Hitzewelle im Saarland Hitze im Saarland: Ärzte warnen vor Gefahren für die Gesundheit – und geben Tipps

Service | Berlin/Homburg · Experten sind alarmiert: Immer noch unterschätzen viele Menschen die gesundheitlichen Gefahren durch zu hohe Temperaturen. Die SZ hat mit einigen gesprochen – und erfahren, welche Dinge man beachten sollte, um gut durch die Hitzewelle zu kommen.

 Sommerspaß im Freien? Der ist ab bestimmten Temperaturen nicht mehr drin. Hitze belastet den Körper massiv – und kann sogar tödlich sein, warnen Experten. Sie geben Tipps, auf was die Menschen achten sollen. Die gehen weit über „viel trinken“ hinaus.

Sommerspaß im Freien? Der ist ab bestimmten Temperaturen nicht mehr drin. Hitze belastet den Körper massiv – und kann sogar tödlich sein, warnen Experten. Sie geben Tipps, auf was die Menschen achten sollen. Die gehen weit über „viel trinken“ hinaus.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Seit Wochen leidet halb Europa unter einer massiven Hitzewelle. Die damit einhergehende Trockenheit führte in Frankreich und auf der iberischen Halbinsel bereits zu großflächigen Waldbränden. Die Temperaturen sind aber auch eine große Gefahr für die Gesundheit: In Spanien starben laut regionalen Medien mindestens 360 Menschen an Hitze – nur in der vergangenen Woche.

Weil solche extremen Temperaturen durch die Klimakrise immer wahrscheinlicher werden (siehe Info), wird das Thema für Ärzte auch immer drängender: Auf Bundesebene warnt die „Deutsche Allianz Klimaschutz und Gesundheit“ (KLUG) mit Sitz in Berlin vor den Gefahren großer Hitze. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Martin Herrmann kritisierte kürzlich in einem Gespräch mit dem Recherchezentrum Correctiv, dass viele Kommunen bisher keine Hitzeaktionspläne haben. Zudem hätten „praktisch keine Kliniken in Deutschland einen Hitzeschutzplan“, Fortbildungen für Mediziner fehlen ebenfalls. „Da gibt es einen riesigen Nachholbedarf, deshalb sagen wir: Da ist Gefahr in Verzug, wir müssen ganz schnell was tun.“

Auch saarländische Ärzte alarmiert

Die saarländische Ärztekammer hat das Problem bereits erkannt und einen Arbeitskreis „Klima und Gesundheit“ gebildet. Dr. Andrea Oest steht dieser Gruppe vor. Auch wenn die derzeitige Hitzewelle im Saarland (noch) nicht so extrem ist und voraussichtlich nicht so lange anhalten wird wie in Südeuropa, ist der Ärztin aus Homburg ihre Besorgnis deutlich anzuhören: Die Gruppe der Personen, die bei Hitze einem besonderen Risiko ausgesetzt sind, sei wesentlich größer als allgemein bekannt (siehe Artikel unten). Dazu gehörten beispielsweise auch Kinder und Jugendliche unter 15, „eine riesige Menschengruppe“, betont Dr. Oest.

Eigentlich müssten Arztpraxen Risikopatienten identifizieren und entsprechend informieren. „Außerdem sollten genau diese Personen nicht ausgerechnet in der Mittagshitze einbestellt werden. Dazu wäre eine Umstellung der Sprechzeiten nötig.“ In ihrer eigenen Praxis handhabt die Allgemeinmedizinerin das bereits so: Beratungen fanden an diesem Montag, wenn möglich, telefonisch statt, oder Termine wurden in die frühen Morgenstunden umgelegt.

Laut Dr. Herrmann von KLUG könnten bereits „wenige einfache Maßnahmen“ das gesundheitliche Risiko durch Hitze deutlich senken. Diese finden sich auf der Website von KLUG (siehe Online-Hinweis), zudem sind dort weitere Verhaltenstipps (beispielsweise vom Bundes-Umweltministerium) gesammelt. Die SZ hat die wichtigsten Empfehlungen hier zusammengestellt.

