Die Welt wird langsam blasser

Unser Woche · In Saarlouis galt lange die Lüge als die ehrbare Steigerung der Wahrheit. Das ist die Geschäftsgrundlage des Tontonpreises. Für den empfiehlt sich, wer die Altstadt fördert, etwa durch häufigen Besuch, und dabei lange genug an der Theke flunkert.

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Foto: Robby Lorenz

Nachdem sich kaum mehr Kandidaten fanden, die den Tonton-Kriterien wirklich gehorchen, bogen und logen sich die Tontons ihre Nachfolger irgendwie zurecht. Sie gaben sich echt Mühe, ihre Wahl zu begründen, aber flunkern, ehrbar lügen, das konnten sie ja. Nun aber scheinen die weißen Tauben müde, wie ein Liedchen aus den 80ern heißt, der besten Zeit der Tontons: Aus dem Scherz-Preis des erfundenen Erz-Lügners Michel Tonton wurde 2016 die müdeste Variante der Lüge, nämlich gar keine. Nicht mal der Anschein von Unwahrheit. Stattdessen eine Begründung von der Stange. Thomas Kleist, SR-Intendant (ihm sei der Preis gegönnt, ist ja schon gut!) bekommt ihn. Begründung: für die "stete Präsenz des Saarländischen Rundfunks bei vielen Großereignissen und Festen in Saarlouis". Und noch dies: Die "Auszeichnung wird seit 1978 jährlich an eine herausragende Persönlichkeit aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vergeben." Schluss. Nix weiter. Mann, ist das lustig. Die Wahrheit als dramaturgische Steigerung der Lüge. Ach, singen wir lieber heiser und heiter das Liedchen mit den weißen Tauben weiter: "Ab morgen gibt's statt Wein nur Wasser/ Komm her und schenk uns noch mal ein,/ so viel wird morgen anders sein./ Marie, die Welt wird langsam blasser."

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