Wenn die Schulen bunter werden ...

Saarlouis. Die Grundschule Folsterhöhe hat sie, das Hochwaldgymnasium Merzig, die Grundschule Reinheim: die Farbe Rot. In Nalbach "badet" sogar eine ganze Turnhalle in Rot-Glut. Superb! Aber Gelb hat ebenfalls Konjunktur, wenn Saar-Architekten zu Lernkultur-Mitgestaltern werden

Saarlouis. Die Grundschule Folsterhöhe hat sie, das Hochwaldgymnasium Merzig, die Grundschule Reinheim: die Farbe Rot. In Nalbach "badet" sogar eine ganze Turnhalle in Rot-Glut. Superb! Aber Gelb hat ebenfalls Konjunktur, wenn Saar-Architekten zu Lernkultur-Mitgestaltern werden. Und mit dieser "warmen" Farbwahl liegen sie goldrichtig, sagt der Architekturpsychologe Professor Christian Rittelmeyer im Katalog zur Saarlouiser Ausstellung "Neue Schulen für neues Denken". Architektenkammer und Kultusministerium veranstalten diese stolze "Leistungsschau": Seht her, so bunt, so zeitgemäß geht es zu in Saarlands Schulen. In den Räumen der Kaserne VI begegnet man allen 44 hiesigen Projekten des Bundes-Investitionsprogramms "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB). Elf werden ausführlicher gezeigt; laut einer Jury-Entscheidung besitzen sie Vorbildfunktion. Doch alle 44 stellen sich selbstbewusst den Qualitäts-Kriterien für "ästhetische Lern-Landschaften", die Rittelmeyer darlegt. Schüler-Befragungen ergaben seine Standards. Verkürzt lautet die Botschaft: Gestaltet Schulen so, als wären sie Partner der Schüler: dialogbereit, warmherzig, heiter, anregend. Also weg mit seriellen Fenster-Reihen, sich wiederholenden Fluren, kurzum mit der früher häufigen "Klinik- und Knast"-Anmutung, aber weg eben auch mit "bedrängenden" grellen Farben, die Kinder angeblich so lieben. Weg auch mit zu viel Verspieltheit: Beides läuft dem Wunsch nach "freiheitlichem" Empfinden zuwider. So weit die Empirie, die sich vor Ort überprüfen lässt: anhand von Modellen, die Kinder der Schlosspark-Schule in Völklingen-Geislautern unter Anleitung der Kunstschule Kassiopeia gebastelt haben. Wäre es bei der Umgestaltung von Schulbibliotheken nach den Schülern gegangen, bekämen die Regale Entenfüße und die Sitzgelegenheiten wandelten sich in barock ausladende Kuschel-Sofas. Freilich, die Verwirklichung dieser kindlich- organischen Formen-Welt forderte wohl das Genie eines Frank O. Gehrys und mehr als die 59 Millionen Euro, die im Rahmen des IZBB-Programmes in den Saar-Schul-Neu- und Umbau flossen. Den Neuzugängen begegnen wir anhand von Plänen und auf klassischen Architekturfotos: kühl-dokumentarisch, menschenleer. Ausgeschlossen bleibt der Schulalltag, wie schade.So erinnert das Ganze an ein Fach-Exerzitium, mag sich manches dem Laien auch schnell vermitteln. Etwa die fröhliche Physiognomie der Turmschule in Dudweiler (Büro Stolpe + Ruck), deren Fensterrahmen zu hüpfen scheinen oder die meisterlich ausgeklügelte Farb-Ästhetik der Grundschule Nalbach (Alt & Britz). Doch manchen Jury-Favoriten umschwirrt ein Fragezeichen. Ist die gelungene, harmonische Fortführung des Bestandes der Theeltalschule Lebach in einem Pavillon (Architekt Herbert Kiefer) nicht doch zu "cool" geraten? Wirkt die Grundschule Scheidt (Architekt Thomas Hepp) mit ihrem zeitgenössischen Chic nicht fast ein wenig abweisend? Zwang zu höchster Funktionalität und Kostenbewusstsein, "drücken", wie es scheint, doch viele Projekte. Und wer weiß, wie Saarlands Schulen aussähen, würde man die Schulbau-Richtlinien lockern? Neue Schulen für neues Denken (Architektur im Grenzbereich). Bis 3. Oktober; Alte-Brauerei-Straße, Kaserne VI, Mo-Fr: 10 bis 17 Uhr; Sa/So: 14 bis 17 Uhr; 17.9., 24. 9. (19 Uhr): Werkberichte; 1.10. Symposion.Meinung

Vermisst: die Lebensnähe

Von SZ-Redakteurin Cathrin Elss-Seringhaus Wen ginge Schule nicht an? Außer Lehrern und Schülern auch Großeltern, Caterer, Handwerker. Eben deshalb hätte man gerade dieser Ausstellung ein anderes als das streng architekturkritische Format gewünscht. Mehr Lebensnähe! Warum keine Alltags-Szenen, Kinder- und Lehrer-Stimmen, dokumentiert auf Video-Einspielungen? Doch für eine solch weit aufwendigere Konzeption hätte man einen Profi-Ausstellungsmacher gebraucht. Von den Architekten, die mit ihrer fabelhaften Reihe "Architektur im Grenzbereich" bereits über die Maßen Engagement zeigen, lässt sich das nicht einfordern. Institutionen-Teamwerk hätte geholfen. So leidet eine Super-Idee an mangelnder Popularität.

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