Bergehalde Hier oben spielt die Musik

Ensdorf · Sebastian Voltz begeistert bei einem Klavierabend auf dem Saarpolygon – und die Welt drumherum wird zum Stummfilm.

 Besonderer Zauber: ein Konzert unterm Saarpolygon

Besonderer Zauber: ein Konzert unterm Saarpolygon

Foto: Johannes A. Bodwing

Ganz oben spielt die Musik. Der Flügel für Sebastian Voltz steht am Mittwochabend auf dem Plateau der Bergehalde Duhamel bei Ensdorf, 150 Meter über dem Saartal. Zu beiden Seiten der Open-Air-Bühne ragen die Aufgänge des Saarpolygons weitere 28 Meter in den Himmel hinauf. Eine verrückte Sache, begeistert sich Pianist Voltz im Gespräch, während etwa 200 Zuhörer an drei Seiten des Instrumentes Platz nehmen. Etliche von ihnen kamen zu Fuß nach oben, für andere stand ein Bus bereit. 

Rotblond steht Voltz am Bühnenrand, weiße Brille und rote Schuhe zu schwarzer Kleidung. Er wurde 1980 in Illingen geboren und bekam seinen ersten Klavierunterricht mit sieben Jahren. Mehrfach war er Preisträger des Wettbewerbes „Jugend musiziert“ und studierte an der Hochschule für Musik in Saarbrücken. „Diese Veranstaltung ist sozusagen eine Premiere“, begrüßt Volker Hagelstein, künstlerischer Leiter des Fördervereins „Bergbau-Erbe Saar“, das überwiegend warm angezogene Publikum.

Im Januar habe er seinen Klavierstimmer gefragt, ob man einen Flügel auf die Halde hinauf bekomme. Das schien kein großes Problem zu sein. Dann kam Voltz als Musiker ins Spiel, den niemand mehr für diese ausgefallene Idee überreden musste. Für ihn war es „ein absolutes Novum“, begeistert er sich.

 Gegen 20 Uhr erklingen die ersten zarten, aber klaren Töne. Voltz zeigte sich schon bei Proben erstaunt, dass der Flügel die Töne so sauber trägt. Und jetzt auch trotz Wind, der im Verlauf des rund zweistündigen Konzertes noch etwas zunimmt. Eigentlich kommt Voltz aus der klassischen Rubrik, seit einigen Jahren geht es in Richtung Jazz. Aus beidem mixt er am Mittwoch faszinierende Improvisationen. Barocke Elemente verschmelzen beispielsweise mit Jazz und münden in verträumte Melodien der romantischen Klassik.

Passend zur Abendstimmung geht es im ersten Konzertteil um das Thema Licht. Im Verlauf der Stücke versinkt die Sonne im Westen zunehmend hinter dem Saargau. Beinahe wie bestellt steigt zum zweiten Teil im Osten der Mond auf, groß, rund und rötlich.

 Die Dunkelheit fließt in Voltz‘ Stücke ein, darunter eine Hommage an den Mond in drei Titeln. Zum Beispiel „Clair de lune“ von Claude Debussy. Eine erstaunliche Wirkung geht von dem Konzert aus, hat man den Pianisten im Rücken. Ringsum liegt die Welt im Dunkeln, wie ein Stummfilm, zu dem Voltz die Musik spielt. Unten im Saartal ziehen Autoscheinwerfer über die Straßen. Dillinger Hütte und Röderberg sind eine Insel aus Lichtquellen. Ringsum am Horizont blinken rote Signallichter von Windrädern. Und alles ist still, bis auf den leicht böigen Wind und das Klavier.

Mit dem Seaboard, einem neuartigen Synthesizer, unterlegt Voltz einzelne Stücke mit streicherartigen nahezu sphärischen Klängen. Die verfremdete Arie „Voi che sapete“ aus Mozarts „Hochzeit des Figaro“ breitet sich über Publikum und Plateau aus. „Das harmonische Gerüst und Melodie-Fetzen habe ich drin gelassen“, erklärt Voltz später im Gespräch. Zahlreiche Eigenkompositionen fließen ein, darunter „Erinnerung Newa“ mit teilweise schwermütigen Akkorden. Sie geht zurück auf Inspirationen im vergangenen November in St. Petersburg.

 Das Polygon macht’s möglich: Ein Blick von oben auf den Pianisten und die Zuhörer.

Das Polygon macht’s möglich: Ein Blick von oben auf den Pianisten und die Zuhörer.

Foto: Johannes A. Bodwing

Als Dank an einen der größten Komponisten beendet Voltz das Konzert mit einem jazzgetränkten Choral von Johann Sebastian Bach.

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