Regionalgeschichte Auf diesen Saarlouiser musste Napoleon hören

Michel Ney war eine wichtige Person der Saargeschichte. Seine Geburtsstadt Saarlouis würdigt ihn zum 250. Geburtstag.

 Daran erinnern sich noch viele Saarländer: Briefmarke von 1947 mit Saarlouiser Ney-Denkmal.

Daran erinnern sich noch viele Saarländer: Briefmarke von 1947 mit Saarlouiser Ney-Denkmal.

Foto: Thomas Seeber

Herr Loew, warum sprechen wir eigentlich immer noch von Michel Ney? Wo liegt seine Bedeutung?

Loew Das Bleibende ist seine charismatische Persönlichkeit, die eine militärische und eine politische Bedeutung hatte. Er hat Entscheidungen getroffen, die sich auf ganz Europa ausgewirkt haben. Militärisch war er einer der wichtigsten Generäle Frankreichs vor allem für Napoleon. Er führte auch Schlachten unter eigener Verantwortung. Seinen größten Ruhm zog er eigentlich aus einer Niederlage. Beim Rückzug aus Russland scheint er mit seinen Männern bis zur Selbstaufopferung versucht zu haben, einen am Ende sehr kleinen Rest der Großen Armee aus Russland den Rücken zu decken, damit die Soldaten nach Hause kamen. Das wohl ist vor allem in Erinnerung geblieben.

Bezog sich Napoleon darauf, als er ihn den Tapfersten der Tapferen, le brave de brave, nannte?

Loew Nein, das bezog sich auf eine frühere Schlacht in Preußisch Eylau 1807.

Und die politische Bedeutung?

Loew Einmal wurde er als Diplomat in die Schweiz geschickt, wohl wegen seiner Zweisprachigkeit. Er konnte einen Frieden vermitteln. Dann, als Beispiel: Als Napoleon 1815 vor seiner ersten Abdankung stand, macht er sich zum Wortführer der Marschälle. Napoleon wollte die Kriege weiterführen, Ney machte ihm klar, dass die Armee auf die Marschälle höre, nicht mehr auf ihn. Dahinter stand, dass er genug Kriege geführt hatte, Frankreich war ausgelaugt. Ein weiterer Krieg würde es vernichten. Frankreich konnte aus Sicht Neys nur überleben durch einen vernünftigen Friedensvertrag, das hieß: indem Napoleon abdankte. Das wurde zum ausschlaggebenden Punkt für die Abdankung. Und dann kam Napoleon zurück, und Ney wechselte wieder von König Ludwig XVIII. zu Napoleon. Wieder mit dem Argument, Schaden von Frankreich abzuwenden. Er rechnete mit einem Bürgerkrieg, falls er mit seinen Soldaten beim König geblieben wäre und gegen die schon zu Napoleon übergelaufenen Kameraden hätte kämpfen sollen. Napoleon konnte ohne Blutvergießen nach Paris marschieren, es begann seine kurze neue Regierungszeit, die 100 Tage, die letztlich zur Schlacht bei Waterloo 1815 führten.

Also echte Entscheidungen.

Loew Ja. Waterloo verloren die Franzosen, Ney auch, und das führt zum so genannten Zweiten Pariser Frieden 1815. Damals wurden in Europa die Grenzen komplett neu gezogen. Die zwischen Frankreich und Deutschland war erstmals so, wie sie heute ist. So wurde Saarlouis 1815 preußisch.

Was war los mit Ney in Waterloo?

Loew Exakt weiß ich das auch nicht, ich bin kein Militärhistoriker. Ney war in dieser Schlacht zögerlich, ganz anders als sonst. Ob das ein Fehler war, kann ich nicht beurteilen. Im Nachhinein wurde aber klar, dass er früh eine Chance vergeben hatte, das Blatt für Frankreich zu wenden. Offenbar hatte er seinen Gegner überschätzt. In einem weiteren, forsch geführten Angriff scheiterte er, weil die ihm zugesagte Unterstützung durch Napoleons Garde doch nicht kam.

Napoleon dankte zum zweiten Mal ab, König Ludwig XVIII. saß wieder auf dem Thron und nahm Rache an Offizieren, die übergelaufen waren. Nummer eins auf der Liste: Michel Ney.

