„Jede Lösung wirft ein anderes Problem auf“

Rehlingen-Siersburg · 150 Bürger kamen zur Podiumsdiskussion in die Niedtalhalle. Gemeinsam mit Experten diskutierten sie über pro und contra von Windkraftanlagen.

So viel vorweg: Frieden ist in Rehlingen-Siersburg immer noch nicht wieder eingekehrt. Daran konnte auch die Podiumsdiskussion am Donnerstagabend nichts ändern. Seit Wochen gibt es in der Gemeinde Streit. Die Ausweisung einer potenziellen Konzentrationsfläche für Windkraft auf dem Königsberg sorgt für hitzige Debatten. Gegner haben sich in einer Bürgerinitiative organisiert. Doch das Projekt hat auch Befürworter.

Um Druck aus der Debatte zu nehmen, hatte Bürgermeister Martin Silvanus zu einer Podiumsdiskussion in die Niedtalhalle eingeladen. Besetzt war diese mit Buchautor Uwe Anhäuser, dem Vorsitzenden des Naturschutzbundes (Nabu) Saarland, Ulrich Heintz, Hermann Guss vom Institut für Zukunfts-Energiesysteme (IZES), Angélique Maaß, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, und als Moderator Mathias Winters von der Saarbrücker Zeitung. Gut zwei Stunden informierten und argumentierten die Teilnehmer. Von den etwa 150 Zuhörern aus dem Publikum gab es immer wieder Fragen und Anregungen. Zu einer Annäherung der Parteien kam es allerdings nicht.

Schon bei der Vorstellungsrunde wetterte Anhäuser: "Windräder dürfen hingestellt werden, wo man nicht mal die Genehmigung für eine Würstchenbude bekommen würde." Er forderte die Gemeinde auf, ihre wertvolle Natur nicht mit Windanlagen zu zerstören. "Es geht um die Energieversorgung, nicht um Freizeitspaß", erklärte hingegen Heintz. Er sagte, dass er zurzeit keine Alternative zur Windkraft sehe.

Auch ein Blick ins Publikum machte die Fronten deutlich. Neben Bürgern saßen dort vor allem Mitglieder des Gemeinderates, Naturschützer und Vertreter der Initiative Gegenwind Saarland. Zu dieser gehört auch Christel Ehre. Sie erwähnte die sogenannte 10-H-Regelung. Diese gilt seit 17. November 2014 in Bayern und legt fest, dass der Abstand eines Windrads von Wohnungen mindestens zehn Mal so weit sein muss, wie die Anlage hoch ist. Bei einem 200 Meter hohen Windrad wären das 2000 Meter. "Warum setzt sich der Bürgermeister hier nicht für einen solchen Beschluss ein?", wollte Ehre wissen und erntete dafür Applaus aus Reihen der Bürgerinitiative (BI). Maaß beantwortete diese Frage mit einem Satz: "Die 10-H-Regelung ist Landessache, da kann die Gemeinde nichts tun."

Später in der Debatte erläuterte Daniel Bauer, Mitglied der CDU im Gemeinderat, er habe mit einem Zirkel Kreise um die einzelnen Ortschaften gezogen. Und er habe dabei festgestellt, dass - bei einem Abstand von 800 Metern - ohnehin kaum geeignete Flächen für Windanlagen in Rehlingen-Siersburg mehr übrig bleiben würden. Seiner Meinung nach sei es daher nicht nötig, überhaupt eine Konzentrationsfläche auszuweisen. An dieser Stelle ergriff Bürgermeister Silvanus persönlich das Mikrofon. Er stellte klar, dass man mit einem Abstand von 500 Metern rechnen müsse und daher in der Gemeinde mehr als 20 Flächen infrage kämen. "Wenn wir eine Konzentrationsfläche haben, dann ist nur dort der Bau von Windrädern möglich." Silvanus betonte, dass auf dem Königsberg noch lange keine Anlagen stehen. "Wir sind Eigentümer des Waldes. Wenn wir sagen, wir verfolgen im Hinblick auf die Nutzung des Areals andere Pläne und stellen daher diese Waldfläche nicht zur Verfügung, dann haben wir kein Windrad in der Gemeinde." Um die Kontrolle zu behalten und einen Wildwuchs von Anlagen zu verhindern, sei es daher das Beste, eine Konzentrationsfläche auszuweisen.

Mehrere Bürger trugen Kritik und Ängste hinsichtlich der Artenvielfalt vor. Michael Grittmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) interessierte, ob es trotz Bau von Windrädern Möglichkeiten gibt, die Tiere zu schützen. "Man kann zum Beispiel Abschaltzeiten einführen, wenn besonders viele Vögel unterwegs sind", sagte Heintz. Eine weitere Option sei es, Flächen unterhalb der Windräder so zu gestalten, dass sie für Vögel nicht mehr zum Jagen geeignet sind. Etwa indem man sie dicht bepflanze. "Unter dem Gewächs können die Vögel keine Mäuse erkennen." Heintz wies die Zuhörer auch darauf hin, dass der Mensch bereits einige Infrastrukturen geschaffen hat, die sich negativ auf die Artenvielfalt auswirken. Bei Windkraftanlagen gebe es immerhin viele Maßnahmen, um die Tiere zu schützen.

Auch Nadine Niewel sprach sich für den Bau von Windrädern aus. "Sie wollen keine Atomkraftwerke, weil sie zu gefährlich sind. Sie wollen kein Biomassezentrum, weil es stinkt. Sie wollen keine Windräder, weil sie die Natur zerstören", monierte die Frau aus dem Publikum. "Was sind denn die Alternativen?" Die Fließgeschwindigkeit von Flüssen zu nutzen, Gaskraftwerke zu bauen und vor allem Strom einzusparen, schlug Anhäuser vor. Mehr zu forschen, um neue Möglichkeiten zur Energiegewinnung zu entdecken, ergänzte Maaß. Dem widersprach Guss. "Es wurde genug geforscht. Es sind Alternativen bekannt", sagte er. Jetzt sei es an der Zeit, sich über diese Alternativen zu unterhalten. Abzuwägen, welche die beste ist. Ähnlich formulierte es Heintz: "Jede Lösung zur Energiewende wirft ein anderes Problem auf." Miteinander zu diskutieren, wie es in Rehlingen-Siersburg geschehen würde, sei der richtige Weg.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort