„Nicht nur irgendwas für Senioren“

Rehlingen-Siersburg · Gleich drei Anlaufstellen finden sich beim Seniorentreff in Hemmersdorf. Im Awo-Stübchen herrscht immer reges Treiben, besonders aber am Mittwochmittag. Das gesellige Treffen ist mehr als nur Kaffeekränzchen.

 Engagiert für andere im Ort: In den zehn Ortsteilen der Gemeinde Rehlingen-Siersburg meldeten sich 2014 für das einjährige Projekt fast 40 Bürger als Anlaufstellen für Ältere. Sie bleiben ihrem Ehrenamt auch nach Projektende erhalten. Foto: Carolin Merkel

Engagiert für andere im Ort: In den zehn Ortsteilen der Gemeinde Rehlingen-Siersburg meldeten sich 2014 für das einjährige Projekt fast 40 Bürger als Anlaufstellen für Ältere. Sie bleiben ihrem Ehrenamt auch nach Projektende erhalten. Foto: Carolin Merkel

Foto: Carolin Merkel

So lange wie möglich selbstständig bleiben und zu Hause wohnen - das wünschen sich viele Ältere. Besonders im ländlichen Raum, wo die meisten ein Eigenheim haben und fest verwurzelt sind. Damit das möglich bleibt, auch wenn man nicht mehr alles selbst erledigen kann, gibt es inzwischen eine Menge Dienstleistungen und Unterstützung. Doch wer hat den Überblick über all diese Angebote und kennt sich aus?

Hier setzte das Bundesprojekt "Anlaufstellen für Ältere" an, für das die Gemeinde Rehlingen-Siersburg 2014 in Zusammenarbeit mit dem Landkreis ausgewählt wurde. In allen zehn Ortsteilen wurden Menschen gesucht, die schon viel mit anderen zusammenarbeiten, gut vernetzt sind und sich gut auskennen: Vereinsvorstände, Ortsvorsteher, sozial engagierte Bürger wurden zu Anlaufstellen, also zu Ansprechpartnern für insbesondere Ältere. Von der Organisation des Einkaufes bis zur Erledigung des Schriftverkehrs sollen sie unterstützen und beraten, im Sinne der Nachbarschaftshilfe, aber mit Profis im Hintergrund.

Gut vernetzt und engagiert

Frei nach dem Motto: "Man kennt einen, der einen kennt und der einem weiter hilft", beschreibt Christine Ney, Amtsleiterin für soziale Dienste und Einrichtungen, die das Projekt beim Landkreis koordinierte, den Gedanken dahinter. "Am Anfang stand eine Bestandsaufnahme: Was haben wir schon an Angeboten, Treffpunkten et cetera? Und was wird noch gebraucht? Und wie kann man auch die erreichen, die bisher noch nicht eingebunden sind?" Die Bestandsaufnahme zeigte: "Es gibt schon sehr viel in der Gemeinde, aber vielen ist das nicht bekannt."

Im Laufe der Gespräche wurde auch klar: "Das lässt sich nicht über eine zentrale Stelle regeln, sondern man muss niedrigschwellig arbeiten, mit vielen Akteuren", erinnert sich Ney.

Ein Logo als Ausweis

Die fanden sich: Eine feste Gruppe aus rund 40 Anlaufstellen erklärte sich bereit, mitzuwirken. Ein Aufkleber mit eigens entworfenem Logo weist die Ansprechpartner in den Ortsteilen aus.

Ein handfestes Ergebnis des Projektes ist eine umfangreiche Infomappe, die für jeden Ortsteil zusammengestellt wurde. Sie enthält neben Kontaktdaten von sozialen Diensten und Behörden Informationen zu allen Angeboten für Senioren im Ort und auch die Ansprechpartner mit Foto. Dazu finden sich allgemeine Infos zu Themen wie Pflege oder Behinderung.

Ein Problem, mit dem die Ansprechpartner immer wieder konfrontiert werden, nennt Ney "Wie komme ich zum Einkaufen oder zum Arzt? Ältere wünschen sich zur Mobilität aber oft auch eine Begleitung, das ist mehr als nur Transport." Mancherorts haben sich nun Fahrgemeinschaften gebildet.

"Der persönliche Kontakt zu den Anlaufstellen war das Wichtigste", fasst Bürgermeister Martin Silvanus zusammen. "Kümmerer" nennt er die engagierten Bürger deshalb auch. In vier Schulungen begleitete und unterstützte das Projekt deren Tätigkeit: Themen wie Depression im Alter, Versicherungsschutz im Ehrenamt oder Betreuungsrecht wurden mit fachlichem Rat untermauert, betont Ney. Auch "Fallbesprechungen" bot sie an, denn auch die Anlaufstellen können nicht alles wissen. "Und sie sollten sich auch nicht überfordern, auch abgrenzen können."

Bilanz am Ende positiv

Nach über einem Jahr Laufzeit konnte sie am Ende eine erfreuliche Bilanz ziehen: "Die Konzeptentwicklung mit hoher Bürgerbeteiligung hat sehr gut funktioniert", meint Ney. "Wir haben nicht irgendwas für Senioren entwickelt, sondern mit ihnen gemeinsam." Auch die Rückmeldung der Anlaufstellen sei durchweg positiv: "Viele sagen: ,Wir machen eigentlich das, was wir immer gemacht haben, nur hat es jetzt einen Namen.'"

