Eine Ortsvorsteherin mit Leib und Seele

Rehlingen · Alma Schwarz ist seit dem Jahr 2004 Ortsvorsteherin von Rehlingen. Müßiggang ist für die 80-Jährige allerdings keine wirkliche Option.

 Alma Schwarz geht in ihrem Amt als Ortsvorsteherin auf und ihre Motivation reißt auch andere mit. Foto: Thomas Seeber

Alma Schwarz geht in ihrem Amt als Ortsvorsteherin auf und ihre Motivation reißt auch andere mit. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Einfach mal nichts tun? Für Alma Schwarz ein Schreckensszenario. "Wenn ich zu lange im Bett liege, bekomme ich immer Kopfschmerzen." Je voller der Terminkalender, desto besser ist ihre Laune. "Mein Amt macht mir sehr viel Spaß. Dadurch kenne ich fast jeden im Ort - inklusive seiner Stärken und Schwächen. Aber über Menschen zu meckern, ist nicht mein Ding."

Alma Schwarz ist 80 Jahre alt und Ortsvorsteherin. Seit 2004 kümmert sie sich um die großen und kleinen Probleme der Rehlinger. "Ich sehe in den Menschen das Gute und gehe immer wieder auf sie zu." Wie sehr ihre Mitbürger diese Einstellung schätzen, zeigt ein Blick in Schwarz' Wohnzimmer. Überall stehen Blumen. Schachteln mit Pralinen stapeln sich auf dem Schrank. Es sind die Überbleibsel einer großen Party. Am 26. April hat die Seniorin Geburtstag gefeiert. "Es war ein tolles Fest", sagt sie, "mit über 200 Gästen, bis nachts um 3 Uhr."

Zum Ausruhen hatte Schwarz anschließend keine Zeit. "Ich musste morgens die Blumenkübel an den Ortsschildern bepflanzen." Die hat sie gleich zu Beginn ihrer Amtszeit anbringen lassen. Im Sommer fährt sie jeden Tag zweimal vorbei. Zuerst geht's zum Friedhof, Wasser holen, danach weiter zum Gießen. Auch sonst ist jede Minute verplant: Ortsrat, Gemeinderat, Ehrungen und Versammlungen. 20 Vereine gibt es in Rehlingen - und die Rentnerin ist in fast jedem Mitglied. Besonders die Frauen-Gymnastikgruppe liegt ihr am Herzen. In die ist sie 1950 eingetreten, hat zunächst die Kinder, dann die Jugend trainiert. Von 1970 bis 2013 hält sie die Frauen in drei Orten fit. "Ich habe viel Sport getrieben und brauche bis heute keine Medikamente."

Dass sie bei all den Verpflichtungen kaum Zeit für sich hat, ist für die Powerfrau kein Problem. Harte Arbeit ist sie von Kindheit an gewöhnt. Nach der Schule beginnt Alma Schwarz eine Lehre zur Friseurin, bricht diese aus gesundheitlichen Gründen ab. Ihre Mutter - selbst Schneiderin - schickt sie in die Nähschule nach Dillingen. Doch das Geld der Familie ist knapp und so landet Schwarz in der Fabrik von Villeroy und Boch in Mettlach. Sie erinnert sich gerne an diese Zeit, in der sie auch ihren Mann Klaus kennenlernt. 1957 heiraten die beiden, bekommen drei Söhne, bauen ein Haus in der Willemstraße in Rehlingen und ziehen dort 1961 ein. Bei der Kindererziehung ist Schwarz größtenteils auf sich gestellt. Klaus arbeitet als Stuckateur in Berlin, ist oft nur an den Wochenenden zu Hause. 13 Jahre lang kümmert sie sich zudem um ihre schwer kranke Schwester. Beschwert hat sie sich nie. "Das Leben hat seine Ecken und Kanten. Daran kommt keiner vorbei. Manchmal muss man sich sagen: Das ist jetzt halt passiert und damit muss ich fertig werden." Statt zu jammern, reist Schwarz.