So schützt man sich vor extremer Hitze

Viel trinken: Grundsätzlich muss bezüglich Trinken bei extremer Hitze folgendes beachtet werden: „Stündlich ein Glas Wasser trinken – auch ohne Durstgefühl!“, schreibt KLUG auf ihrer Website. Das ist insbesondere für Ältere wichtig, da mit dem Alter das Durstgefühl nachlässt. Geeignet sind Leitungswasser, Mineralwasser, gekühlter Kräutertee ohne Zuckerzusatz, Tee mit Minze und Zitrone. Allerdings sollten die Getränke nicht eiskalt sein – diese auf Körpertemperatur zu bringen, belastet den Körper zusätzlich.

Für Abkühlung sorgen: Nur mit einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr kann der Körper schwitzen und sich auf diese Weise kühlen. Arm- oder Fußbänder mit kühlen Wasser oder das Auftragen kühlender Lotionen können diesen Prozess unterstützen.

Vorsicht mit Medikamenten: Es steht zwar eigentlich in jeder Packungsbeilage, wird aber häufig überlesen: Die Wirksamkeit vieler Medikamente nimmt bei Hitze ab. „Ab 25 Grad sollten Medikamente im Kühlschrank gelagert werden“, betont Dr. Oest deshalb. Wer regelmäßig Arzneimittel einnimmt, sollte zudem Rücksprache mit seinem Hausarzt halten: „Es gibt bestimmte Medikamente, die man bei Hitze absetzen oder reduzieren sollte.“ Dazu gehören beispielsweise solche, durch die Patienten weniger schwitzen. Dadurch ist die natürliche Temperatur-Regulierung des Körpers gestört, was fatale Folgen haben kann.

Luftbewegung erzeugen: Fächer oder Ventilatoren haben einen zusätzlichen Kühlungseffekt. Ab einem gewissen Grad hilft aber selbst das nicht mehr, gibt Dr. Oest zu bedenken: „Ab etwa 35 Grad sind Ventilatoren zur Kühlung nicht mehr geeignet, da sie dann nur noch heiße Luft auf die Haut bringen.“

Der Hitze entfliehen: Aktivitäten im Freien sollten ausschließlich in den frühen Morgen- oder Abendstunden stattfinden. Das gilt im Übrigen auch für Menschen, die nicht zu einer Risikogruppe gehören: „Auch Gesunde sollten ab 28 Grad nicht mehr draußen Sport treiben“, betont Oest. Wer sich dennoch draußen aufhält, sollte auf eine Kopfbedeckung achten und Sonnenschutz auftragen. Leichte, luftige Kleidung aus Naturmaterialien sind drinnen wie draußen zu empfehlen.

Maßnahmen zu Hause: Hier sollten die Räume nach Möglichkeit abgedunkelt werden. Ausgiebiges Lüften sollte vor allem morgens und abends stattfinden, wenn es kühler ist. Das Aufhängen von hassen Handtüchern oder Bettlaken kann ebenfalls helfen, die Raumtemperatur zu senken. Laut WHO sollte die Temperatur tagsüber 32 Grad, nachts 24 Grad nicht überschreiten. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, diesen Wert regelmäßig zu messen.

Elektrogeräte abschalten: Diese strahlen Hitze ab, weshalb sie nach Möglichkeit ausgeschaltet werden sollten.

Kühle Orte aufsuchen: Ist es nicht möglich, die Wohnung zu kühlen, sollten Betroffene dennoch zwei bis drei Stunden am Tag an einem kühlen Ort verbringen. Dazu zählen beispielsweise klimatisierte Kaufhäuser, Kirchen, U-Bahnstationen oder andere öffentliche Gebäude mit Klimatisierung.

Angepasste Ernährung: Auf Kaffee, stark gezuckerte Getränke oder Alkohol (auch Bier!) sollte verzichtet werden. „Eiweißreiche Kost, also zum Beispiel Fleisch oder Fisch, erhöhen die Körpertemperatur zusätzlich, wasserhaltige, pflanzliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse oder Salat können den Körper kühlen“, erklärt Dr. Oest.

Auf andere Menschen acht geben: Oft werden die gesundheitlichen Folgen von zu viel Hitze selbst von Betroffenen nicht erkannt oder falsch eingeschätzt – gerade von älteren Personen. Dr. Oest appelliert daher, nicht nur auf sich selbst zu achten: Angehörige und Nachbarn gefährdeter Menschen sollten die Augen offen halten und, falls nötig, Hilfe anbieten. Das gilt im Übrigen auch für Obdachlose: Für die gibt es im Winter Hilfe in Form von Kältebussen – ein entsprechendes Angebot bei extremer Hitze fehle dagegen meist, kritisiert Dr. Herrmann von KLUG.

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