„Arbeitnehmer haben ein Recht auf Freizeit“

Saarlouis · Nicht nur Sigmar Gabriel fordert ein „Recht auf Feierabend“. Auch im Landkreis wollen die Menschen nach der Arbeit ihre Ruhe. Die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung halten viele jedoch für überzogen.

Ein "Recht auf Feierabend" fordert SPD-Chef Sigmar Gabriel - so stand es gestern auf der Titelseite der Saarbrücker Zeitung zu lesen. Mitarbeiter sollten nicht immer erreichbar sein müssen, dieser Dauerdruck mache krank, wie er betont. Während er aber den Gesetzgeber noch nicht in der Pflicht sieht, fordern die Gewerkschaften weiterhin ein Gesetz, das die Arbeits- und Freizeiten klar regelt. Wir haben gestern in der Saarlouiser Innenstadt Passanten befragt und sind weitestgehend auf die Meinung gestoßen, dass die Regelungen zwischen Arbeitgeber und -nehmer getroffen werden sollten.

"Mit gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften sollten wir vorsichtig sein, das hatten wir zu DDR-Zeiten, ich glaube, diese Zeiten liegen hinter uns", erklärt Winfried Pabst aus Wallerfangen . Er hat mit seinen Angestellten flexible Regelungen gefunden, wie er sagt. "Da muss nicht die Zeit abgesessen werden, wenn keine Arbeit da ist", erzählt er, fordert umgekehrt aber auch von seinen Mitarbeitern, dass bei viel Arbeit auch mal mehr Stunden geleistet werden müssen.

Ein solches "Agreement" zwischen Unternehmen und Mitarbeiter, erklärt Peter Johan aus Saarlouis , mache durchaus Sinn. "Natürlich haben Arbeitnehmer ein Recht auf Freizeit, doch ein Gesetz brauchen wir nicht, lieber vernünftige Lösungen für das jeweilige Unternehmen", sagt er.

Das kann Peter Michel aus Wallerfangen nur bestätigen. Er ist Inhaber eines Notdienstes, 365 Tage im Jahr erreichbar. "Und das gilt natürlich auch für die Mitarbeiter. Wir müssen flexibel sein, haben dafür aber auch oft Zeit für die Familie. Es kann immer das Telefon gehen, und wir müssen arbeiten", sagt er.

Einige negative Erfahrungen gemacht hat Antje Nauhauser aus Saarlouis , als sie noch im Einzelhandel gearbeitet hat. "Da hätte ich mir schon gewünscht, dass der Druck nicht so groß gewesen wäre". Diese Erfahrungen hat sie in das Praxisteam ihres Mannes mitgebracht, "und wir achten zusammen genau darauf, dass alle Mitarbeiter ihre Freizeit auch wirklich haben", sagt sie. Für kleine Unternehmen sieht sie keinen Bedarf, "in großen Unternehmen könnte ein Gesetz aber durchaus hilfreich sein".

Zufrieden mit der persönlichen Situation ist Marianne Koch aus Saarlouis . Sie kann, dank guter Organisation in der Klinik, in der sie arbeitet, ihre Freizeit und Pausen zum Tanken neuer Energie genießen. "Allerdings, das muss ich sagen, müssen unsere jüngeren Kräfte das Handy in die Pausen mitnehmen. Und ein Anruf während der freien Tage ist bei uns auch schon mal drin", erzählt sie. Koch findet es gut, "dass die Politik drauf schaut", sie ist selbst in der Gewerkschaft engagiert.

"Bei uns in der Bank werden die Mitarbeiter nach Feierabend in Ruhe gelassen und auch auf die Urlaubsplanung wird geachtet", erzählt Jörg Weber aus Saarlouis , der keine Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung sieht.

