Wenn das Lernen schwer fällt

Dillingen · Warum funktioniert das Gehirn von Kindern mit ADHS anders? Und wie können Eltern und Lehrer ihnen beim Lernen helfen? Fachleute erklärten dies beim ADHS-Infotag in Dillingen in Vorträgen und Workshops.

 ADHS-Fachtagung in der Stadthalle Dillingen. Vorne (v.l.): Petra Gerten (Elterninitiative ADHS), Kinderpsychiater Dr. Bernd Janthur und Dorothea Drewitz (Gesundheitsamt Saarlouis). Foto: Seeber

ADHS-Fachtagung in der Stadthalle Dillingen. Vorne (v.l.): Petra Gerten (Elterninitiative ADHS), Kinderpsychiater Dr. Bernd Janthur und Dorothea Drewitz (Gesundheitsamt Saarlouis). Foto: Seeber

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"Gehirn und Lernen mit ADHS" - dieses Thema lockte über 200 Lehrer , Eltern , Erzieher und Sozialarbeiter aus dem ganzen Saarland am Dienstag in die Dillinger Stadthalle. Über "eine tolle Resonanz" freute sich Dorothea Drewitz, Leiterin des Arbeitskreises ADHS beim Gesundheitsamt Saarlouis, die gemeinsam mit Petra Gerten von der Elterninitiative ADHS Saarlouis und Dieter Rust von der Stadtjugendpflege Dillingen den Infotag organisierte.

Drei bis fünf Prozent aller Schulkinder, in Deutschland wie in anderen Kulturen, sind von ADHS betroffen, erklärte Professor Eva Möhler, Chefärztin der SHG-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Kleinblittersdorf. Sie gab in ihrem lebhaften Vortrag "Gehirn , Entwicklung und ADHS" einen grundlegenden Einblick in die Funktionsweise des kindlichen Gehirns bei ADHS: Warum sind die Kinder so oft vergesslich, laut, impulsiv, störend? Auch den Zusammenhang von genetischer Bedingtheit und Umwelteinflüssen wie Stress, Medienkonsum oder familiären Problemen erläuterte Möhler anschaulich.

Wie man ADHS-Kindern beim Lernen helfen kann, zeigte der Kölner Pädagoge Detlef Träbert im Vortrag "Kinder, merket auf!". Als Maßnahmen empfahl er unter anderem, in einer reizarmen Umgebung zu lernen, Konzentration spielerisch zu fördern, und vor allem häufig kurze Pausen, etwa bei den Hausaufgaben, einzulegen. In einem Lehrer-Workshop vertiefte er diese Anregungen später. Einen weiteren Workshop, den "Eltern-Coach von 0 bis 33 - Hilfen, Interventionen und Therapien im ersten Lebensdrittel" leitete der Dillinger Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Bernd Janthur.

Für Lehrer , Erzieher und Ärzte leitet Drewitz beim Gesundheitsamt zwei Arbeitskreise "ADHS im Kindergarten" und "ADHS in der Schule". Für Eltern bietet die Elterninitiative ADHS Deutschland, Regionalgruppe Saarlouis, monatliche Treffen an. Info: Tel. (0 68 31) 44 47 79.Vorweg: In Ihrem Vortrag betonten Sie, wie wichtig eine sorgfältige Diagnostik ist. Warum?

Detlef Träbert: Eine ADHS-Diagnostik zu vermuten und vielleicht sogar auf Verdacht hin mit Medikamenten zu behandeln, wäre verantwortungslos. Doch leider gibt es Fälle, in denen Ärzte auf die Schnelle Mittel verschreiben und die Gabe nicht ausreichend kontrollieren, und sogar Eltern , die über das Internet selbst Medikamente illegal beziehen. Eine Diagnostik muss jedoch Ausführlichkeit haben, weil viele angrenzende Störungen und Auffälligkeiten ausgeschlossen werden müssen.

Sie beraten unter anderem Lehrer zum Umgang mit ADHS-Kindern. Haben Sie dabei Goldene Regeln?

Träbert: Die Kinder brauchen Bewegungsalternativen, zum Beispiel ein Luftpolsterkissen auf dem Stuhl, auf dem sie herumrutschen können, ohne andere zu stören, oder ein Tastsäcken, mit dem sie ihre Finger beschäftigen können. Wenn es möglich ist, sollten Lehrer in Stillarbeitsphasen erlauben, auch mal im Stehen oder Liegen zu arbeiten. Das sind nur drei Beispiele, wie man Steigerungen vorbeugen kann. Lehrer müssen individuelle Lösungen finden. ADHS-Kinder machen uns mit ihren Besonderheiten darauf aufmerksam, dass starre Standards nicht immer funktionieren.

Lehrer beklagen oft, dass ADHS-Kinder "den Unterricht sprengen". Ist ADHS Ihrer Meinung nach ein Ausschlusskriterium für die Regelschule?

Träbert: Nein! ADHS ist keine Frage der Intelligenz, und den Kindern sollte jede Schullaufbahn möglich sein. Aber es setzt gewisse Kompetenzen voraus, bei allen, die mit den Kindern arbeiten.

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