Was wurde aus Bilsdorfs Senatorin in Berlin?Manche Saat trägt in der Politik erst nach 20 Jahren ihre FrüchteEin illustrer Kreis von Senatorinnen

Berlin/Bilsdorf. Die Frau war eine Sensation! Im Januar 1989 hatte Berlin Rot-Grün gewählt und vor genau 20 Jahren am 17. März übernahm erstmals eine Frauenrechtlerin das hochrangige Ressort einer Senatorin für Familie, Jugend und Frauen

 Mit acht Senatorinnen bei nur sechs Senatoren machte Berlins Bürgermeister Walter Momper 1989 Furore (vorne von links): Jutta Limbach, Anne Klein, Ingrid Stahmer und Barbara Riedmüller sowie (hinten von links) Sybille Volkholz, Anke Martiny, Michaele Schreyer und Heide Pfarr. Foto: Paul Glaser

Mit acht Senatorinnen bei nur sechs Senatoren machte Berlins Bürgermeister Walter Momper 1989 Furore (vorne von links): Jutta Limbach, Anne Klein, Ingrid Stahmer und Barbara Riedmüller sowie (hinten von links) Sybille Volkholz, Anke Martiny, Michaele Schreyer und Heide Pfarr. Foto: Paul Glaser

Berlin/Bilsdorf. Die Frau war eine Sensation! Im Januar 1989 hatte Berlin Rot-Grün gewählt und vor genau 20 Jahren am 17. März übernahm erstmals eine Frauenrechtlerin das hochrangige Ressort einer Senatorin für Familie, Jugend und Frauen. Die damals 39-jährige parteilose Rechtsanwältin und Notarin Anne Klein aus Bilsdorf war von der Berliner Alternativen Liste (AL) gemeinsam mit zwei weiteren Politikerinnen in das Kabinett des Regierenden Bürgermeisters Walter Momper (SPD) geschickt worden. Das Echo in den Medien war bundesweit groß - auch weil Momper in die Landesregierung mehr Frauen als Männer berief. Klein hatte das Abitur am Dillinger Realgymnasium gemacht und an der Universität Saarbrücken, später in Berlin, Jura sowie Psychologie studiert. Die engagierte Feministin schrieb in den vergangenen 30 Jahren in mehrfacher Hinsicht Zeitgeschichte. So gründete sie im Jahr 1978 in Berlin erstmals eine Anwaltskanzlei, die sich auf Frauenrechte spezialisierte. Zuvor hatte sie mit Kolleginnen das erste Berliner Frauenhaus und das erste feministische Rechtsberatungszentrum im Berliner Stadtteil Kreuzberg ins Leben gerufen. Von 1982 bis 1985 arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin im Bundestag in Bonn für die Grünen-Politikerinnen Petra Kelly, Antje Vollmer und Christa Nickels. Während dieser Zeit verfasste sie in alleiniger Regie den Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes. Das Gesetz wurde 1987 in modifizierter Form von den Grünen in den Bundestag eingebracht. Ihr politisches Amt als Berliner Senatorin gab Klein nach 23 Monaten im November 1990 auf. Die umstrittene Anordnung des SPD-Innensenators Erich Pätzold, besetzte Häuser in der Mainzer Straße gewaltsam zu räumen, führte zum Bruch der Koalition und Rücktritt von Klein und der beiden Senatorinnen der AL. Einsatz für BerufsstandSchon kurz nach ihrer Wahl war Klein in die Schlagzeilen geraten. Die Opposition im Senat lancierte an die Medien, dass Klein Jahre zuvor in einem zweifelhaften Geldspiel mehrere Tausend Mark eingesetzt und mehrfach zurückgewonnen habe. "Nie zuvor als dieses eine Mal hatte ich an einem solchen Glücksspiel teilgenommen", bedauerte die Senatorin damals. Den kompletten Gewinn hat sie nach eigenen Angaben an das erste Berliner Frauenhaus gespendet, dessen Mitbegründerin sie war. Seit 1990 engagierte sich die Senatorin a.D. wieder verstärkt als Fachanwältin in der eigenen Berliner Kanzlei für Familienrecht und als Notarin. Nach zweimaligem Rating im Magazin "Focus" ist sie die bedeutendste Scheidungsanwältin in Berlin. Sie war in den letzten Jahren auch in berufsständischen Organisationen aktiv. Fast zehn Jahre lang war sie Präsidentin