Chormusik „Dirigieren ist für mich eine Seelensprache“

Ensdorf · Er ist stellvertretender Präsident des Landesmusikrates Saar, er war lange Präsident des Saarländischen CHorverbandes und stellvertretender Bundeschormeister. Die Ämter wechselten. Aber eines blieb: Hermann Josef Hiery, 81, dirigiert seit 50 Jahren Chorsänger in seinem Heimatort Ensdorf.

 Hermann Josef Hiery dirigiert die Chorgemeinschaft Ensdorf.

Hermann Josef Hiery dirigiert die Chorgemeinschaft Ensdorf.

Foto: Hans Theo Fritz/Chorgemeinschaft/Hans Theo FRitz

Herr Hiery, „Das gibt’s nur einmal“ hat die Chorgemeinschaft Ensdorf über ihr Jubiläumskonzert aus Anlass von 50 Jahren Ihrer Chorleitung geschrieben. 50 Jahre Dirigent in Ensdorf. Haben Sie immer noch den Taktstock vom Anfang?

Hermann Josef Hiery Zwei Taktstöcke, einen im Notenschrank, den anderen in meinem Herz. Dirigieren ist für mich Seelensprache, man muss aus dem Empfinden heraus gestalten. Das Allerwichtigste für einen Dirigenten ist nicht die Technik, sondern das Gespür für die Musik, das Grundlage seiner Interpretationen bildet und das fähig ist, die Eigenschaften unterschiedlicher Individuen zu einem gelingenden Ganzen zu vereinen.

Warum Ensdorf? Ohne den örtlichen Chören zu nahe zu treten: Hätten Sie nicht größere Chöre gereizt?

 Lebt mit Musik: Hermann Josef Hiery

Lebt mit Musik: Hermann Josef Hiery

Foto: H.-D. Kuhn

Hiery Eindeutig: Nein! Ich war glücklich mit meinen Chören der "Heiterkeit"; ich spürte sofort in allen Chorstunden die berauschende Lust, die allem Schöpferischen innewohnt. Denn das gemeinsame Singen ist die Urzelle der Musik. Später dann das Angebot des Ford-Werkchores. Auch ihr Chordirigent zu werden, reizte mich natürlich und ich habe nach reiflicher Überlegung zugesagt und dies nie bereut. Klar aber war für mich von Anfang an, dass ich meine Ensdorfer Chöre durch dieses Engagement nicht vernachlässigen und schon gar nicht verlassen werde.

50 Jahre derselbe Dirigent. Aber in der Zeit hat die Zusammensetzung des Chores hat gewechselt. Singt dieses Chorgemeinschaft, singen Chöre überhaupt heute besser oder schlechter als vor 50 Jahren?

Hiery Die Altersstruktur mancher Chöre bedingt ein Nachlassen der Spannkraft bei aller Einsatzbereitschaft der älteren Sängerinnen und Sänger. Hier beeinträchtigt die Überalterung die Singfähigkeit, sodass leider viele Chöre zwangsläufig ihre Aktivitäten einstellen.

Was empfehlen denn Sie selbst zu hören?

Hiery Männerchöre sind etwas Wunerbares! So richtig toll, authentisch, der Wahnsinn ist der Leipziger Rundfunkchor.

Welche Erfahrungen machen Chöre mit Zusammenschlüssen? Die Chorgemeinschaft Ensdorf ist ja nur ein Beispiel.

Hiery Zunächst natürlich gute Erfahrungen. Der Chorklang wurde kompakter, die Klang-farbe vielfältiger, man konnte anspruchsvollere Chorwerke aufführen. Doch nach ein paar Jahren ist man dann durch altersbedingtes Ausscheiden wieder an dem Punkt angelangt, wo man doch glaubte, durch den Zusammenschluss eine Chorgemeinschaft auf die Dauer zu retten.

Welchen Anteil am Erfolg eines Chores hat nach Ihrer Erfahrung der Dirigent?

Hiery Er hat einen großen Anteil am Erfolg seines Chores. Kein Chor will schlecht singen. Daher gilt es für den Chorleiter, alle Kräfte zu mobilisieren und unentwegt zu motivieren. Man muss die Stimmen zusammenbringen, zur Einheit formen. Man muss den Sängern und Sängerinnen begreifbar machen, was hinter den Noten steht, die Fähigkeit vermitteln, im natürlichen Hinströmen des Gesangs Form und Ausdruck zu etwas Ganzheitlichem zu verbinden: eine nahezu ideale Synthese von Herz, Seele und wachem Verstand. Eine überaus reizvolle Aufgabe!

Das Saarland, gerade unsere Region, weist eine große Dichte an ordentlichen Chören und Orchestern auf. Woran liegt das?

Hiery Unser kleines Land wurde in der Geschichte oft zum Spielball der Mächtigen und somit viele Male hin- und hergeschoben. Das und seine Wirtschaftsstruktur förderten den Zusammenhalt der Bevölkerung auch im kulturellen Bereich; hier fühlte man sich verstanden, aufgehoben und geschützt.

Die Existenz von Chören ist kein Naturgesetz. Eigentlich ein Phänomen des 19. und 20. Jahrhunderts, seitdem bröckelt die Szene. Bringt es was, sich gegen den Wandel zu stellen?

Hiery Nein, man muss immer versuchen, den Wandel mitzugestalten. Hier verweise ich auf den fränkischen König und Kaiser Lothar I., den Enkel Karl des Großen, der in Prüm/Eifel begraben ist und einmal sehr weise sagte: Tempora mutantur et nos mutamur in illis. (Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in den Zeiten).

Sie bleiben der Ensdorfer Chorgemeinschaft als Leiter auch weiter erhalten?

Hiery Soweit meine Sängerinnen und Sänger mich auch fortan als ihren Chorleiter ertragen und ich gesund bleibe. Ja!!!

„Das gibt’s nur einmal“, Jubiläumskonzert der Chorgemeinschaft Ensdorf, Sonntag, 24. März, 17 Uhr, Festsaal Bergmannsheim Ensdorf, acht Euro. Der Chorgemeinshaft gehören an: MGV Heiterkeit 1890, MGV Concordia 1905, Gemischter Chor Heiterkeit 1966. Zusammen sind es 50 Sängerinnen

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