Apropos Wahnsinnig wichtiger Wurstfabrikanten-Wutanfall

Was ist zehnmal wichtiger als der Mordanschlag auf zwei Obdachlose? Und wichtiger noch: Was ist von unserem Land zu halten, wo uns der Fabrikant und der Fußballer dann nicht wurst sind?

Mathias Winters Kolumne zu Özil
Foto: SZ/Robby Lorenz

Schluss mit lustig. An dieser Stelle wird viel zu oft gespielt. Mit Sprache, mit Erinnerungen, mit All- oder Festtagserlebnissen. Der Ernst der Lage verbietet es, so weiterzumachen. Leute, merkt ihr denn nicht, dass wir uns um die wirklichen Probleme kümmern müssen?

Neulich war das für gut einen Monat gegeben. Da wurde getippt, spekuliert, gefachsimpelt. Da stand im Mittelpunkt, was fälschlicherweise zur „schönsten Nebensache der Welt“ runtergeredet wird. War zwar ein bisschen blöd gelaufen, dass der selbsternannte Favorit mit peinlich eingeklemmten Schwänzchen schon gleich nach dem Aufgalopp in seiner Megahammergruppe hemm musste. Aber trotzdem war das Wichtigste überall wichtig. Weltspiele der Fußball-Nationen (auch wenn es in Russland geschah) – was waren wir froh.

Zwischendurch kam eine fürchterliche Phase. Zwar ging es im weiteren Sinne auch um Deutschland beziehungsweise seine ernsthaft gefährdete Zukunft, wenn noch ein paar weitere dutzend unblonde Menschen hierher kommen. Doch wirklich bewegend war das nicht. Ein paar Späßchen gemacht mit Horst und Angela, viel mehr war kaum passiert.

Aber jetzt. Endlich gibt es wieder Nachrichten von wahrhafter Relevanz. Nach 70 Tagen zwischen Hoffen und Bangen die Erlösung durch Herrn Özil. Der nicht übermäßig kluge Bub aus Gelsenkirchen schreibt einen Dreiteiler. Das Land wird durchgeschüttelt. Wäre in besagter Zwischenzeit die Union zwischen bayerischen, sozialen und im Rest der Republik demokratischen Christen zerbrochen – uns hätte es nicht so berührt wie das Erdbeben der Stärke unsere Elf auf der Nationalmannschaftsskala.

Was ist von einem Land zu halten, in dem der Wutanfall eines Wurstfabrikanten über einen Fußballspieler die zehnfache Aufmerksamkeit von einem Mordanschlag auf Obdachlose bekommt? Es ist Schluss mit lustig.

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