Kolumne Unsere Woche Armut als Propaganda-Zweck

Meinung · Während die Tafeln in Lebach und Saarlouis einen Aufnahmestopp verhängen müssen, ätzt Friedrich Merz über „Sozialtouristen“. Beides sind Symptome eines kranken Systems.

Solidarität ist nun wichtiger denn je, findet unsere Autorin
Foto: Robby Lorenz

Die Not wächst an allen Ecken und Enden und mit ihr die Versuche, sie politisch auszuschlachten. Friedrich Merz – CDU-Privatflugzeugbesitzer, der sich selbst zur Mittelschicht zählt –, weiß natürlich nicht, dass die Tafeln in Saarlouis und Lebach in dieser Woche einen Aufnahmestopp verhängen mussten. Wenn er aber ukrainische Kriegsflüchtlinge als „Sozialtouristen“ verhöhnt (und kurz darauf halbherzig zurückrudert), ist das nichts weiter als der Versuch, die Schwächsten der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen.

Diese Taktik ist nicht neu. Es ist ein Spiel mit der Angst der Menschen vor dem finanziellen Abstieg, das erfolgreich von den eigentlichen Baustellen ablenkt. Das Resultat ist ein ständiges Nach-unten-Treten: Gegen Hartz-IV-Empfänger, sobald der Satz um ein paar Euro erhöht wird, und Flüchtlinge, die armen Rentnern angeblich einen Platz bei der Tafel wegnehmen würden.

Die viel wichtigere Frage wird dagegen schon gar nicht mehr gestellt: Nämlich, wieso es ein solches Hilfsangebot, das hauptsächlich von Spenden und ehrenamtlicher Arbeit lebt, überhaupt geben muss. Die pure Existenz der Tafeln ist ein Armutszeugnis für unseren Sozialstaat. Eine andere Meldung dieser Woche sollte in diesem Zusammenhang zu denken geben: Die Vorstandsgehälter der Dax-Konzerne sind im vergangenen Jahr um satte 25 Prozent gestiegen. Ein Dax-Manager verdient damit im Schnitt 53-mal so viel wie einer seiner Angestellten. Haben Sie Merz darüber meckern hören? Ich jedenfalls nicht.

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