des Versorgungswerkes der Berliner Rechtsanwälte. Derzeit ist die Juristin Vizepräsidentin der Anwaltunion AUF-Deutschland. Zudem bildet sie Notarsanwärter und Fachanwälte für die Deutsche Anwalt- und Notarakademie aus. Im Nebenjob arbeitet Klein als politische Beraterin und "Personal Coach".Berlin. Nie zuvor saßen so viele Frauen in einer Landesregierung wie 1989/90 im Berliner Senat. Viele machten ihren Weg. Außer der parteilosen Anne Klein (Familie, Jugend, Frauen) waren dies, für die SPD: Jutta Limbach (Justiz), später Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes; Anke Martiny (Kultur), zuvor im Bundestag und Parteivorstand; Heide Pfarr (Bundesangelegenheiten) danach Frauenministerin in Hessen; Barbara Riedmüller (Forschung), bis 1996 noch Abgeordnete in Berlin; Ingrid Stahmer (Soziales) übernahm die Ressorts von Anne Klein und blieb in der Großen Koalition unter Eberhard Diepgen (CDU) Senatorin; für die AL: Sybille Volkholz (Schule) war danach Bildungssprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus; und Michaele Schreyer (Umwelt) war 1999-2004 EU-Kommissarin (Haushalt/Betrugsbekämpfung). dlBerlin/Bilsdorf. Die Bilsdorferin Anne Klein ist einen bemerkenswerten Lebens- und Berufsweg gegangen. Fernab ihrer saarländischen Heimat machte sie politische Karriere als Senatorin in Berlin. Aber auch als Rechtsanwältin, Notarin und Frauenrechtlerin sowie als Mitarbeiterin des Bundestages ist sie seit mehr als 20 Jahren bekannt. In einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung sprach die 59-jährige über Berufliches und Privates. "Die Berliner Regierungszeit hat mir eine beachtliche Innenansicht der Macht verschafft", betonte Klein. Es habe ihr viel Spaß gemacht, sei jedoch ein ständiger "Kampf" mit dem Koalitionspartner und der Opposition gewesen. Stolz ist die frühere Senatorin darauf, dass sie das Antidiskriminierungsgesetz, von dem auch heute immer wieder viele Frauen profitieren, gegen den Widerstand der bürgerlichen Parteien mit auf den Weg bringen konnte. Auch das Gesetz über die "Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe" hat Klein im "Alleingang" für die Grünen entworfen. Eine späte Genugtuung war für die engagierte Juristin und Feministin, dass das Gesetz 20 Jahre später im Jahr 2005 doch noch im Bundestag verabschiedet wurde. "Als Anwältin konnte ich einiges zur Emanzipation von Frauen, aber auch Männern - beispielsweise als bessere Väter - beitragen", sagt Klein rückblickend. Gute Erinnerungen hat Klein noch an ihre saarländische Schulzeit in Dillingen und Studentenzeit in Saarbrücken. "Die Kontakte ins Saarland sind nie abgerissen, auch nicht nach Bilsdorf, wo ich noch Verwandte habe", erzählt Klein. Ihre "neue Heimat" Berlin möchte sie jedoch nicht mehr aufgeben. "Ich brauche das Großstadtleben, hier lässt es sich hervorragend leben und arbeiten", versichert die waschechte Wahlberlinerin aus Bilsdorf. dl

 Anne Klein sprach im Bundesrat 1990. Foto: SZ/Bundesarchiv

Anne Klein sprach im Bundesrat 1990. Foto: SZ/Bundesarchiv

Auf einen BlickAls Senatorin in Berlin hatte es Anne Klein mit vielen Politikgrößen zu tun. So verhandelte sie in der Wendezeit mit dem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Lothar de Maizière, dem letzten Ministerpräsidenten der DDR. Sie saß als stellvertretendes Regierungsmitglied Berlins im Plenarsaal des Bundesrates mit Heide Simonis, Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder, Jürgen Trittin, der Saar-Landtagsabgeordneten Brunhilde Peter aus Dillingen und der späteren Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, Margit Conrad. dl

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