SZ-Museumsserie „Dann gehen wir gerade noch in die Steinzeit“

Hemmersdorf · Das Heimatmuseum Hemmersdorf präsentiert Sehenswertes von der Vor- und Frühgeschichte über Antike und Mittelalter bis hin zur Neuzeit.

 Johannes Monter demonstriert die Funktion eines Göppelwerkes, einer Anlage auf die das Museum besonders stolz ist.

Johannes Monter demonstriert die Funktion eines Göppelwerkes, einer Anlage auf die das Museum besonders stolz ist.

Foto: Johannes A. Bordwing/Johannes A. Bodwing

„Dann gehen wir noch gerade in die Steinzeit.“ Norbert Bettinger führt vorbei an alten Waffeleisen und einem großen Webstuhl in die Abteilung für Früh- und Vorgeschichte im Obergeschoss des Hemmersdorfer Heimatmuseums. „Das war hier der Anfang der Geschichte“, sagt der Vorsitzende des Museumsvereins über den Ursprung menschlicher Kultur. In Hüfthöhe stehen Vitrinen mit Werkzeugen aus Stein. In meterlangen Schaukästen hängen uralte Angelhaken, Pfeilspitzen und Steinklingen. Die ältesten Stücke seien um die 120 000 Jahre alt, ergänzt Museumsmitglied Johannes Monter.

Bei Geologie und Fossilien legt Monter noch ein paar hundert Millionen Jahre drauf. Beispielsweise die versteinerten Ammoniten, Trilobiten und der Rippenknochen einer etwa drei Meter langen Flossenechse (Nothosaurus). Auf fünf Quadratmetern sind sie Teil eines fossilen Meeresbodens. Um die 250 Millionen Jahre alt, sagt Monter. Denn der Saargau trägt den Boden des Muschelkalkmeeres. Das bedeckte die Region während der Trias-Zeit, als das Saarland wesentlich näher am Äquator lag. Überreste der Besiedlung um Christi Geburt in Hemmersdorf und Umfeld sind in einer weiteren Vitrinenwand angeordnet. Darunter römische Münzen, Mosaike und Fensterglas, Klingen von Merowingern und ein bronzezeitliches Brandgrab.

Entstanden ist das Hemmersdorfer Heimatmuseum aus einer Idee der Familie Engelbert Cawelius. Nachdem sie 2004 die Landwirtschaft aufgegeben hatte, sammelte sie hinter dem Haus Geräte aus Landwirtschaft und Alltag. Das ergänzten später archäologische Sammlungen der Gründungsmitglieder Johannes Monter und Hubert Regnery. Von ihnen sind auch Leihgaben aus Haushalt, Handwerk und Landwirtschaft. Hinzu kamen im Laufe der Jahre geschenkte, geliehene und zugekaufte Stücke.

Träger der Einrichtung ist seit April 2006 ein eingetragener Verein. Er hat heute etwa 160 Mitglieder. Finanziert wird die Arbeit aus Beiträgen, Spenden und Veranstaltungen. Bei größeren Arbeiten hilft immer wieder die Gemeinde Rehlingen-Siersburg mit. Wie viele Objekte inzwischen ausgestellt werden, können die Betreiber nicht mehr genau sagen. Aus 2011 weiß man noch von etwas mehr als 20 000.

Zu den größeren Terminen im Jahr gehören ein Antikmarkt sowie ein „Museumspädagogischer Tag für Kinder“. Auch Schulklassen finden hier Möglichkeiten, sich praktisch auszuprobieren. Eine Besonderheit ist die experimentelle Archäologie. Dabei probieren vor allem Kinder alles aus, was in der Steinzeit Verwendung fand. So erhöht eine hölzerne Speerschleuder die Wurfgeschwindigkeit und Energie beim Auftreffen. Löcher in Steine bohrten Menschen der lokalen Steinzeit mittels Holzstäben. „Das muss aber Holunder sein“, sagt Monter für die hiesigen Verhältnisse. „Und der muss feucht sein, sonst entsteht so viel Hitze, dass es zu Brennen anfängt.“

Auf den Außenflächen sind unter anderem eine Feldschmiede, ein Brotbackofen und eine Imkerei nutzbar. Aber auch Mühl- und Schleifsteine. Die gute alte Zeit war kein Zuckerschlecken, macht das Heimatmuseum Hemmersdorf deutlich. Andererseits zeigt es den Einfallsreichtum früherer Generationen. So wurde aus der Spitze eines Tannenbaums und den Stummeln der obersten Zweige ein simpler Sahnequirl. Dann musste nur noch jemand die obere Hälfte schnell und ausdauernd zwischen den Handflächen drehen.

Neben einer meterlangen Nachbildung des früheren Hemmersdorfer Kalkwerkes bleibt Monter vor dem Modell eines Lothringerhauses stehen. Und wieder sprudeln seine Kenntnisse. Auf dem Speicher war das Heu untergebracht, erzählt er. Im Winter funktionierte es als Dämmung. Im Sommer durfte es nicht feucht sein, da es sich sonst selbst entzünden konnte. Deshalb waren sogenannte Lutlöcher oben in der Fassade zur Durchlüftung. „Zwei Lutlöcher, das war ein armer Bergmann“, erzählt Monter. „Wer vier und mehr hatte, der war schon ein recht reicher Bauer.“

Einer der Webstühle ist eine Rekonstruktion. Frühere Kulturen hatten ihn aus krummen Hölzern senkrecht aufgestellt. Eine spätere Variante stammt aus einem Kloster bei Köln, sagt Geschäftsführer Walter Steinhauer. „Etwa von 1800 bis 1850.“ Darin liegt der Webstuhl waagerecht in einem Rahmen aus dicken Kanthölzern. Stolz sind die Museumsmacher auf ihr Göppelwerk. Aus Lothringen ist es, vier Zentner schwer, und es soll gut 200 Jahre alt sein. „Das wohl einzige funktionsfähige im Saarland“, sagen Bettinger und Monter. Esel, Ochsen oder Pferde sorgten für den Antrieb. Breite Treibriemen übertrugen die Energie auf Maschinen wie Mahlwerke, Sägen, Bohrer und Schleifsteine. 44 alte Handwerke sind derzeit im großen Eventraum im Obergeschoss ausgestellt. Der wurde 2009 eröffnet. Dort finden sich nun Berufe vom Buchbinder über Messing- und Kupferschmied bis Glasmacher und Schreiner. Um die 100 Jahre alt ist die aufgebaute Brillenschleiferei mit Elektromotoren und Keilriemen. Einen Zahn zulegen konnte man früher in der Küche, erklärt Bettinger. Dort hing ein langes flaches Gusseisen über dem Feuer, gezahnt wie ein Sägeblatt. Mittels Öse war ein Wassertopf befestigt. „Sollte das Wasser schneller heiß werden, hängte man es einfach ein paar Zähne tiefer.“

Die neue Saison im Hemmersdorfer Heimatmuseum beginnt am Sonntag, 14. April, ab 14 Uhr, mit einem Kaffeeklatsch. Am Sonntag, 2. Juni, findet ab 10 Uhr der Antikmarkt statt. Der museumspädagogische Tag für Kinder ist in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Rehlingen-Siersburg am Mittwoch, 24. Juli.

Alle Serienteile, die bisher erschienen sind, finden sich im Internet.

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