Sie war in Griechenland, Ibiza, Fuerteventura und Mallorca, hat Los Angeles und Hawaii besucht. Mit einem Bus tourte sie 3000 Kilometer durch Neuseeland - für Schwarz der "schönste Fleck auf der Erde". Außerdem hat sie China und Kanada gesehen. Oft war sie mit ihrem Mann unterwegs, noch öfter mit Freundinnen. "Klaus konnte wegen seines Berufes nicht immer mit. Aber er hat gesagt, wenn du verreisen willst, dann mach es. Er hat mich immer unterstützt."

Auch bei der politischen Karriere. "Mein Vater war acht Jahre lang im Krieg. Da wurde kein Ton über Politik gesprochen." Erst durch die Familie ihres Mannes findet Schwarz Gefallen an der SPD. "Das Wort Sozialdemokrat war für mich ausschlaggebend: Schwachen Menschen zu helfen", erklärt sie. 1984 beschließt sie, der SPD beizutreten. Weiter engagieren wollte sich Schwarz nicht. "Ich hatte damals andere Dinge zu tun." Das ändert sich gut zehn Jahre später. "Die Kinder waren aus dem Haus, mein Mann in Berlin und ich habe mich gelangweilt." Also geht die Seniorin zur SPD-Mitgliederversammlung. Ehe sie sich versieht, wird sie Beigeordnete, sitzt im Gemeinde- und im Ortsrat. 1998 fragen ihre Parteikollegen, ob sie nicht Ortsvorsteherin werden möchte.

"Ich habe gesagt, ihr seid nicht ganz fix. Das mache ich nicht." Doch über Weihnachten steht ihr Telefon kaum still. Freunde, Nachbarn, Bekannte - sie alle wollen Schwarz überzeugen, sich zur Wahl zu stellen. 1999 tritt sie an - und verliert mit zehn Stimmen gegen den CDU-Kandidaten. Fünf Jahre später versucht sie es erneut. Sie gewinnt: Als erste Frau und als erste Sozialdemokratin ist sie an der Spitze Rehlingens.

"Ich glaube, seit diesem Tag gab es im Dorf kein Fest, auf dem ich nicht anwesend war", sagt Schwarz. Das kommt ihr bei ihrem größten Projekt zugute: Der Erneuerung des Festplatzes im Rohrwald. Dazu ruft sie alle Vereinsvorsitzenden zusammen und bittet sie um Unterstützung. Anschließend bewirbt sich Schwarz bei der Aktion Tatort Dorfmitte, gewinnt einen Zuschuss von 3000 Euro. Als im Jahr 2007 die Bauarbeiten beginnen, helfen tatsächlich alle mit. "Manchmal haben wir mit 45 Leuten dort gearbeitet. Bürgermeister und Verwaltung, der Bauhof und alle Vereine haben Hand angelegt. Ich bin ihnen dafür wirklich dankbar." Auch ihr Mann verbringt viele Stunden auf der Baustelle. "Der Rohrwald hat ihm sehr viel bedeutet. Selbst kurz vor seinem Tod vor sechs Jahren hat er noch davon gesprochen. Es war sein Lieblingsort."

Umso mehr hofft die Rentnerin, dass der Festplatz noch lange bestehen wird, auch wenn sie mal keine Ortsvorsteherin mehr ist. "Ob ich 2019 noch einmal antrete, weiß ich noch nicht." Alma Schwarz will abwarten und schauen, was ihr das Leben noch bringt. "Ich bin im letzten Drittel angekommen, aber ich denke immer: Solange der da oben mich nicht ruft, so lange bin ich hier." Und so lange will Schwarz möglichst viel Zeit mit ihren sechs Enkeln und zwei Urenkeln verbringen. Außerdem möchte sie sich noch einen Traum erfüllen: "Dubai geht mir nicht aus dem Kopf. Da würde ich gerne noch hin." Sich etwas Ruhe zu gönnen, kommt für sie nicht in Frage. "Das liegt in den Genen. Meine Mutter war genauso. Ich habe da von Natur aus ein großes Plus: Ich brauche fast keinen Schlaf. Höchstens fünf Stunden."

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