„Wie ein Wolfsrudel“ für das Wild

Dieffeln · Damit der Wald von selbst wächst, dürfen ihm Wildtiere nicht die Knospen fressen und Rinden abschälen. Jäger greifen dann ein, wenn das Wild zu zahlreich ist. Jagd gilt also als waldbauliches Handwerk. Bei einer Bewegungsjagd sind die besten Schützen gefordert. Harte Jobs haben auch die Treiber und ihre Hunde.

 Gut sichtbar sein müssen bei Bewegungsjagden Treiber und Hunde. Sicherheit wird großgeschrieben, wo so viele Menschen und Waffen auf kleinem Raum sind. Fotos: Rich serra

Gut sichtbar sein müssen bei Bewegungsjagden Treiber und Hunde. Sicherheit wird großgeschrieben, wo so viele Menschen und Waffen auf kleinem Raum sind. Fotos: Rich serra

Die Jagd beginnt so ähnlich wie eine Flugreise: mit der Verlesung der Sicherheitsbestimmungen. Im Gegensatz zu den Passagieren hören die Jäger aber zu. Und es ist eine Menge, was Jagdleiter Dieter Bonaventura vom Saarforst Landesbetrieb über den Ablauf der nächsten drei Stunden zu sagen hat, über das Abrücken und die Warnwestenpflicht, über Schussabgaben und die Lage der Rettungspunkte. "Lebensgefahr" verkünden Tafeln und Sperrbänder an allen Zuwegungen des Beckinger Waldes an diesem trüben Samstag. Da bleiben die Leute aus dem Ort lieber mal draußen und überlassen ihn der Jagdgesellschaft.

Auf dem Land, so berichten die Männer, dürfe die Jagd traditionell auf Wohlwollen der Bevölkerung vertrauen, und seit Wildschweine immer öfter Schäden in den Gärten anrichteten und auch Angst verbreiteten, ertöne sogar der Ruf nach noch mehr Abschüssen.
Gut 50 Jäger machen mit

Über 50 Jäger nehmen auf Einladung des Saarforstes an der so genannten Bewegungsjagd auf Rehe und Wildschweine teil. Das Ziel ist ein waldwirtschaftliches, nämlich die Anpassung des Wildbestandes an den Lebensraum Wald.

Im Saarland soll sich, das ist so festgelegt, eine Vielfalt heimischer Baumarten großflächig naturnah entfalten, also weitgehend ohne Pflanzungen. Das gelingt nach herrschender Einschätzung nicht, wenn zu viel Wild - Rehe, Schwarzwild, Damwild - die Knospen junger Bäume frisst oder Rinden abschält. Füchse und Dachse sind nicht freigegeben. Es wird gejagt, damit der Wald besser wächst.

Anders herum sagen viele Förster, dass man einem Wald ansehe, ob die Jagd "stimmt". Die Bewegungsjagd gilt als effizienteste und gleichzeitig tierschutzgerechte Methode, die Bestände anzupassen. Die Beckinger ist eine von etwa 25 Bewegungsjagden des Saarforstes landesweit in diesem Jahr. Die meisten stehen noch bevor. Es seien ausnahmslos vorzügliche Schützen, die ihre Fähigkeiten regelmäßig trainierten und mit Dokumenten nachweisen könnten, erklärt Mitorganisator Bernd Diener. Einige Gäste sind weit angereist, etwa die Brüder Andreas und Gottlieb Häfliger aus Luzern. Der Landwirt und der Lastwagenfahrer haben Bindungen ins Saarland und schätzen "die sehr gut organisierte Veranstaltung". Etwa hundert Stunden Vorbereitung stecken drin.
Treiber scheuchen Wild auf

 Hier lässt ein Jagdhund sich die Schutzweste anlegen.

Hier lässt ein Jagdhund sich die Schutzweste anlegen.

 Vor jeder Drückjagd geht es zunächst um die strengen Sicherheitsregeln. Jagdleiter Dieter Bonaventura verliest sie.

Vor jeder Drückjagd geht es zunächst um die strengen Sicherheitsregeln. Jagdleiter Dieter Bonaventura verliest sie.

