Massen-Problem Internet-Mobbing"Beleidigungen sofort löschen lassen"

Saarlouis. Das Bild von der Schülerin steht auf einem Internet-Forum. Jemand hat den Kommentar dazu geschrieben: "Du bist so fett. Wirf dich vor den Zug, damit ich wieder Tageslicht in der Klasse habe!" Eins von abertausenden Beispielen für ein aktuelles Problem: Mobbing im Internet. Englisch sagt man auch "Cyber Bullying"

Saarlouis. Das Bild von der Schülerin steht auf einem Internet-Forum. Jemand hat den Kommentar dazu geschrieben: "Du bist so fett. Wirf dich vor den Zug, damit ich wieder Tageslicht in der Klasse habe!" Eins von abertausenden Beispielen für ein aktuelles Problem: Mobbing im Internet. Englisch sagt man auch "Cyber Bullying". Schüler mobben Schüler und Lehrer, Lehrer auch Schüler.Eine Tagung in Saarlouis zeigte: Im Internet rollt eine Lawine. Schüler bedrohen sich, beleidigen sich, kommentieren brutal Fotos, spiegeln Persönlichkeitsprofile von Menschen vor, die davon nichts wissen. Sie stellen mit dem Handy heimlich gefilmte Videos ins Netz, die andere auf das Übelste bloßstellen. Möglich macht dies eine wenige Jahre alte technische Möglichkeit im Internet. Dort wurden Portale eingerichtet, auf die jeder registrierte Nutzer ganz einfach Bilder, Filme und Texte einstellen und die Dokumente anderer kommentieren kann. Zweck ist eine unbegrenzte Kommunikation vor allem von Schülern und jungen Erwachsenen. Weil der Zugang technisch und inhaltlich nicht zu kontrollieren ist, öffnen sich dem Missbrauch Tür und Tor.Betreiber-Bemühungen Daran ändern auch Bemühungen der Betreiber nichts. Walter Staufer, Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, lobte da besonders den Betreiber von "Schülervz", der eng mit der Prüfstelle zusammenarbeite. Doch funktionierende Filter, die nach Alter differenzieren, gebe es nicht, sagten Werner Röhrig und Benjamin Thull von der saarländischen Landesmedienanstalt. Missbrauch ist nicht nur Mobbing. Pädophile verschaffen sich Zugang zu den Fotos der Schüler. Oder zwischen harmlose Videos werden brutale "Schocker-Videos" gestellt. Und, wie auf der Tagung gewarnt wurde: Das Netz vergisst nichts. "Wenn ein Bild im Netz ist, kriegt man es praktisch nicht wieder heraus. Wir als Betreiber können es zwar löschen. Aber wenn es ein anderer zwischenzeitlich gespeichert hat, ist es wieder drin," erklärte Weiland. Walter Staufer: "Arbeitgeber stöbern nach Bewerbungen gern auf diesen Internet-Seiten, ebenso Krankenkassen." Denn in dieser virtuellen Welt geben gerade junge Leute in den Persönlichkeitsprofilen jede Menge privater Informationen von sich preis. Bekannte Internetgemeinschaften sind: "You Tube" (Videos, die kommentiert werden können), "Schülervz" oder "Wer-kennt-wen" (bringt Schüler untereinander in Kontakt, Texte, Foto, Kommentare, Diskussionsgruppen), im Saarland auch "Gesichterparty.de" (Fotos und Kommentare). Die Nutzer-Zahlen dieser Internet-Gemeinschaften sind gigantisch. Fünf Millionen Jugendliche seien bei "Schülervz", sagte Staufer. 600000 Bilder würden täglich neu eingestellt. 500000 "Gruppen" von "Freunden" haben sich gebildet. Die im Saarland besonders viel genutzte Seite "Gesichterparty.de" hat nach Angaben von Markus Weiland von "Gesichterparty" 240000 eingetragene Nutzer. 90 000 BeschwerdenDieses Portal konzentriert sich auf die Party-Szene. Auch dort kann jeder Bilder und Videos einstellen und andere kommentieren. Seit 1. Januar 2007 habe "Gesichterparty.de" 90000 Beschwerden bearbeitet, der Großteil davon falle unter Mobbing. Weiland: "Differenzen in der Schule, Krach unter Paaren" seien häufige Anlässe für beleidigende Kommentare. Mehrere Studien, die bei der Tagung zitiert wurden, sagen aus: Etwa ein Drittel der Jugendlichen ist bereits mit Cyber-Mobbing konfrontiert worden. Mädchen etwas mehr als Jungen. Männliche Täter arbeiteten meist mit direkten Angriffen, weibliche eher mit Gerüchten, stellte der Saarbrücker Psychologe Markus Langenbahn fest. Er und der Beruser Psychologe Josef Schwickerath wiesen darauf hin, dass Menschen mit geringem Selbstwertgefühl und die Neigung von Gruppen, Sündenböcke zu finden, wichtige Voraussetzungen für Mobbing sei. Die Bekämpfung müsse deshalb bei einer Analyse des Umfeldes ansetzen. Und: Jugendliche gäben selbst an, die Regeln der Communities nicht zu kennen.Saarlouis. Kindern und Jugendlichen fehlt es nach Ansicht der Referenten der Tagung in Saarlouis erheblich an Kompetenz im Umgang mit den Internet-Gemeinschaften. Gleichzeitig könne allein diese Kompetenz vor Missbrauch der Daten schützen. Aus den praktischen Hinweisen, die während der Tagung gegeben wurden:Wer in den Internet-Gemeinschaften etwas über sich findet, das beleidigend ist, soll beim Betreiber per Mail oder per Telefon das Löschen fordern (Walter Staufer). Meist habe das innerhalb eines Tages Erfolg. Beleidigungen und ähnliches verstießen gegen die Nutzungsbedingungen. Bei "Gesichterparty.de" sei das meiste in 24 Stunden erledigt, versicherte Markus Weiland. Doch ohne aktiven Hinweis Betroffener sei keine Maßnahme möglich.Grundsätzlich solle man nur ins Netz stellen, was man auch in einem Gespräch preisgeben würde. Eltern könnten sich durchaus die Profile ihrer Kinder im Netz zeigen lassen. "Zwölfjährige, die ihre Profile ins Netz stellen möchten, sollten das mit ihren Eltern zusammen tun." (Staufer). Die Fotos auf keinen Fall "posierend", sondern neutral und sorgsam auswählen. Die eingetragenen persönlichen Daten sind zunächst für alle zugänglich: "Unbedingt von der Möglichkeit Gebrauch machen, sie als nur für Freunde oder Gruppen sichtbar zu kennzeichnen." Bei "Gruppen" (Gleichgesinnter) aufpassen: Wer zum Beispiel in einer Gruppe "Terroristen sind geil" mit anderen kommuniziert, kann Zukunftschancen vergeigen.Eltern sollten darauf achten, ob sich ihr Kind plötzlich zurückzieht und Freunde meidet. Das kann ein Hinweis auf Internet-Mobbing sein. Schulen sollten, so der Psychologe Markus Langenbahn, Internet-Mobbing zur Kenntnis nehmen, Opfern glauben, nach Strukturen im Umfeld suchen. In Köln haben sich nach Angaben von Staufer dazu sechs Schulen mit anderen Partnern zusammengetan. Langenbahn mahnte schulische "Mobbingbeauftragte" an. weMeinung

