Bauernkalender Nahrungsmittelerzeuger oder Umweltmanager?

Aktuelle politische Diskussionen berühren die Landwirtschaft in hohem Maße. Diesmal geht es im Bauernkalender um Positionen der Landwirte zu Insektensterben und Artenvielfalt. Ein Dilemma, wie der Bauernverband Saar meint.

 Dieses Archivbild zeigt Kartoffelkäfer, die einen Kartoffelacker in Luckau (Kreis Lüchow-Dannenberg) kahl fressen. Diese Schädlinge müssen bekämpft werden, aber wie?

Dieses Archivbild zeigt Kartoffelkäfer, die einen Kartoffelacker in Luckau (Kreis Lüchow-Dannenberg) kahl fressen. Diese Schädlinge müssen bekämpft werden, aber wie?

Foto: dpa/dpaweb/Hans-Jürgen Wege

Aktuell nehmen die Themen Insektensterben und Rückgang der Artenvielfalt in der Öffentlichkeit und auf der politischen Bühne einen breiten Raum ein. Das Angebot an Veranstaltungen zu Themen wie diesen ist reichhaltig. Nimmt man als praktizierender Landwirt hier teil, finden sich dort in aller Regel wenige Kollegen aus dem Berufsstand. Nicht weil sie sich nicht für die Thematik interessieren, sondern weil sie gerade für die Gesellschaft unverzichtbare Dienste leisten. Somit setzen sich die übrigen Teilnehmer vielmehr aus Vertretern der Politik und Verwaltung sowie den Verbänden rund um den Naturschutz zusammen.

Der Rückgang der Artenvielfalt im Offenland ist offenkundig, die konkrete Ursache jedoch nicht eindeutig zu bezeichnen. Insektensterben und Landwirtschaft werden im Zusammenhang oft als Totschlagargumente ins Feld geführt. Bringt man als Praktiker seine eigenen Beobachtungen aus der Arbeit in der freien Landschaft vor, insbesondere was die besorgniserregende Zunahme von tierischen Schädlingen im Pflanzenbau anbelangt, werden diese oft von Kopfschütteln und weiteren Unmutsäußerungen begleitet.

Mit Zweifeln an bereits „abgesegneten“ Themen gerät man in bestimmten Kreisen leicht in die Schublade „Leugner“. Das ist unangenehm, besonders wenn man als Landwirt auf ein funktionierendes Ökosystem und die Bestäubungsleistung verschiedenster Insekten angewiesen ist.

Pflanzenschutzmaßnahmen stehen dabei immer wieder im Fokus der Diskussion. Der Ruf nach „pestizidfreien Kommunen“ wird immer lauter. Zur Erinnerung: Pflanzenschutzmaßnahmen – unabhängig davon, ob chemisch oder mechanisch, im Öko- oder konventionell wirtschaftenden Betrieb durchgeführt – entfernen unliebsame Unkräuter, Pilze oder Schadinsekten (wie den Kartoffelkäfer) aus den landwirtschaftlichen Kulturen und stellen damit die hohe Qualität unserer heimischen Lebensmittel sicher.

Wir Bauern verstehen uns primär immer noch als Hersteller von Lebensmitteln. Und genau die unterschiedlichen Auffassungen über die Aufgabe, die die Landwirtschaft haben soll, führen zu teils heftigen Reaktionen auf beiden Seiten.

Sollen Landwirte nun Nahrungsmittelerzeuger sein oder doch lieber Umweltmanager? Die Antwort auf diese Frage bleibt in Diskussionen meist offen oder erinnert an den Begriff „ein bisschen schwanger“. Die Bauern könnten ja einfach ein bisschen weniger spritzen, ein bisschen weniger düngen, unterschiedliche Kulturpflanzen anbauen, Blühstreifen anlegen, Disteln für Schmetterlinge auf dem Acker belassen. Unter diesen Voraussetzungen findet sich die gesellschaftliche Akzeptanz weiterhin Nahrungsmittel produzieren zu dürfen, quasi als Nebenprodukt des Naturschutzes.

Viele Punkte, die die Gesellschaft fordert, sind bereits Bestandteil unserer täglichen Arbeit, ohne dass wir groß darüber reden. Aber alles zum Nulltarif leisten, können wir nicht. Wie steht es eigentlich um die Ökonomie des Artenschutzes? Darauf eine Antwort zu finden, fühlt sich niemand so richtig zuständig, und es wird von der Gesellschaft schon als unanständig empfunden, über Geld zu reden. Dass hinter einem landwirtschaftlichen Betrieb eine Familie steht, die es aus dem Betriebseinkommen zu ernähren gilt, wird dabei gerne ausgeblendet.

Somit fehlt es bei solchen Diskussionen an konkreten sowie praktikablen Lösungen. Etwas, das man als Praktiker mit nach Hause nehmen und ab morgen anders machen könnte. Und dann möchte ich als Bauer in dieser ganzen Diskussion offen und ehrlich die Frage beantwortet bekommen: Was wollt ihr von mir? 100 Prozent Artenvielfalt oder 100 Prozent Lebensmittel? Und sagt jetzt nicht: beides.

Im SZ-„Bauernkalender“ berichten Landwirte aus der Region jeden Monat über anstehende Arbeiten oder behandeln aktuelle Themen aus der Landwirtschaft.

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