Wenn die Alchimistin in der Hexenküche werkelt

Dillingen · In einer neuen Ausstellung zeigt der Dillinger Kunstverein Werke von Magdalena Grandmontagne. Die Künstlerin, die in Dillingen aufgewachsen ist und in Nizza Radierung und Malerei studierte, hat bereits mehrfach in der Region und im Ausland ausgestellt. Im Alten Schloss Dillingen sind Bilder der Künstlerin aus den letzten Jahren zu sehen. Nach der Begrüßung durch den neuen Vereinsvorsitzenden Dr. Lambert Holschuh hielt Kunsthistoriker Wolfgang Birk die Laudatio.

Ein kleiner Klumpen Bienenwachs war's, den ihr Mann ihr ins Haus brachte und der die Künstlerin sogleich inspirierte. Sie erinnerte sich an eine althergebrachte Technik: an die Enkaustik (griechisch), eine 3000 Jahre alte Maltechnik, die erstmals in den Mumienporträts im ägyptischen Fayum auftaucht. Farbpigmente werden in gekochtem Wachs gelöst und zum Malen mit langsam trocknendem Nuss öl versetzt.

Heißes Wachs auf Holzträgern

Magdalena Grandmontagne startet erste Versuche, lässt das heiße Wachs kreuzweise auf Holzträger träufeln und ist fasziniert von dem transparenten Erscheinungsbild, das sich durch das in Schichten aufgetragene Wachs erzielen lässt. "Die Wirkung erinnert an Naturmaterialien, an hellen Marmor oder Alabaster oder an Naturerscheinungen wie dem diffusen Licht zu Tagesbeginn oder bei Nebel", meint Kunsthistoriker Wolfgang Birk in seiner Rede und schildert unterschiedliche Vorgehensweisen.

Die Künstlerin beeindruckt seit Jahrzehnten mit unterschiedlichen Techniken, doch diese Bilder zeigen eine neue Dimension innerhalb ihres Werks.

Der Betrachter wird teilweise an die alte chinesische Lackkunst erinnert, bei der mit dem milchig-weißen Rindensaft des Lackbaums gearbeitet wird. Ihr sicheres Gefühl für Farben kommt ihr zur Hilfe: Grandmontagne erzielt einzigartige Effekte, indem sie die Tropfenreihen nicht nur mit farblich sehr augenfälligen Pigmenten versieht: Schwarz, Zinnoberrot, ein mineralisches Ultramarin oder ein pflanzliches Indigo. Sie bearbeitet die weiche Masse zudem subtil mit Grabstichel und Radiernadel. Alte Spuren werden durch neue Strukturen und Schichten überlagert.

Diese Technik verwendet sie insbesondere in den "Palimpsests", einer weiteren Serie von Enkaustiken. Dabei handelt es sich um eine mehrfach beschriebene antike Wachstafel, ein abgeschabtes und überschriebenes Pergament- oder Papyrusblatt.

"Ursprünglicher Text oder ursprüngliche Malerei sind nur noch in Ansätzen erkennbar", erläutert Birk. "Kleine Tuschestrukturen erinnern an solche Schriftfragmente. Übereinander aufgetragene transparente Wachsschichten werden zusätzlich durch Pigmente belebt." Immer neue Oberflächen begeistern.

Die Künstlerin hat ihr Handwerk gelernt, ist aber immer auch Alchimistin in der "Hexenküche" ihres Ateliers "Fermate" im lothringischen Beckerholz. Dabei geht es ihr nicht um die Illustration chemischer Prozesse, sondern darum, das Interagieren zweier Stoffe zu erkunden und als ästhetisches Stilmittel in die Kunst einfließen zu lassen.

Sie liebt die Auseinandersetzung mit Materialien und Strukturen. So sind in der Ausstellung auch andere Werkgruppen zu sehen: einmal die Serie "TransFer", an der die Künstlerin bereits seit 2008 arbeitet, zum anderen, im dritten Raum, runde Bleischeiben unter Glas, die kosmischen Charakter vermitteln. Eine spannende, gut konzipierte Ausstellung, die das erfolgreiche Programm des Dillinger Kunstvereins fortsetzt.

Finissage mit Vortrag

Die Finissage ist am Donnerstag, 22. Dezember, 18 Uhr, mit einem Vortrag von Professor Wolfgang Werner zum Thema "Transfer des Himmels. Schöpfen und verschleiern". Öffnungszeiten: freitags und samstags, 16 bis 19 Uhr, sonntags, 14 bis 18 Uhr, im Beisein der Künstlerin.

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