Schätze in Porzellan „Achten Sie auch auf die Strümpfe“

Saarlouis · Ludwig Galerie Saarlouis präsentiert zum 30-jährigen Bestehen Porzellanfigürchen für die adelige Festtafel.

  Den „Stichverkäufer“ samt zwei staunenden Kindern schauen sich Matthias, Alanna und Lydia Löcher in der Ausstellung an.

 Den „Stichverkäufer“ samt zwei staunenden Kindern schauen sich Matthias, Alanna und Lydia Löcher in der Ausstellung an.

Foto: Thomas Seeber

Das Mädchen mit dem Butterfass, 20 Zentimeter hoch, bemaltes Porzellan, geschaffen für den Adel des 18. Jahrhunderts, man möchte die munter klappernde Mühle am rauschenden Bach nebenan hören. Aber es gibt gar keinen Bach, und das herzige Mädchen am Butterfass sah in echt wohl ganz anders aus. Schon ist man drin im Spiel mit dem schönen Schein an den Festtafeln bei Hofe, für die solche Porzellanfiguren geschaffen wurden.

Das ist die Jubiläumsausstellung „Was bin ich?“ zum 30-jährigen Bestehen der Ludwig Galerie in Saarlouis. „Das Haus ist ein wichtiger Kulturträger im Saarland, das soll so bleiben, gerne auch mit unserer Unterstützung“, sagte bei der Eröffnung am Sonntag Brigitte Franzen, Vorstand der Peter und Irene Ludwig Stiftung in Aachen.

Das Ehepaar hat Kunst zusammengetragen und eine hoch bedeutende Kunstsammlung hinterlassen. Saarlouis ist eine von zwölf Institutionen unter dem Namen Ludwig, die das Stifter-Ehepaar als „gesellschaftliche Institution abseits der großen Metropolen“ gegründet habe, um Kunst auf höchstem Niveau zu zeigen, wie Franzen unterstrich. Weitere Exponate der Ludwigs sind in 26 Museen auf der ganzen Welt ausgestellt.

Die Einrichtung in Saarlouis war 1989, kurz vor der Wende, als Ausstellungsort vor allem für Kunst aus der DDR gegründet und im damaligen „Museum Haus Ludwig“ untergebracht worden. Die Ludwig Galerie Saarlouis, 2017 in die Altstadt-Kaserne VI umgezogen, habe sich dort „toll entwickelt“, bescheinigte Franzen der Leiterin Dr. Claudia Wiotte-Franz.

Für die Ausstellungen leiht die Stiftung Exponate an die Ludwig-Einrichtungen im Land aus. Dies besonders gerne, wenn die Häuser kooperierten, wie jetzt die Ludwig Galerie in Saarlouis und die Sammlung Ludwig in Bamberg, unterstrich Franzen.

Aus Bamberg also kommt eine Auswahl der kleinen Porzellanfiguren, die in Saarlouis zu sehen sind: Die ganze Berufswelt, etwa 250 Jahre alt, aus dem damals noch eher neuen Werkstoff Porzellan, hergestellt für die Festtafeln des Adels. Hergestellt auch aus der Sicht des Adels. Die Titelfrage der Ausstellung, „Was bin ich?“, ist teilweise leicht zu beantworten: Musiker, Bauern, Soldaten oder Winzer sind leicht zu erkennen. Andere eher nicht, wie Bürgermeisterin Marion Jost bei der Eröffnung feststellte, der „Frettchenverkäufer“ oder der „Bänkelsänger“, denn solche Berufe gibt es nicht mehr.

Die Figuren wurden bei Hofe auf die Festtafel gestellt, weil es schön aussah, und weil, wie die stellvertretende Direktorin der Museen der Stadt Bamberg, Dr. Eva Schurr, sagte, man Gesprächsstoffe brauchte. Noch ein dritter Grund: Der Adel habe Sehnsucht gehabt nach einem idealen, romantisch verstandenen Leben in der Natur, egal, wie dieses Leben in Wahrheit aussah.

Die Figuren folgen dieser Idealisierung. Manche sogar, sagte Schurr, indem sie nicht etwa die Menschen zum Vorbild nahmen, wie sie wirklich aussahen, sondern teure Verkleidungen, in denen der Adel das vermeintliche Landleben spielte. Ganze, heute würde man sagen, Motto-Partys, gab es da. Den Gärtner zum Beispiel mit filigranen weißen Spitzenärmeln wird man draußen wohl vergeblich gesucht haben.

Schnell hat man sich an den Porzellanfigürchen als niedlich erfreut (und teilt damit den Geschmack des Adels des 18. Jahrhunderts) und ist zu den nächsten gegangen – wären da nicht die großen Fotos vieler Figürchen, die Thomas Wolf gemacht hat. Er schuf sie extra für diese Ausstellung. Unübersehbar dort die handwerkliche Kunstfertigkeit der Porzellane, die vielen Details, die tatsächlich für Gesprächsstoff bei Tisch sorgen konnten.

„Achten Sie auch auf die Strümpfe“, riet Schurr. Glatt und hochgezogen oder faltig? Das war ein Stück Wirklichkeit. Eine Kleiderordnung aus Württemberg von 1721 habe den niedersten Ständen minderwertige Textilien – eben gerade solche Strümpfe – vorgeschrieben.

So bleibt der Gang durch die Ausstellung auch ein Ratespiel: Die Figur nach der Wirklichkeit oder nach der Maskerade des Adels oder gar nur eine Allegorie wie eine schwungvolle Schnitterin (Erntehelferin), die für den Sommer steht?

Wer mehr davon sehen will: Der Leihgeber in Bamberg feiert ab 10. Mai sein 25-jähriges Bestehen im historischen Alten Rathaus auf einer Insel in der Regnitz. 600 Exponate hat die Sammlung Ludwig dort.

Die Eröffnung bereicherte musikalisch das Kammermusikensemble „Fuhrioso“ des Robert-Schuman-Gymnasiums Saarlouis unter der Leitung von Lothar Fuhr: alle sieben Kammermusiker gehen erst in die sechste Klasse.

  „Die Malerin“, Porzellan um 1770: Hier geht es nicht um eine bestimmte Malerin, sondern um eine Allegorie der Kunst des Malens.

 „Die Malerin“, Porzellan um 1770: Hier geht es nicht um eine bestimmte Malerin, sondern um eine Allegorie der Kunst des Malens.

Foto: Thomas Seeber

Die Ausstellung ist bis zum 17. Mai zu sehen. Geöffnet dienstags bis freitags 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr; samstags, sonntags, feiertags 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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