„Da ist etwas, das ich nicht ignorieren sollte“

Saarlouis · Frank Kleinjohann, der Theologie in Rom studiert hat und Bischofskaplan in Trier war, ist seit 1. Mai Pfarrer in Saarlouis. Erstmals hat die Pfarreiengemeinschaft „Saarlouis links der Saar“ nur noch einen Pfarrer. „Ich möchte etwas Lebenswichtiges, Lebensfrohes wach halten“, sagt er im Gespräch mit SZ-Redakteur Johannes Werres.

 Frank Kleinjohann: „Die Herausforderung liegt darin, die Botschaft wach zu halten.“

Frank Kleinjohann: „Die Herausforderung liegt darin, die Botschaft wach zu halten.“

Foto: Hartmann Jenal

Herr Kleinjohann, wie wird ein katholischer Priester Pfarrer in Saarlouis? Konnten Sie sich das selber aussuchen?

Kleinjohann: Freie Pfarrstellen werden intern ausgeschrieben. Darauf können sich Priester bewerben, und dann entscheidet der Bischof, wer in die Pfarrei entsandt wird. So war das auch bei mir. Ich hatte mich beworben, weil die Zeit meines Promotionsstudiums zu Ende, die Doktorarbeit geschrieben war.

Was sprach für Saarlouis?

Kleinjohann: In erster Linie positive Erfahrungen mit dem Saarland. Meine beiden ersten Stellen als Diakon und Kaplan hatte ich ja an der oberen Saar in Auersmacher und dann in Merchweiler. Hier habe ich wunderbare Erfahrungen gemacht. Da kamen zwei Dinge zusammen: die Offenheit und die Herzlichkeit der Menschen sowie die Botschaft, die ich gerne verkünden will. Wo eine solche Brücke entsteht, lässt sich in der Kirche richtig was machen. Außerdem habe ich mich für den städtischen Bereich interessiert. Wie kann man in einer größeren Stadt den Glaubensweg mit den Menschen gehen? Darauf bin ich sehr gespannt.

Priester wird nach dem Verständnis der katholischen Kirche, wer dazu eine Berufung spürt. Wie war das bei Ihnen?

Kleinjohann: Das stellt man sich manchmal vor wie bei Paulus, der dieses Damaskus-Erlebnis hatte, quasi aus heiterem Himmel von Gott angesprochen wurde und vom Pferd gefallen sein soll. So war das bei mir nicht. Das ist viel stiller und weltlich vermittelter abgelaufen. Aber dass ich von meiner Jugendzeit an gespürt habe, da ruft dich jemand, durch ganz bestimmte Begegnungen, Ereignisse, Erfahrungen, das kann ich schon sagen. Das hängt ganz entscheidend mit Menschen zusammen. Zum Beispiel mit einem charismatischen Pfarrer in meiner Heimatpfarrei Monreal in der Eifel. Oder mit der Messdienerarbeit als Weg vom Messdiener zum überzeugten Gläubigen. Dann war da mein Religionslehrer am Gymnasium, der in mir die intellektuelle Lust am Glauben geweckt hat. Da habe ich Feuer gefangen. Und natürlich bin ich mit meiner Berufung auch durch Prüfungen gegangen, ich bin ja nicht als Priester vom Himmel gefallen.

Es hätte also auch anders kommen können?

Kleinjohann: Ich habe mich dann für den Zivildienst beim Roten Kreuz entschieden. Medizin und Theologie hatten sich bei mir immer die Waage gehalten. Ich hatte Spaß am Rettungsdienst und alle dachten: Frank studiert Medizin. Bei diesem Dienst hatte ich sehr stark das Gefühl, dass da wirklich so etwas wie eine Berufung war. Die größte Freude hatte ich nicht an den medizinischen Dingen - und da kann man ja wirklich sehr effektiv helfen - sondern, wenn ich als 19-Jähriger beispielsweise einen schwerst krebskranken Patienten auf dem Weg in eine Fachklinik begleiten durfte, und der mir sein ganzes Leben erzählt hat. Da wusste ich: Da ist etwas, das ich nicht ignorieren sollte. Das veränderte sich im Laufe der Zeit, aber es trägt.

Die Abi-Noten für Medizin hatten Sie?

Kleinjohann: Ich hatte sogar einen Studienplatz in Mainz.

Aus was für einer Familie kommen Sie?

Kleinjohann: Aus einer ganz bodenständigen Familie. Man Vater ist gelernter Kaufmann, meine Mutter Friseurin, sie ist mit uns drei Kindern zu Hause geblieben. Außerdem hatten wir zwei Pflegekinder aufgenommen. Bis dahin war ich das Jüngste der Geschwister im Haus, dann plötzlich der Älteste. Eine ganz normale, suchende, immer wieder auch ringende Familie, so würde ich uns beschreiben.

Was können Sie persönlich verantworten als Ihre Glaubensüberzeugung?

Kleinjohann: Das ist der Satz aus Psalm 16, der auch mein Primizspruch und Lebensmotto ist: "Du zeigst mir den Weg zum Leben." Das ist meine Kern-Erfahrung: dass der Glaube uns zutiefst beschenkt. Dass wir Christen an einen Gott glauben können, der nicht das Leben beschneidet oder das Leben nimmt, sondern der uns zu einer ganz neuen Art des Lebens führen will. Aus dieser konkreten Erfahrung kann ich mein Lebensmotto begründen. Da ist jemand, der meinen Weg mit mir ganz persönlich durch alle Höhen und Tiefen geht. Die christliche Botschaft hat so viel zu sagen zu wichtigen Themen wie: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was ist der Sinn meines Lebens oder auch Schuld und sogar Tod. Ich denke, dass sich eine Menge Leute mitnehmen lassen auf diesen Weg.