Seine eigenen Regelungen treffen muss der Mann von Sandra Haupenthal aus Düppenweiler. "Er ist selbstständig und hat eben nicht so viel Freizeit. Doch achten wir alle zusammen darauf, dass für die Familie Zeit bleibt, das Handy ausgeschaltet wird", sagt sie.
"Früher ging es doch auch"


SZ-Mitarbeiterin Carolin Merkel sprach mit Renate Dittgen, Geschäftsführerin von dittgen Bauunternehmen in Schmelz. Sie schließt sich der Meinung von Gabriel an. Von ständiger Rufbereitschaft hält sie nichts.

Frau Dittgen, denken Sie, dass Mitarbeiter immer erreichbar sein sollten?

Renate Dittgen: Der Aufruf von Sigmar Gabriel hat schon seine Berechtigung. Und im normalen Berufsalltag sollten sich eigentlich auch alle Vorgesetzten an diese Devise halten. Verlangt man von den Mitarbeitern ständige Rufbereitschaft, dann stimmt die Organisation oder das System nicht. Die Mitarbeiter sollten nach Dienstschluss abschalten können, das ist durch eine dauernde Rufbereitschaft nicht sichergestellt. Man steht dann dauernd unter Strom, weil man ständig nach neuen Mails oder verpassten Telefonanrufen schaut. Ich frage nur, wie war es früher, als es diese Kommunikationsformen noch nicht gab? Da ging es doch auch.

Wie halten Sie es in Ihrem Unternehmen, wo muss, soll es Ausnahmen geben?

Dittgen: Für unser Unternehmen gilt das gleiche, wie eben erwähnt. Natürlich muss in dringenden Fällen auch nach Feierabend noch ein Vorgesetzter erreichbar sein. Aber das ist ganz selten. Die unerwarteten Ereignisse passieren in der Regel bei uns über Tag, sodass dann genügend Gelegenheit besteht, zu reagieren. Ich persönlich werde abends praktisch nie gestört. In unserer Sparte Asphalt kann das schon eher der Fall sein, weil dort ablaufbedingt häufig Dinge kurzfristig entscheiden werden müssen. Auch, wenn wir an den Wochenenden arbeiten, weil das von den Auftraggebern so vorgesehen wurde, muss der zuständige Bauleiter immer erreichbar sein. Doch viele Dinge müssen nicht zwingend sofort erledigt werden. Das meinen viele aber. Meist genügt eine Mail, in der der Sachverhalt dargestellt wird und der zuständige Mitarbeiter meldet sich, wenn er Zeit hat.

Wie wichtig schätzen Sie Auszeiten für Mitarbeiter ein?

Dittgen: Auszeiten sehe ich eher kritisch. Die deutschen Arbeitnehmer verfügen in der Regel über 30 Tage Urlaub. Wenn dieser noch geschickt mit Feier- und Brückentagen kombiniert wird, kommen da einige Wochen Freizeit heraus. Das muss reichen, um sich von der Arbeit zu erholen. Der Mittelstand tut sich auch schwer damit, Auszeiten zu gewähren. Wer vertritt denjenigen, der eine Auszeit nimmt? Meist sind die Stellen so knapp besetzt, dass Mitarbeiter nicht noch Vertretungspositionen übernehmen können.Meine Herren, war das deutlich. Was wohl Unternehmer bei uns im Landkreis zu Sigmar Gabriels Vorstoß sagen, soll unsere Mitarbeiterin abfragen. Kurz nach Erteilung des Auftrags ruft sie frustriert zurück: außer Renate Ditttgen (siehe unten) in neun von zehn Fällen nur Ausreden und Absagen.

Ist wirklich ein Schelm, der Böses dabei denkt? Nein. Ich weiß zwar, dass Unternehmen nicht verpflichtet sind, der Zeitung Auskunft zu geben. Aber dass sie es verweigert haben, wirft kein gutes Licht auf sie. Mitarbeiter könnten auf die Idee kommen, den Personalchef bei nächster Gelegenheit an seine Aussage zu erinnern. Ich befürchte, dass das der Grund für die vielen Ausflüchte ist. Vergessen Sie also ihre Idee, Herr Gabriel.

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