Wadriller und Flüchtlinge lernen sich kennen

Wadern/Wadrill · Inzwischen werden in Wadern über 40 Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea betreut. Viele Menschen dort helfen den Flüchtlingen. Bei einem ersten langen Treffen wurde auf die vergangenen Wochen zurückgeblickt.

 In geselligen Runden kommen sich die Wadriller und die neuen Mitbürger näher. Foto: Albert Räsch

In geselligen Runden kommen sich die Wadriller und die neuen Mitbürger näher. Foto: Albert Räsch

Foto: Albert Räsch

"Nicht überall ist Tröglitz", sagt der deutsche Innenminister Thomas Maizière. Er könnte als gutes Beispiel sicherlich auch Wadern anführen, denn hier werden die mittlerweile über 40 Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea herzlich aufgenommen und betreut. Einige Wochen nach Gründung des Bündnisses für Flüchtlinge haben die einzelnen Arbeitskreise für die unterschiedlichsten Belange ihre Arbeit aufgenommen, und dadurch ist eine notwendige Systematik und Routine in den Umgang mit den fremden, neuen Mitbürgern gekommen. Direkt betroffen sind allerdings zurzeit nur fünf Stadtteile.

Flucht vor dem Bürgerkrieg

Einer davon ist das knapp 1700 Einwohner zählende Wadrill , wo acht Personen aufgenommen wurden. Es handelt sich um zwei syrische Familien mit je einem Kind und zwei junge Frauen. Alle sind vor dem grausamen Bürgerkrieg in ihrem Land geflüchtet, der jetzt bereits vier Jahre andauert. Ihre jeweiligen Fluchtgeschichten aufzurollen, würde Seiten füllen. Einige Episoden genügen. Der 31jährige Amer ist gelernter Automechaniker und führte in Damaskus eine kleine Autowerkstatt.

Als der Bürgerkrieg seinen Stadtteil erreichte und sein Wohnviertel völlig zerstört wurde, floh er mit seiner schwangeren Frau Diana (23) zunächst über den Libanon nach Rumänien. Ihre gesamten Ersparnisse wurden allerdings für die Bezahlung der Geburt ihres Kindes, eine Wohnung und die Lebenshaltung aufgebraucht. Nach einigen Monaten flohen sie wegen der dort unerträglichen Zustände für die unerwünschten Flüchtlinge weiter zum Wunschziel Deutschland.

Nach einigen Wochen in der überbelegten Landesaufnahmestelle in Lebach wurden sie der Stadt Wadern zugewiesen, eine Wohnung wurde für sie in Wadrill gefunden. Die Flucht anderer Syrer verlief teilweise noch dramatischer. So musste Firas (29) zusammen mit seiner Frau Kheran (23) und dem eineinhalbjährigem Sohn unter Lebensgefahr über das Mittelmeer fliehen. Wie er berichtet, sind dabei viele andere auf dem völlig überladenen Schiff ums Leben gekommen.

Die Ehemänner der beiden jungen Frauen sind mit den Kindern in die Nachbarstaaten Türkei und Jordanien geflohen und warten darauf, nachkommen zu können. Alle sind jetzt froh, in Sicherheit zu sein, über eigenes Geld verfügen zu können und vielfältige Hilfen zu erhalten. Verständigt wird sich in englischer Sprache, aber mittlerweile üben sich die Fremden ebenfalls in der deutschen Sprache.

Nie hätten sie sich eine so große Anteilnahme und Herzlichkeit vorgestellt. Allein in Wadrill kümmert sich ein Dutzend Frauen und Männer aus dem Ort oder den Nachbargemeinden um die zahlreichen Probleme der Zugezogenen, die hier im abgeschiedenen Hochwald auf sie warten. Wohnungen waren einzurichten, was schnell gelang. Fahrdienste zur Waderner Tafel und zu den Deutschkursen wurden organisiert, und die schwangeren Frauen und die Kinder zu den Ärzten begleitet.

Etliche Behördengänge standen an, meist zum Sozialamt, aber auch zum Ausländeramt in Lebach , wo es beispielsweise für Amer und seine Familie darum geht, die Aufenthaltsberechtigung von Monat zu Monat verlängern zu lassen. Oder ein Führerschein soll umgeschrieben werden. Auch Deutschunterricht im kleinen Kreis, Handwerkerdienste und Übersetzungshilfen werden angeboten.

Die beiden kleinen Jungen sind in der KiTa angemeldet, Wasim besucht diese seit Wochen mit großer Freude. Damit sich die zahlreich geleisteten Dienste nicht überlappen, anderes unbeachtet bleibt und die vielen Fahrten sinnvoll aufgeteilt werden, haben sich die Betreuer für die in Wadrill lebenden Flüchtlinge zu einem eigenen, lockeren Kreis innerhalb des Bündnisses zusammengefunden. Er versteht sich nicht als Konkurrenz zum amtlichen Waderner Bündnis, sondern mehr als wohnortnahe Ergänzung.

Erste Schritte aus dem Lager

Vor allem die ersten Schritte aus dem Lager in Lebach in die ungewohnte Umgebung und Selbstständigkeit werden wohl von den Arbeitskreisen auf Stadtebene begleitet werden. Wo aber schnelle und persönliche Hilfe angesagt ist und ein beständiger Kontakt etabliert werden soll, wollen die Helfer aus Wadrill vorrangig die Ansprechpartner sein. Bei einem ersten langen Treffen wurde auf die Aktivitäten der vergangenen Wochen zurückgeblickt.

So ging es darum, einen Internetanschluss zu beantragen, Möbel, Kücheneinrichtungen und Kleidung oder Milch vom Bauern zu organisieren.

Viel Zeit und Mühe wurde auch darauf verwendet, die Abschiebung einer Familie nach Rumänien zu verhindern. Das gerichtliche Verfahren läuft noch, der Antrag an die Härtefallkommission des Saarlandes steht vor der Einreichung. Die Rücksendung wäre aber für die Betroffenen und die Helfer ein schmerzlicher Rückschlag, denn die Familie erwartet ihr zweites Kind und ist sehr um die Integration in Deutschland und die Dorfgemeinschaft bemüht. Bei dem Treffen steckte auch jeder der Helfer den Rahmen ab, in dem sein eigenes Engagement in Zukunft realisierbar ist.

Diskutiert wurden die Möglichkeiten, wie die vielfältigen Hilfen dauerhaft koordiniert werden können, ohne dass sich die Einzelnen überfordern. Vieles ist bisher erreicht worden. Überall wurde und wird gerne Hilfe angeboten, nirgendwo ist Ablehnung zu spüren, Ortsvorsteher und Ortsrat haben ihr Interesse an den neuen Mitbürgern bekundet. Jetzt geht es vor allem darum, die jungen Leute weiter in die Dorfgemeinschaft einzubeziehen. Sie leiden unter der verordneten Tatenlosigkeit und der damit verbundenen Langeweile.

Kaffee in großer Runde

Mittlerweile trainieren Amer und Firas beim Tischtennisverein, kommen zu den Heimspielen des FC Wadrill und haben bei der AH Wadrill angefragt. Schnell hatten die Alten Herren schließlich für beide auch passende Fußballschuhe aufgetrieben.

Nachdem bereits ein erster typisch deutscher Kennenlernkaffee in großer Runde stattgefunden hat, folgt der nächste schon diesen Samstag. Dieses Mal bringen alle Beteiligten dabei Landestypisches mit an die große Tafel. Und die syrischen Spezialitäten werden dabei genauso angesagt sein wie die saarländischen.

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