Was heißt denn im Namen der Ehre?

Dillingen · Ehre ist ein mächtiger Begriff für Kinder aus Migrantenfamilien. Aber wissen sie, was damit genau gemeint ist? Können sie ihren Ehrbegriff in das 21. Jahrhundert in Europa übertragen? Wer kann sie dabei unterstützen? Damit befasste sich eine Tagung gestern in Dillingen.

Sie warnt nachdrücklich davor, die Fachfrau Sonja Fatma Bläser, aus Desinteresse oder falscher Rücksicht eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Ehrbegriff von Migranten und Flüchtlingen zu vermeiden. Sonst bestehe die Gefahr, dass insbesondere Jugendliche der dritten Generation der Migranten einen Ehrbegriff ohne jedes Wissen darüber verwendeten. Der Ehrbegriff sei ein zentraler, wichtiger Aspekt der Erziehung und des Verhaltens in Migrantenfamilien . "Wenn wir mit den Jugendlichen nicht in die Diskussion gehen, dann werden die veralteten Denkmuster einfach weitergegeben." Solche Denkmuster aus "alten, patriarchalischen Strukturen" führten zu Problemen mit Grundgesetz und Demokratie.

Fast 100 Menschen aus sozialen Berufen, die auch mit Migranten und Flüchtlingen zu tun haben, nahmen am Mittwoch an der Fachtagung "Ehre und Stolz in patriarchalen Gesellschaften" in Dillingen teil. Die Veranstalter waren der Landkreis Saarlouis und der Arbeitskreis gegen Gewalt und Ausgrenzung im Landkreis Saarlouis, die LAG Streetwork Saar, das Diakonische Werk an der Saar, die Stadt Dillingen und das Landesinstitut für Pädagogik und Medien. Bläser ist unter anderem Projektleiterin bei "Heroes". Das ist ein mehrfach ausgezeichnetes Projekt, in dem "sich junge Männer aus Ehrenkulturen gegen Unterdrückung im Namen der Ehre" engagieren.

"Warum ist Ehre so wichtig?"

Bläser plädierte dafür, mit Kindern und Jugendlichen darüber nachzudenken, was Ehre eigentlich meine, und ob dieser Begriff nicht ersetzt werden könne "zum Beispiel durch Menschlichkeit. Wir müssen fragen, warum ist die Ehre, das Ansehen bei anderen, so wichtig, und was macht sie mit uns?" Dieter Held, Kreisjugendamt: "Es wird darum gehen, den jungen Menschen ein anderes Bewusstsein zu geben von dem, was sie mitbekommen haben, ohne darüber nachzudenken."

Reflektieren lernen

Die Jugendlichen "sollen besser reflektieren können, was ihre eigene Tradition ist, und wieweit diese Tradition an die heutige Realität hier angepasst werden muss", sagte Held.

Tabus dürfe es dabei nicht geben, "wir müssen darüber reden", forderte Bläser. Unterlasse die Gesellschaft diese Diskussion, werde es kein Wir in der Gesellschaft geben, "sondern wir gehören nicht zu euch und ihr wollt uns nicht haben." Das produziere eine Opferrolle, "und dann haben wir in zehn Jahren große Probleme, die wir jetzt vermeiden könnten". Michael Mansion, Sprecher des Arbeitskreises gegen Gewalt: "Ehrenkultur ist aus unserer Sicht ein gravierendes Thema, das unbedingt behandelt werden muss."

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