Aufgeben kommt nicht in Frage

Saarlouis · Marah Schneider meistert das Leben im Rollstuhl – auch wenn sie sich oft fühlt, als bestünde sie aus zwei Hälften.

 Marah Schneider will gerne eine Wohnung mitten in Saarlouis – allerdings muss sie barrierefrei sein. Foto: Carolin Merkel

Marah Schneider will gerne eine Wohnung mitten in Saarlouis – allerdings muss sie barrierefrei sein. Foto: Carolin Merkel

Foto: Carolin Merkel

"Hören Sie auf, gesund zu werden", diese Aufforderung von einem Arzt in der Rehaklinik ausgesprochen, erzählt Schauspielerin und Drehbuchautorin Marah Schneider, die in Roden aufgewachsen ist und zuletzt in München gelebt hat, sei zwar schmerzhaft gewesen, habe ihr zugleich aber auch gezeigt, wie es in ihrem Leben weitergehen soll.

"Ich war einfach viel zu ehrgeizig, habe immerzu trainiert, wollte, dass es wieder gut wird. Für mich, aber vor allem auch für meine Familie, die ich nicht belasten wollte", sagt sie. Extreme Rückschläge seien die Folge gewesen, heute sitzt die 55 Jahre alte Powerfrau, die, wie sie selbst sagt, aus zwei Hälften besteht - einer oberen, die absolut gut funktioniert und in der ein blitzgescheiter Geist wohnt, sowie einer unteren, die von Lähmungserscheinungen und Spastik geplagt ist, im Rollstuhl.

Aufgeben - nein, das kam und kommt für sie nicht in Frage. "Doch ich muss die Fakten akzeptieren und abklären, wie ich damit umgehe", sagt sie. Die Fakten versprechen nicht viel Gutes.

Rückblick: Marah Schneider hatte vor etwa sechs Jahren erste gesundheitliche Probleme, sie wurde unter anderem auf Multiple Sklerose untersucht. Dann ging alles ganz schnell. Erst erhielt sie die Hiobsbotschaft vom Tod eines nahen Angehörigen und eilte nach Saarlouis zu ihrer Mutter. Dort fiel auf, dass sie ein Bein nachzieht. "Ich dachte, ich habe wegen meiner Ausbildung als Drehbuchautorin zu viel am PC gesessen, hätte mir einen Nerv eingeklemmt", sagt sie. Schneider hat ein Diplom in Sport, hat eine sehr gute Körperwahrnehmung.

Der Arztbesuch offenbarte Schlimmstes. Es seien mehrere Bandscheibenvorfälle in der Brustwirbelsäule, die, wenn sie nicht operiert werden, zur Lähmung führen würden, hieß es bei der Untersuchung. Die OP und die nachfolgende Zeit in der Klinik, erzählt sie, haben sie stark traumatisiert. Nach dem Eingriff lautete die Diagnose Querschnitt. "Das war wie eine Bombe. Ich habe Sport studiert, bin Schauspielerin geworden, habe immer getanzt", sagt sie.

Viele Therapien folgten, für den Körper, aber auch für die Seele. Hinzu kamen große Schmerzen, vor allem die Atemschmerzen nach der OP, erinnert sie sich, waren kaum zu ertragen. "Der Meinung der Ärzte, die Lähmung habe schon vor dem Eingriff bestanden, muss ich definitiv widersprechen", erklärt Marah Schneider. Noch immer ist ihre Diagnose "ungeklärt" - sie hofft auf einen Termin in einer Klinik, die sich ausschließlich mit Fällen wie ihrem beschäftigt.

Marah Schneider hofft auch noch auf ein paar weitere Dinge, die ihrem Leben eine Wendung geben sollen, auch wenn sie sich mit den Fakten arrangieren muss. Da ist zum einen die händeringende Suche nach einer Wohnung in der Innenstadt, die für Rollstuhlfahrer geeignet ist. Eventuell, verrät sie, könnte es im Mehrgenerationenhaus klappen, doch sicher ist das noch nicht, hier wäre sie für jeden Hinweis dankbar. Aktuell wohnt sie in der Pflegeeinrichtung von Victor's.

Mit Saarlouis als alte und neue Heimat hat sie sich abgefunden. "Ich bin hier gestrandet", sagt sie. Ihre Wohnung in München sei alles andere als barrierefrei, aber auch das Elternhaus in Roden ist für sie nicht nutzbar. Eine eigene, abgeschlossene Wohnung, die ihr eine Intimsphäre garantiert, das wünscht sie sich. "Das wäre sowas wie die Stunde null in meinem neuen Leben", sagt sie. "Ich wünsche mir endlich auch wieder Kontakt zu Künstlern und Theaterleuten zu haben, das fehlt mir so sehr", erzählt sie.

Da ist es wieder - das Bild von den zwei Körperhälften. "Oben bin ich absolut fit. Ich habe so viele Ideen, angefangen bei einer App für Menschen mit MS über ein Kabarettprogramm über mich bis hin zur Verfilmung von Geschichten über Menschen habe ich unendlich viele Dinge in meinem Kopf", sagt sie. Denn die "spinnerte Geschichtenerfinderin", wie sie in ihrer Kindheit liebevoll bezeichnet wurde, ist sie bis heute geblieben. Und so träumt sie auch noch immer vom Roten Teppich. "Doch zunächst einmal brauche ich eine Wohnung und muss weiter durch die Therapien den Alltag im Rollstuhl meistern lernen. Dann wird meine Zeit kommen", sagt sie.

Kontakt zu Marah Schneider über die Redaktion.

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