 Auf dem Ansitz ist dieser Waidmann bereit zum Schuss.

Auf dem Ansitz ist dieser Waidmann bereit zum Schuss.

 Ein erlegtes Wildschwein.

Ein erlegtes Wildschwein.

 Bei der Drückjagd im Staatsforst Beckingen hatten die Treiber viel zu tun.

Bei der Drückjagd im Staatsforst Beckingen hatten die Treiber viel zu tun.

Alle Jäger verteilen sich gegen 10 Uhr weiträumig im Wald und nehmen jeweils ihre erhöhten Ansitze, die Jagdböcke, ein. Dann wird die Jagd eröffnet, bei diesem großen Jagdgebiet nicht durch ein Signal aus Hörnern, sondern nach der Uhr. Damit den Schützen etwas vor die Büchse kommt, bewegen sich etwa zwei Dutzend Menschen, Beunruhiger oder Treiber genannt, in mehreren lockeren Formationen und Richtungen hin und her durch den Wald. Ihre Aufgabe ist es, das Wild aus seinen so genannten Einständen heraus zu bewegen. Es soll möglichst langsam gehen, also nicht gehetzt werden, damit die Schützen es gezielt erlegen können. Die Treiber gehen, ständig rufend, in Regionen, in denen sich das Wild sicher wähnt und wo nie ein Wanderer hinkommt, in dichte Waldabschnitte, in Morast, steile Hänge, sperriges Altholz und Brombeergestrüpp. Im Kern ist das anstrengender Abenteuersport.

Saarförster René Fontaine, ein Jäger, der aber heute mit Ehefrau Sina als Beunruhiger zum Jagderfolg beiträgt, bewehrt die gefährdeten Schienbeine mit harten Gamaschen, wie sie die Bergleute im Schacht tragen. Trotz der Kühle schwitzen die Treiber, denn sie schützen die Haut mit dicken Jacken vor Verletzungen.

Unverzichtbare "Mitarbeiter" sind ihre Hunde. Je nach Rasse und Ausbildung bleiben sie in Rufweite ihrer Besitzer oder beunruhigen sozusagen auf sich gestellt. Insgesamt wirkt die Jagd auf das Wild ähnlich "wie ein Wolfsrudel", das kurz in den Wald eindringe, Unruhe stifte, Beute mache, wieder wegziehe und ein Jahr Ruhe gebe, beschreibt es Bernd Diener.

Die Hunde haben den mit Abstand gefährlichsten Job, kommen den Schweinen so nah wie kein Mensch und werden bisweilen auch attackiert, verletzt oder gar getötet. Deshalb tragen sie Schutzwesten, die den Zähnen der Wildtiere Widerstand leisten.

Denka und Denko, die älteren Deutschen Wachtelhunde der Fontaines, haben schon Begegnungen mit Wildsauen überstanden - und wohl auch Respekt vor den großen Wildtieren gelernt. Dank GPS-Sendern an den Halsbändern kann man die Hunde am Jagdende wieder gut finden. "Wenn die Schützen uns sagen: ,Das habt ihr gut gemacht', ist es für uns das größte Kompliment", beschreibt René Fontaine den Reiz der Aufgabe.

Es kracht an diesem Samstag heftig im Beckinger Wald. 14 Rehe und 29 Sauen werden bei der Saarforst-Jagd zur Strecke gebracht.

Das Fleisch wird unverzüglich an Metzger in der Region verkauft, die es dann ihren Kunden anbieten. Bei der privaten Nachbarjagd in Diefflen, die sich aus Gründen der Arbeitsteilung angeschlossen hat, werden fünf Rehe und 15 Wildschweine geschossen.

Nur in insgesamt fünf Fällen ist mehr als ein Schuss, also eine Nachsuche, nötig. Es wurde also sehr diszipliniert geschossen. Für Bernd Diener ist das Ergebnis der Jagd "hervorragend": für den Wald und natürlich für die Teilnehmer, die alle gesund heimgekommen sind und beim Reit- und Fahrverein noch eine Suppe einnehmen.

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