Von der Angst, ins Leere zu treten 63 unterschiedliche Zeichen aus sechs Punkten

Lebach. Ziemlich hilflos taste ich mich mit einem Blindenstock vorwärts. Meine Augen sind mit einer Augenbinde abgedeckt. In der Hand halte ich den weißen Stock, an dessen Ende eine Kugel befestigt ist. Diese rolle ich, so erklärten es mir die beiden Lehrerinnen, Carolin Dessloch und Lena Mühlbauer, vor mir schulterbreit hin und her

Lebach. Ziemlich hilflos taste ich mich mit einem Blindenstock vorwärts. Meine Augen sind mit einer Augenbinde abgedeckt. In der Hand halte ich den weißen Stock, an dessen Ende eine Kugel befestigt ist. Diese rolle ich, so erklärten es mir die beiden Lehrerinnen, Carolin Dessloch und Lena Mühlbauer, vor mir schulterbreit hin und her. Da erst merke ich, dass der Fußboden des Flures der Louis-Braille-Schule eine Laufmarkierung aufweist. Als Sehende habe ich dies überhaupt nicht wahrgenommen. An der Treppe angekommen, beginnt eine weitere Herausforderung für mich. Treppe hoch, das geht noch, aber runter. Unter angekommen, meine ich immer noch, eine Stufe müsste noch kommen. Ich habe Angst, ins Leere zu treten. Den Weg zurück ins Klassenzimmer hätte ich allein nicht mehr gefunden. Doch dafür gebe es eigenen Orientierungsunterricht, tröstet mich die Lehrerin.Zum ersten Mal hat die Förderschule für Blinde und Sehbehinderte in Lebach an der bundesweiten "Woche des Sehens" teilgenommen. Carolin Dessloch und Lena Mühlbauer sind die verantwortlichen Lehrerinnen. Sie haben in einem Klassenraum alle Geräte aufgebaut, mit denen die blinden und sehbehinderter Kinder der Louis-Braille- Schule arbeiten. Die 14-jährige Dena zeigt uns, wie sie liest. Mit einem Finger der linken Hand markiert sie die Reihe, mit den Fingern der Rechten liest sie. "Das ist sehr schwierig und braucht viel Übung", erklären die Pädagoginnen.

Doch wenn die Kinder nichts anderes kennen, lernen sie es auch viel schneller und beschäftigen sich intensiver damit. Geschickt zeigt uns Dena auch, wie sie auf der eigens konzipierten Schreibmaschine schreibt. Diese verfügt zum Schreiben über sechs Tasten, analog zu den sechs Punkten der Braille-Schrift. Dena erklärt die Funktionsweise: Drücke ich Taste eins, zwei und drei - dann ist das ein L; Taste eins, drei, vier und fünf ist ein N." Das ist ganz einfach, erklärt sie und lacht dabei.

Der 16-jährige Florian sieht nur noch ganz wenig auf einem Auge. Auch er besucht wie Dena die Förderschule, die beiden wohnen allerdings im Internat. Die Jugendlichen zeigen mir auch, wie sie zum Beispiel das Schneckenspiel spielen. Die einzelnen Seiten der Würfel sind mit unterschiedlichen Materialien gekennzeichnet. Das gleiche Muster findet sich jeweils auf dem Kopf der Schnecken. Somit wissen die Kinder, mit welcher Schnecke sie ein Feld vorrücken können.

Die Besucher erfahren nicht nur viel über Lesen und Schreiben. Es wird gezeigt, wie am Zeichenbrett gezeichnet werden kann, welche Lesegeräte es gibt, dass es eine eigene Blinden-Notenschrift gibt, Zopfmuster wird in Braille-Schrift beschrieben, wie ein Stadtplan für Blinde aussieht oder wie ein Geldzählgerät benutzt wird. Ein Gerät erkennt die Helligkeit, in Fensternähe werden die Töne schriller, der Blinde weiß dann, wo das Fenster ist.

Die Louis-Braille Schule in Lebach besuchen 83 Kinder.

Nicht neu, aber sehr von Vorteil ist eine Art Dechiffriermaschine. Mit dieser können Texte relativ schnell in Blindenschrift übersetzt werden. Und das wird die Lehrerin auch mit diesem Artikel machen, damit Dena ihn lesen kann. Lebach. Im Jahre 1825 hatte der Franzose Louis Braille (1809-1852) ein Blindenschriftsystem geschaffen, mit dem man das Alphabet sowie die Satzzeichen und Zahlen der Sehenden tastbar darstellen kann.

Dieses Braille-System setzte sich international durch. Es wurde für alle Sprachen - jeweils angepasst - zur Grundlage der Blindenschrift.

Das Grundraster des Braille-Zeichens besteht aus sechs Punkten, angeordnet wie die "Sechs" auf einem Spielwürfel: in zwei senkrecht nebeneinanderstehenden Reihen je drei Punkte, die wie folgt nummeriert werden: links oben Punkt 1, darunter die Punkte 2 und 3; rechts oben Punkt 4, darunter die Punkte 5 und 6.

Diese Anordnung von links nach rechts gilt beim Lesen der Schrift sowie beim Schreiben mit der Punktschriftmaschine. Benutzt man eine Tafel, wird von rechts nach links geschrieben, und die Schrift muss spiegelbildlich geprägt werden. Die Punkte 1 2 3 werden rechts, die Punkte 4 5 6 links im Feld geschrieben.

Zum Lesen wird das beschriebene Blatt umgewendet. Aus den sechs Punkten der Grundform lassen sich dabei 63 unterschiedliche Zeichen bilden. red

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