Wenn Krieg die Ernährung bedroht

Falscheid · Benno Müller aus Lebach ist Mitglied im Historischen Verein Lebach. Er beschäftigte sich mit der Chronik der Volksschule Falscheid, in der die Lehrer Josef Holbach und Maria Schmidt regionale und überregionale Ereignisse aus der Zeit des Ersten Weltkrieges (1914 bis 1918) aufgezeichnet haben.

Das erste Erntejahr im Kriege: Als im August 1914 Deutschland von allen Seiten angegriffen wurde, erkannte das deutsche Volk die furchtbare Größe der militärischen Gefahr im ersten Augenblick. Jeder Deutsche verstand, dass kein Arm fehlen durfte zur Verteidigung der teuren Heimat. Vom Jüngling bis zum ergrauten Mann eilten Deutschlands Männer zu den Fahnen. Die Frauen trugen stark ihr schweres Geschick und griffen, wo es nottat, die verwaiste Arbeit an. Deutschland war in wenigen Tagen in vollendeter Kampfbereitschaft.
Wirtschaftliche Gefahr

Später erst aber wurde das deutsche Volk die Größe der wirtschaftlichen Gefahr gewahr, mit der die Feinde Deutschland bedrohten. Unsere Feinde wussten sehr wohl, welche Mengen von Nahrungs- und Futtermitteln, von Rohstoffen und Fabrikaten Deutschland im Frieden vom Auslande, vor allem über See, bekommen hatte. Auf die Zahlen unserer Einfuhr gründeten sie die schnelle oder allmähliche wirtschaftliche Erschöpfung Deutschlands. Diese feindliche Rechnung spielte eine um so größere Rolle, je mehr die militärischen Erfolge gegen Deutschland ausblieben und je länger der Krieg dauert. Haben unsere Gegner zuweilen während des Krieges erschöpft geringere Angriffslust und Widerstandskraft gezeigt, so haben sie den wirtschaftlichen Kampf mit umso größerem Nachdruck geführt. Der Wirtschaftskrieg hat mit der Kriegsdauer an Schärfe gewonnen.

Mit der Absperrung der Zufuhr von Rohstoffen aus dem Auslande haben die Feinde von Anfang an keinen Erfolg in ihrem Wirtschaftskampf gegen Deutschland erringen können. Schwerer aber legte sich der Druck des Wirtschaftskrieges auf unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln. Am 4. August 1914 stand die Ernte größtenteils auf den Feldern. Ohne Säumen wurde die Ernte geborgen. Alsbald ergangene Ausfuhrverbote sorgten dafür, dass kein Nahrungsmittel mehr an das Ausland verloren ging. Es wurde die Zentral-Einkaufsgesellschaft gegründet und beauftragt, Nahrungsmittel und Rohstoffe aus dem Auslande einzuführen.
Höchstpreise für Lebensmittel

Der Reichstag gab der Regierung am 4. August 1914 Vollmacht zu allen gesetzlichen Maßnahmen auf dem Gebiet der Kriegswirtschaft, insbesondere das Recht, Höchstpreise für Gegenstände des täglichen Bedarfs, vor allem für Lebensmittel, festzusetzen. Für die nun folgenden ersten Maßnahmen der Regierung waren maßgebend die Ziffern unserer Nahrungsmitteleinfuhr und -ausfuhr während der letzten Friedenszeit. Es stand nach den Zahlen fest, dass es uns an Weizen fehlen musste, Roggen aber und Kartoffeln für die menschliche Ernährung ausreichend in der Heimat geerntet wurden.

Für die Fleischversorgung stand ein gewaltiger Reichtum an Schweinen und Rindvieh zur Verfügung. Allerdings war unser deutscher Viehreichtum gewonnen und erhalten worden durch eine sehr große Einfuhr von Futtermitteln aus dem Auslande. Auch diese Einfuhr unterband der Wirtschaftskrieg. Wir waren auch mit der Fütterung des Viehs auf die heimische Erzeugung angewiesen.

Es musste die Frage entstehen, ob unsere heimische Erzeugung für Mensch und Vieh in vollem Umfange ausreichen würde. Diese Frage wurde entscheidend für die Lösung fast aller Aufgaben der Volksernährung im Kriege. Sie ist nicht sogleich in ihrer vollen Bedeutung erkannt worden. Sie ist mit der Dauer des Krieges aber unvermindert ausschlaggebend geblieben.
Fütterungsverbot verschärft

Nachdem schon zuvor der Brennereibetrieb eingeschränkt worden war, erging am 28. Oktober 1914 das Verbot, Getreide und Mehl an das Vieh zu verfüttern. Dies Verbot ist später noch verschärft worden unter harten Strafandrohungen. Es hat seine Geltung behalten. Bis auf diesen Tag ist ein erstes und ernstes Kriegsgebot: "Wer Brotgetreide verfüttert, versündigt sich am Vaterlande!"

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