Den Ausweis schmeißt keiner weg

Saarlouis. "Die haben den Leuten einen schlechten Dienst erwiesen, die auf eine Organspende angewiesen sind", dachte sich Sabine Mailänder aus Völklingen spontan, als sie von den Vorfällen hörte. An den Uni-Kliniken in Göttingen und Regensburg sollen Ärzte in über 20 Fällen Patientendaten gefälscht haben, um ihnen bevorzugt Spenderorgane zu verschaffen

Saarlouis. "Die haben den Leuten einen schlechten Dienst erwiesen, die auf eine Organspende angewiesen sind", dachte sich Sabine Mailänder aus Völklingen spontan, als sie von den Vorfällen hörte. An den Uni-Kliniken in Göttingen und Regensburg sollen Ärzte in über 20 Fällen Patientendaten gefälscht haben, um ihnen bevorzugt Spenderorgane zu verschaffen. "Es ist schlimm, dass andere Patienten deshalb auf der Liste nach hinten gerutscht sind", findet die 49-Jährige, "die Verantwortlichen müssen hart bestraft werden."Bestimmt seien Ängste bei potenziellen Spendern entstanden, meint Tina Hessek, 26, aus Saarlouis, aber sie vermutet, dass die nicht von langer Dauer sein werden: "Wenn erst einmal Gras über die Sache gewachsen ist, werden auch die Ängste verschwinden. Wer spenden will und bereits einen Ausweis hat, wird den sicher nicht zurückgeben." So wie Mailänder. "Ich habe schon lange einen Organspende-Ausweis und werde ihn auch behalten", sagt sie.

Auch Dennis Brandt aus Saarlouis hat einen Organspende-Ausweis und wird ihn trotz der Vorfälle behalten. "Es ist schon ein schlechtes Gefühl", sagt der 28-Jährige zu den Unregelmäßigkeiten, "aber die Hauptsache ist, dass meine Organe jemandem zugutekommen, der sie braucht, wenn es soweit ist."

Romena Kallenborn aus Nalbach, 26, hingegen ist sehr verunsichert. Sie dachte bereits darüber nach, Organspenderin zu werden, zögert jetzt aber: "Meine Organe sollten die bekommen, die sie dringend brauchen, nicht die, die noch Zeit hätten." Das sei "sicher kein Einzelfall", meint sie und mahnt zu schärferen Kontrollen.

Jannika Gier, 20, aus Rehlingen-Siersburg, hat keinen Organspende-Ausweis, überlegt aber "ernsthaft, mir einen zuzulegen". Gier: "Ich finde es unmöglich, dass Daten gefälscht wurden, aber das ist trotzdem kein Grund, sich ab jetzt gegen einen Ausweis zu entscheiden."

Anna Colbus, 20, ebenfalls aus Rehlingen-Siersburg, hat keinen Organspende-Ausweis. Ihrer Meinung nach "ist das Schlimmste am Organspende-Skandal, dass er genau das kostet, was für die Bereitschaft zur Organspende unabdingbar ist, nämlich das Vertrauen". Und auch Heidrun Dietz, 52, aus Wallerfangen, die keinen Ausweis hat, sagt: "Ich finde es sehr bedauerlich, was da passiert ist."

"Die Reichen haben etwas abbekommen, und wer weniger hat, muss warten", sagt Irmgard Theobald, 62, aus Bliesen. Ihr Mann hat ein Spenderorgan erhalten. Der Skandal sei vermutlich bloß von Einzelnen ausgegangen. "Trotzdem bin ich misstrauisch geworden", sagt sie. Herbert Petersen hält das System nach wie vor für glaubwürdig. "Ich glaube nicht, dass der Vorfall die Spender beeinflusst", sagt der 77-Jährige aus Wadgassen. "Aber die Schuldigen müssen verurteilt werden."

Auch Herbert Morguet glaubt nicht, dass die Spendenbereitschaft zurückgeht. "Mein Schwager ist seit Jahren schwer krank", erzählt der 53-Jährige aus Bouzonville. "Er braucht in den nächsten Monaten eine neue Lunge." Auch wegen dieser persönlichen Dimension sieht er in den Vorfällen einen schweren Vertrauensbruch. Ob das Vertrauen wieder hergestellt werden könne - und wie? Da zögert Morguet lange. Sicher ist er sich nicht.

Meinung

Kein Argument

gegen Spenden

Von SZ-RedakteurMathias Winters

Gegenfrage an den Gesprächspartner ohne Organspende-Ausweis in der Tasche: "Wollen Sie im Zweifelsfall, dass Ihr Leben mit einem gespendeten Organ gerettet wird?" Annähernd alle antworten ja. Den Tipp, es so zu versuchen, wenn ich mal wieder für die Organspende werben will, habe ich von einer jungen Frau. Die hatte mich übrigens völlig überrascht angesehen, als ich sie nach dem orange-blauen oder auch im schwarz-weißen Computerausdruck gültigen Dokument gefragt hatte. "Selbstverständlich" habe sie den Ausweis.

Auch ich finde es extrem schlimm, dass mit Spenderorganen Schindluder getrieben worden ist. Argument gegen den Spenderausweis in Geldbeutel oder Handtasche darf der Skandal aber nicht sein.

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