Es passt zum Typ, so kann man sie sich gut vorstellen: Wäre ihr Leben nicht mit 26 plötzlich abgeknickt, wäre die Arzthelferin in einer neurologischen Praxis voll aufgegangen im Engagement für ihre Western & Showtanzgruppe im heimatlichen Tawern an der Mosel. "Tanzen war und ist mein Hobby." Doch mit 26 hatte sie diesen schrecklichen Autounfall. Frontalzusammenstoß, Trümmerbrüche in beiden Beinen. Es passt zu ihr, dass sie heute sagt - ohne zu stutzen -, sie fahre sehr gern Auto. So begann der Lebensweg von Anne Nanninga.

Jahrzehnte später gründete sie in Dillingen den Verein "KleeBlatt-Saar" für Menschen, die unter Stress in Form von sozialer Angst leiden. "Der Verein kümmert sich um Menschen, die zunehmend stärker belastet sind und sich in der Situation sehen, beweisen zu müssen, dass sie funktionieren und den gesellschaftlichen Anforderungen genügen." Aktiver Kern ist derzeit eine Selbsthilfegruppe. Sie tagt in eigens angemieteten Räumen in Saarlouis-Roden.

Nach dem Unfall kam Anne Nanninga nicht wieder auf die Beine - jedenfalls im buchstäblichen Sinn. Denn ein "Stehberuf, dazu zählt auch die Arzthelferin, kam nicht mehr in Frage". Im übertragenen Sinne aber kam sie sehr wohl wieder auf die Beine: mit einer Umschulung zur Fremdsprachenkorrespondentin in Kassel. Aber es wurde dann doch eher trockene Arbeit, "und ich wollte Kommunikation". Also Richtungswechsel: eine Zusatzausbildung als Stil- und Typberaterin. Eventmanagerin für große Firmen. "Doch letztlich fehlte mir ein Team für die Umsetzung." Also wieder Wechsel. Außendienst wäre passend, empfahl eine Beraterin. Es folgten Bewerbungen, ohne Erfolg. Bis sie sich bei einer Einkaufsmarkt-Kette bewarb, bloß ein Kinderfoto von ihr beilegte, auf dem sie ein Paket "Omo"-Waschmittel hoch hält. Und dazu schrieb: "Wenn sie wissen wollen, was aus diesem Kind geworden ist, laden Sie mich ein." Sie bekam den Job. Später dann weitere. "Ich habe mit dem Auto ganz Deutschland bereist." Und eben: "Ich fahre sehr gern Auto." Das Auto wurde größer, das Gehalt auch. Aus der Zeit nahm sie einen Satz mit, der ihr Stehvermögen ausdrückt: "Wenn der Kunde Nein sagt, beginnt das Verkaufsgespräch erst." Ein anderer dieser Sätze: "Man muss auf den Impuls des Lebens hören." Oder: "Das Leben trägt."

Irgendwann gab es interne Veränderungen, Nanninga verlor den Job. Wieder änderte sie die Richtung. Sie wurde freiberufliche Trainerin, die bei verschiedenen Bildungsträgern Arbeitslose qualifizierte.

"Bei vielen dieser Menschen fiel mir auf, wie viel Stress sie hatten", sagt Nanninga. Deswegen absolvierte sie 2000/01 eine Zusatzausbildung für Stressbewältigung. Für die Abschlussarbeit wählte sie "Soziale Angst als Tabu" als Thema, orientiert an "Familie, Arbeit, Gesellschaft und Gesundheit". Das sind die vier Blätter des 2008 gegründeten "KleeBlatts". Den Begriff hat sie schon in der Abschlussarbeit verwendet.

Weil ihr späterer Ehemann aus dem Saarland kam, kehrte sie in dieser Phase zurück in die Region. Auch da heuerte sie als Trainerin bei verschiedenen Trägern an. Bis sich die Voraussetzungen änderten, Mitarbeiter mit anderen formalen Qualifikationen gesucht wurden, wie sie sagt. Krankheit kam hinzu, unterm Strich: Neuorientierung. Es klappte nach längerer Arbeitssuche wieder, diesmal als Beraterin im Bewerberzentrum beim Jobcenter in Saarlouis.

Nanninga (57) hat Zeiten von Arbeitslosigkeit, Krankheit und Existenzängsten erlebt. Sie sieht sich nicht anders als die bei KleeBlatt Ratsuchenden: "Jeder will ein eigenständiges Leben und Spaß daran. Das hat mit Glück zu tun, das ist die beste Stressprävention."