Bauernproteste Bauernproteste, „weil wir auch zur Wirtschaft gehören“

Landwirte machen sich bei nass-kaltem Wetter auf, entzünden Mahnfeuer: „Geht Politik und Gesellschaft ein Licht auf?“, wollen sie mit diesen Aktionen fragen.

Mahnfeuer der Landwirte Mitte Dezember im Kreis St. Wendel

Mahnfeuer der Landwirte Mitte Dezember im Kreis St. Wendel

Foto: Christian Feld

St. Wendel-Alsfassen, Mitte Dezember, Flammen züngeln meterhoch in den Nachthimmel, in direkter Sichtweite der viel befahrenen Bundesstraße B 41. Was hat es damit auf sich? Es ist ein Mahnfeuer. Ziel dieser Feuer ist es, Politik und Gesellschaft erneut auf die fortwährend prekäre Situation in der Landwirtschaft aufmerksam zu machen.

Wenn sich Landwirte bei nass-kaltem Wetter und Temperaturen um den Gefrierpunkt mit teilweise unbeheizten, lauten und langsamen Landmaschinen früh am Morgen aufmachen, um zu demonstrieren, drückt dies erneut die in vielen Betrieben herrschende Verzweiflung aus.

Es ist vielleicht der Landwirt aus dem eigenen Wohnort, der angesichts von Dumpingpreisen für Lebensmittel nicht weiß, wie er im nächsten Jahr die laufenden Raten für die Investition in emissionsarme Technik zur Ausbringung von Wirtschaftsdüngern bezahlen soll.

Es ist vielleicht der Landwirt aus dem Nachbarort, der bis spät in die Nacht über Formularen, Anträgen, Bescheiden und Genehmigungen sitzt, anstatt Zeit mit seiner Familie zu verbringen.

Es ist vielleicht der Landwirt, der nahe dem urbanen Raum wirtschaftet und sich bei der Gülleausbringung aufgrund der kurzen Zeitfenster, die die Witterung ermöglicht und die Verordnungen vorgeben, die Nacht um die Ohren schlägt und von einem genervten Autofahrer beschimpft und beleidigt wird.

All diese Landwirte sind es, die sich zwischen den Mühlsteinen von gesellschaftlichen Anforderungen, der Berliner und Brüsseler Politik und Umweltaktionismus eingequetscht und aufgerieben fühlen und deswegen auf die Straße gehen.

Erste Reaktionen aus der Politik auf die Bauernproteste sind bereits erkennbar. Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner hat eine „Wertschätzungskampagne“, in Verbindung mit einer „Roadshow“ angekündigt. Bundeskanzlerin Merkel hatte zum Agrargipfel geladen. Man hörte den 80 Vertretern verschiedenster Gruppierungen aus dem ländlichen Raum drei Stunden lang zu. Rein rechnerisch eine Redezeit von 2,25 Minuten für jede Gruppierung, um ihr Anliegen vorzutragen – ein Schelm, der Böses dabei denkt!

Und genau an dieser Stelle gilt es aufmerksam zu sein. Nachdem der Deutsche Bauernverband und die Gruppierung „Land schafft Verbindung“ im Ergebnis des Agrargipfels aufgefordert wurden, sich bis Februar auf ein Konzept für eine Zukunftskommission Landwirtschaft zu einigen, liegt der Ball nun wieder im Spielfeld des Berufsstands. Die Politik kann daher in aller Ruhe abwarten, was ihnen auf dem Silbertablett serviert wird. Es besteht auch die Gefahr, dass ein Keil in die Landwirtschaft getrieben wird.

Wenn die Landwirtinnen und Landwirte „ein Teil der Kultur und der Identität Deutschlands“ sind, wie es die Bundeskanzlerin formuliert hat, brauchen sie für ihre Arbeit ein sicheres Fundament aus verlässlichen Rahmenbedingungen, das von der Politik bereitgestellt werden muss.

Kürzlich hat der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans in einem Brief an die Bundeskanzlerin um finanzielle Hilfe für die Stahlindustrie seines Bundeslandes gebeten, da die Stahlproduktion aus dem Saarland in andere Länder mit geringeren ökologischen und sozialen Standards abzuwandern droht.

Das Mercosur-Abkommen (zwischen EU und lateinamerikanischen Staaten, d.Red.) ist für die deutsche Landwirtschaft das, was in der Stahlindustrie bezüglich ausländischer Konkurrenzprodukte angeprangert wird. Warum werden landwirtschaftliche Betriebe nicht mit der gleichen Wertschätzung bedacht? Gilt „Made in Germany“ nur für Stahl und Autos oder endet die Moral der Gesellschaft tatsächlich am Kühlregal des Supermarktes?

Vermutlich wird es noch einige weitere Mahnfeuer und „Roadshows“ brauchen. Faktenbasierte Argumentation, Zusammenhalt und Durchhaltevermögen werden für den Berufsstand zukünftig wichtiger denn je.

Im SZ-„Bauernkalender“ berichten Landwirte aus der Region jeden Monat über anstehende Arbeiten oder behandeln aktuelle Themen aus der Landwirtschaft.

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