Loew Das wurde von den Zeitgenossen und der Nachwelt als ungerecht empfunden. Auch, weil Ney so konsequent blieb und nicht floh. Zur Hinrichtung erschien er nicht in Uniform, keine Ehrenzeichen, er erschien als Zivilist. Vielleicht, um es den Soldaten leichter zu machen, in dem Sinne, dass sie nicht auf ihren wohl bekanntesten Offizier schießen mussten. Er hat sich weder die Augen verbinden lassen noch hat er sich hingekniet. Das ist verbrieft.

Knüpft daran seine bleibende Popularität an?

Loew Die knüpft zunächst daran an, dass er zu Lebzeiten schon war, was wir heute einen Promi nennen. Er galt als Held, als charismatischer, erfolgreicher Draufgänger – schon als Revolutionsgeneral, also schon bevor er Napoleon zum ersten Mal getroffen hat. Das entwickelt sich weiter: Ney galt als ritterlich, ehrenhaft, bodenständig, das überwog die negativen Eigenschaften, etwa die, das Leben seiner Soldaten ständig aufs Spiel zu setzen. Eine große Rolle spielte sein Lebensweg aus sehr einfachen Verhältnissen in den Hochadel, von Napoleon in den Adelsstand erhoben. Ein Aristokrat wurde er dadurch nicht. Und sein Tod wurde als ungerecht empfunden. Es bestand immer auch die Gefahr der Verklärung. Man darf natürlich nicht heutige moralische Maßstäbe anlegen.

Wie stand Ney zur Französischen Revolution, deren Zeitzeuge er ja war?

Loew Gerade die Offiziere der nördlichen Armeen Frankeichs waren durchaus stärker den revolutionären Ideen verbunden als die aus dem Süden. Bestimmte Errungenschaften blieben ja auch unter Napoleon erhalten, obwohl der den revolutionären Gedanken mit der Annahme der Kaiserwürde natürlich ad absurdum führte. Die Werte vertrat Ney, was er ablehnte, war der Terreur, die Gewalt der Revolutionäre.

Herr Loew, was man in der Ausstellung sieht, ist aus dem Bestand des Städtischen Museums?

Loew Ja. Alle Originale sind aus dem Bestand des Museums.

Hat das Museum eine Ney-Sammlung?

Loew Die Dokumente sind in verschiedenen Bereichen verteilt. Innerhalb dieser Bereiche, zum Beispiel Grafik, liegen sie natürlich unter der Rubrik Ney.

Wird das Material zum ersten Mal ausgestellt?

Loew In der Gänze ja. Es gibt im Museum eine kleine, nicht struktrurierte Dauerausstellung zu Ney. Aber dies ist die erste Ausstellung, die verschiedene Aspekte darstellt, und dies auch mit so vielen Exponaten.

Wir haben hier das französisch geschriebene Kirchenbuch von Saarlouis mit dem Geburtseintrag vom 10. Januar 1769, der Vater wird darin als Tonnelier, Küfer, bezeichnet. Aus welcher Familie kam Michel Ney?

Loew Aus einer einfachen Handwerkerfamilie. Das sieht man schon an der Wohnung in der Biergasse. Der Vater, ein Küfer, war auch Soldat, Unteroffizier, im Siebenjährigen Krieg 1756 bis 1763. Er hat seinen Söhnen eigentlich abgeraten, zum Militär zu gehen. Offenbar bekam Michel aber doch den Segen seines Vaters, denn er brauchte ja etwas Geld, um überhaupt nach Metz zu kommen, wo er in den Militärdienst eintreten konnte. Sein Bruder machte es genauso. Er fiel aber in Norditalien. Die Eltern lebten noch eine ganze Zeit in Saarlouis, dann starb die Mutter. Der Vater zog später mit seiner Tochter in die Nähe von Nancy.

Blieb Ney Saarlouis verbunden?

Loew Man weiß nicht, wie oft er hier war. Dokumentiert ist nur ein befohlener Genesungsbesuch.

Wie ist die Forschungslage zur Person Maréchal Ney?

Loew Es gibt Literatur aus 200 Jahren, beginnend gleich nach seiner Hinrichtung 1815. Die ist sehr umfangreich – eine Auswahl davon zeigen wir ja in der Ausstellung im Museum. Ich glaube allerdings kaum, dass es noch viele unverarbeitete Quellen gibt.

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