Wie sehen Sie sich da?

Kleinjohann: Unsere plurale Welt lenkt uns alle oft von vielen wesentlichen Fragen ab. Die Herausforderung für die Kirche, für die Priester, liegt darin, unsere Botschaft wach zu halten. So sehe ich meine Rolle - gerade in einer Stadt. Ich will niemandem auf die Nerven gehen, ich möchte niemanden reglementieren oder ständig mit der Roten Karte durch die Gegend laufen. Darin sehe ich nicht meine Aufgabe. Ich möchte etwas Lebenswichtiges, Lebensfrohes wach halten.

Als besonders anziehend gilt Kirche derzeit nicht. Haben Sie eine Idee, warum?

Kleinjohann: Ich würde da zunächst mal widersprechen. Mir ist in dieser Stelle eine Differenzierung wichtig. Wenn Sie die großen Themen der Kirche nehmen, die in den vergangenen Jahren Schlagzeilen gemacht haben, dann stimme ich zu: Finanzgebaren der Kirche, Missbrauchsthematik: Da ist eine Sehnsucht der Menschen enttäuscht worden, dass wenigstens in der Kirche noch heile Welt ist. Aber sagen: Glaube vor Ort ist unattraktiv - da würde ich zutiefst widersprechen. Wie lebendig und vielfältig etwa unsere Pfarreiengemeinschaft ist, konnte ich doch schon bei meiner Amtseinführung und in den ersten Wochen hier sehen. Ich warne davor, dass wir uns als Kirche selber mit unseren Stärken nicht mehr richtig ernst nehmen, indem wir uns vorschnell einreden, der Glaube sei nicht attraktiv, und wir werden immer weniger. Selbst wenn heute vielleicht nur noch halb so viele Menschen zur Messe kommen, darf ich das nicht immer mit früher vergleichen.

Ich muss ins Hier und Jetzt schauen. Wer mobilisiert denn sonst noch so viele Menschen? Ich erlebe eher eine große Offenheit, Neugier.

Im Bistum Trier hat eine Synode die Weichen für die Zukunft der Pfarreien gestellt. Können Sie schon absehen, was das für Saarlouis bedeutet?

Kleinjohann: Nein. Ich möchte erst einmal das jetzt Vorhandene kennen lernen. Das bedeutet: eine Pfarreiengemeinschaft mit rund 11 000 Katholiken, erstmalig mit nur einem Pfarrer . Was aber schon jetzt eine Rolle spielt, sind die von der Synode beschlossenen Perspektivwechsel. Zum Beispiel, vom Einzelnen her zu denken. Bisher stand meistens die Gemeinschaft im Mittelpunkt, und das, was von der Gemeinschaft her vorgegeben war. Aber darüber darf man nicht den Einzelnen vergessen, erst recht nicht in einer Welt, die individualisiert und pluralisiert ist. Da kann ich nicht immer mit vorgefertigten Modellen kommen, die dann für alle 11 000 gelten sollen. Ich muss fragen: Wie kann ich Menschen von unterschiedlichen Punkten, an denen sie stehen, zu dieser Gemeinschaft führen? Ich setze dabei aber beim Einzelnen an. Die Zeiten, in denen jede Gemeinde einen Pastoralplan hatte, und alle sollten den dann für alle umsetzen - die Zeiten sind, denke ich, vorbei.

Wo finden Sie Ihre spirituellen Impulse?

Kleinjohann: Die grundlegende Komponente ist das Gebetsleben. Das ist ein wichtiger Ruhepol im Getriebe, in dem man als Pfarrer ja schnell drin ist. Ich möchte nicht nur der Seelsorgsmanager sein. Wichtig für mich ist, auch selber mit der Heiligen Schrift auf dem Weg zu sein. Ganz wichtig für mich sind gute Freunde. Ich könnte niemals Priester sein, wenn ich Einzelkämpfer wäre. Eine wichtige spirituelle Quelle sind für mich auch die Lebensgeschichten der Heiligen, zum Beispiel die Vita meines Namenspatrons, des heiligen Franziskus.

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 Kirche zum Bersten voll: Amtseinführung von Frank Kleinjohann am 8. Mai in St. Ludwig. Foto: Th. Seeber

Kirche zum Bersten voll: Amtseinführung von Frank Kleinjohann am 8. Mai in St. Ludwig. Foto: Th. Seeber

Foto: Th. Seeber

Zur Person Frank Kleinjohann, 39, beendet gerade an der Jesuitenhochschule St. Georgen seine Doktorarbeit. Darin untersuchte er das Traditionsverständnis von Kardinal Walter Kasper. Zuvor war Kleinjohann sechs Jahre Bischofskaplan (persönlicher Assistent) der Trierer Bischöfe Reinhard Marx , Robert Brahm (Diözesanadministrator) und Stephan Ackermann . Studiert hat Kleinjohann in Trier und in Rom, wo er auch zum Priester geweiht wurde. Kleinjohann war bis 2015 auch Domvikar am Trierer Dom. In Saarlouis ist er nun Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft der Pfarreien Innenstadt, Lisdorf, Beaumarais und Neuforweiler mit Picard. we

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