Auch Silvanus ergänzt: "Wir haben das, was es schon gibt, noch gestärkt." Für ein Folgeprojekt flossen leider keine Bundesgelder mehr, bedauert Ney: "Wir wollten den Cap-Markt mit seinem Lieferservice in die Lebensmittelversorgung in den kleinen Orten einbinden. Das müssen wir dann eben an anderer Stelle umsetzen." Gleich drei Anlaufstellen finden sich in Hemmersdorf in der Pater-Nilles-Straße unter einem Dach: Denn hier sitzt nicht nur Ortsvorsteher Dietmar Zenner zu seinen Sprechstunden, sondern schon seit Jahrzehnten das Awo-Stübchen.

Ein umfangreiches Angebot bringt bei der Awo alle Generationen zusammen: Vom Eltern-Kind-Spielkreis über die Mädchengruppe und Spielenachmittage bis zum Seniorentreff. Kornelia Offholz organisiert seit Jahren hauptamtlich das Programm des Awo-Ortsvereins und sie ist auch selbst Hemmersdorferin - genau die richtige Anlaufstelle also.

Ein Riesenvorteil, sagt sie selbst: Als Awo-Mitarbeiterin kennt sie alle Angebote für Ältere, vom Hausnotruf über Bügelservice bis zu Freizeitangeboten.

Mittwochs immer volles Haus

Mittwochs ab 16 Uhr wird es laut und voll im Awo-Stübchen: Rund 25 Senioren, fast ausschließlich Damen zwischen 60 und 90 Jahren, kommen für mehrere Stunden zusammen, tauschen bei Kaffee und Kuchen die neuesten Nachrichten aus und machen auch ein bisschen Gymnastik.

Der Seniorentreff Hemmersdorf wurde 1980 gegründet, er entstand aus dem früheren "Hausfrauenturnen" und fand in den ersten Jahren sogar täglich statt, erinnert sich Christa Hirschauer, die sich seit über 40 Jahren in der Seniorenarbeit der Awo engagiert. Sie ist "die gute Seele des Seniorentreffs ", betont Offholz. Weil sie im Ort ohnehin jeder kennt und sie schon lange mit Älteren arbeitet, ist Hirschauer ebenfalls Anlaufstelle.

Und beim gut besuchten Seniorentreff immer dabei. Der ist übrigens viel mehr als nur Kaffeekränzchen; er bringt Ältere in Kontakt und holt sie aus ihrem oft einsamen Alltagstrott. Auch zum Frühstück treffen sich die Frauen regelmäßig, "wir machen alle Traditionen mit, vom Heringsessen über Kirmes bis Weihnachtsfeier", berichtet Hirschauer, Geburtstage werden gemeinsam gefeiert. Reihum versorgt eine der Helferinnen den Treff mit selbstgebackenem Kuchen.

Aus dem früheren Turnen wurde Bewegung im Sitzen, Motorikübungen, Gedächtnistraining - "was jeder noch mitmachen kann", erklärt Hirschauer.

Als offizielle Anlaufstellen nehmen sich die Drei nicht besonders wahr: "Wir sind noch ein Dorf, in dem jeder jeden kennt", meint Ortsvorsteher Zenner, "wir sehen das nicht so offiziell, auch vorher hat man uns gefragt. Man merkt das gar nicht." Als Ortsvorsteher macht er auch die üblichen Gratulationsbesuche zu Altersjubiläen: "Da sieht man auch schon mal, wie die Leute leben, ob noch Familie da ist, die sich kümmert.

Der erste Schritt fällt schwer

Und man spricht sie auch mal an, ob sie nicht auch zum Seniorentreff kommen wollen", berichtet Zenner.

"Der erste Schritt fällt vielen schwer", bestätigt Hirschauer. Aber wenn sie mal da sind, bleiben sie.

"Anleitung zur Selbsthilfe" sollen die Anlaufstellen bieten, damit Ältere Menschen sich möglichst lange selbst in den eigenen vier Wänden versorgen können. "Das klappt in Hemmersdorf gut", findet Zenner. Es gibt zwar keinen Lebensmittelladen mehr im Ort, aber eine Bäckerei und mehrere Verkaufsautos, die durch die Straßen fahren. "Viele organisieren sich zum Einkaufen fahren auch untereinander", erzählt Zenner. "Das geht schon gut. Und man kann so etwas auch nicht verordnen, nur vermitteln."

 Dietmar Zenner, Cornelia Offholz und Christa Hirschauer (vorne, von links) sind drei der Anlaufstellen. Sie finden sich zum Beispiel beim Seniorentreff im Awo-Stübchen Hemmersdorf. Foto: Thomas Seeber

Dietmar Zenner, Cornelia Offholz und Christa Hirschauer (vorne, von links) sind drei der Anlaufstellen. Sie finden sich zum Beispiel beim Seniorentreff im Awo-Stübchen Hemmersdorf. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Zum Thema:

Auf einen Blick: Die Anlaufstellen in der Gemeinde Rehlingen-Siersburg :Biringen: Bertold Theobald, Elisabeth Heblich, Rolf Klein.Eimersdorf: Joachim Stein.Fremersdorf: Herr Backes, Ruth Helling, Alfred Scholtes.Fürweiler: Roman Kerber, Maria Göhl, Rosemarie Magar.Gerlfangen: Reinhold Kerber, Thomas Hoffmann, Renate Kowalik, Heike Mansion, Horst Schneider.Hemmersdorf: Dietmar Zenner , Bernadette Pink, Bernd Jacob, Kornelia Offholz, Christa Hirschauer, Peter Metzdorf.Niedaltdorf: Stephan Schaaf, Schwester Michaele, Peter Schütz, Rainer Petry, Margitta Schönberger, Wilbert Hilt. Oberesch: Hannelore Muller, Klara Dillschneider, Cornelia Silvanus.Rehlingen: Alma Schwarz, Ferdinand Kappenberg, Bodo Dittlinger, Almuth Henz. Siersburg: Frau Jungmann, Hedi Steinhauer, Helene Kirsch.

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