch trägt.

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