Das Wir ist das neue Ich

APROPOS · Haben Sie es gemerkt? Es ist so wunderbar, was um uns herum geschieht: Das Wir wird das neue Ich. Schluss mit Egoismus, Vereinzelung, sozialer Kälte. Segensreiche Mächte wirken.

Zuerst aus Optikerkreisen. Zur Sonnenfinsternis gab es so wenige SoFi-Brillen, dass geteilt werden musste. Toll. Professor und Straßenkehrer, Ärztin und Verkäuferin rückten zusammen. Solch schöne Stunden regen an. Selbst ein Konzern wie die Bahn entzieht sich nicht: 24 Euro für die Fahrt von Dillingen (oder auch kürzer ab Siersburg) nach Bouzonville und retour teuer zu nennen, geht doch am Thema vorbei. Das hehre Motiv des Die-Bahn-verbindet-Konzerns ist die Zusammenführung vorher wildfremder Menschen. Die Fünfer-Rotte kommt nämlich per Saarland-Ticket nur auf schlappe acht Euro pro Nase.

Schon finden sich erste Nachahmer. Bäcker erhöhen das Normalbrötchen auf 2,50, bieten aber den Zweidutzend-Weck für nen Zehner. Herzliche Kooperationsszenen am Samstagmorgen spendiert uns die Innung damit. Metzgereien ziehen mit dem Schwimmreifen-Lyoner - 80 Prozent billiger pro Kilo als die Standard-Größe - nach. Täglich wächst mehr zusammen, was als Individualkäufer so schmerzhaft getrennt war.

Die Politik grübelt noch. Fünf Leute, die gemeinsam wählen, könnten pro Kopf zwei Wahlzettel bekommen. So viel soziale Wärme ist aber wahrscheinlich nicht verfassungskonform.

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