Wir leben alle in dieser Welt

Von SZ-RedakteurJohannes Werres Wer nicht in diesen so genannten Communities dabei ist, macht sich keine Vorstellung, wie die Realität von Jugendlichen heute und die der Erwachsenen von morgen aussieht. Die so genannte virtuelle Welt der Internet-Gemeinden ist nicht eine Welt neben unserer, sondern Teil unseres Alltags. Deswegen bleibt denen, die Verantwortung haben, nichts anderes übrig als: erstens, dies zu respektieren, zweitens die neuen Möglichkeiten in die Entwicklung Jugendlicher zu integrieren helfen und drittens etwas zu tun gegen Missbräuche. Täusche sich niemand: Das sind keine Moden, das ist der Beginn ganz neuer Formen des sozialen Miteinanders. Es prägt die Persönlichkeitsbildung stark mit. Und zwar unter den Augen hunderttausender Anderer - und zugleich im Verborgenen. Darin steckt Gutes - aber auch die Möglichkeit, andere unter den Augen hunderttausender Anderer fertig zu machen. Das System produziert Opfer, vor allem im Schulumfeld. Virtuell mag das Medium sein, das Umfeld ist real. Wann also werden an den Schulen des Kreises die ersten Beauftragten für Cyber-Mobbing ausgebildet und ernannt? Auf einen BlickHilfebei Cyber-Mobbing gibt's auch im Internet. Eine Auswahl aus der Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien:www.bundespruefstelle.dewww.mpfs.de (Studien zur mediennutzung)www.teachtoday.eu (Anregungen für die Schule)www.mobbing-wiki.de (Fundierte Information)www.mobbing.seitenstark.de (Viele Tipps)www.chatten-ohne.risiko.netwww.jugendschutz.netwww.gewalt-in-der-schule.info/www.no-blame-approach.de (viel gelobte, lösungsorientierte Vorgehensweise, um Mobbing zu stoppen). red

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