„Wir müssen ein Problembewusstsein schaffen“

Betrunkene Minderjährige beschäftigen immer wieder Polizei und Jugendhilfe. Mit Dieter Held, Sachgebietsleiter beim Kreisjugendamt Saarlouis, sprach SZ-Redakteurin Nicole Bastong.

Herr Held, eine Zwölfjährige wird betrunken von der Polizei aufgegriffen. Was passiert in einem solchen Fall?

Dieter Held: 2009 haben wir die Aktion "Kenne deine Grenzen" ins Leben gerufen, dazu gehört auch, dass alle Polizeidienststellen im Landkreis uns informieren, wenn sie Minderjährige alkoholisiert aufgreifen. Was wir nicht bekommen, sind die Informationen aus den Krankenhäusern, aus Datenschutzgründen. Doch da sind wir in Verhandlung, dass auch hier Meldungen erfolgen können. Wir nehmen dann Kontakt zu den Betroffenen und den Eltern auf.

Das heißt, es kommt ein Brief vom Jugendamt?

Held: Genau, wir schreiben die Eltern an und bieten Informationen und Beratung an. Das geschieht in Kooperation mit den Suchtpräventionsstellen der Awo, des Gesundheitsamtes und der Caritas. Wir schlagen den Eltern schriftlich einen Termin in einer der Beratungsstellen vor. Bisher ist es so, dass 90 Prozent der Eltern, die wir anschreiben, diesen Termin auch wahrnehmen. Die meisten Eltern sind froh über das Angebot. Wir erleben viel Hilflosigkeit, und auch Dankbarkeit, dass sich endlich jemand der Sache annimmt.

Können Eltern ein solches Trinkverhalten denn verhindern?

Held: Verhindern kann man das nicht. Die Kinder sind in einem Versuchsstadium, in dem sie ausprobieren. Was wir Eltern raten, ist ganz offen damit umzugehen. Ein Patentrezept gibt es nicht. Strikte Verbote nutzen wenig. Außer unter 14 Jahren, da ist ganz klar: Alkohol ist verboten, auch vom Gesetz her. Der Weg in die Abhängigkeit ist bei Missbrauch in dem Alter vorgezeichnet.

Ist diese Zwölfjährige ein Einzelfall oder haben Sie öfter mit betrunkenen Kindern zu tun?

Held: Die Altersgrenze hat sich nach unten verschoben. Zwölfjährige sind kein Einzelfall. Wir laden alle ein, die unter 16 Jahren sind und alkoholisiert von der Polizei aufgegriffen werden, unabhängig davon, wie viel sie getrunken haben. Wir müssen einfach ein Problembewusstsein schaffen, auch bei den Eltern.

Zum Thema:

HintergrundEine Zwölfjährige aus Saarlouis ist am Samstag gegen 16 Uhr in Nalbach aufgegriffen worden (die SZ berichtete). Nach Angaben der Polizei Dillingen war das stark betrunkene Mädchen kaum ansprechbar. Zusammen mit ihrer 15-jährigen Freundin aus Nalbach hatte sie eine Flasche Wodka und mehrere Colabier getrunken. Wie die Minderjährigen an den Alkohol kamen, wollten sie nicht verraten. Die Zwölfjährige wurde an ihre Mutter übergeben, die sie ins Krankenhaus brachte. nic

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort